Aston Martin Vanquish im Test: 835 PS, V12-Biturbo & GT-Charakter

Aston Martin Vanquish im Test
Tradition trifft auf Turbo-Wahnsinn

ArtikeldatumVeröffentlicht am 24.08.2025
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Hören Sie’s rumpeln? Ja, das sind die Schallmauern der Motorleistung, die gerade im Monatstakt zu bersten scheinen. Schauen Sie sich um: Ein AMG GT haut inzwischen mit bis zu 843 PS auf den Putz, Ferrari erreicht dieselben Sphären schon mit einem Volumenmodell, während Lambo den Revuelto gar mit 1.015 PS auf die Menschheit loslässt – von irgendwelchen Kleinserien-Mondautos gar nicht zu reden.

Mit 835 PS landet der Aston Martin Vanquish in der Liga dieser außergewöhnlichen Gentlemen jedenfalls nur mehr im hinteren Mittelfeld – um trotzdem herauszustechen! Denn tatsächlich werden die hehren Zahlen hier noch ohne die Injektion elektrischer Wachstumsbeschleuniger erzeugt: zwölf Zylinder, 5,2 Liter Hubraum, zwei Turbos – Ende der Leis- tungsschöpfungskette.

Romantisch? Bestimmt, aber deswegen auch konsistent. Im Gegensatz zur Brut der Hybrid-Sportler, die ihr theoretisches Potenzial erst durch Flaschenhälse in Form von Ladezuständen und Temperaturfenstern in die Praxis pressen müssen, ist die Power des Aston einzig und allein an den Gasfuß geknüpft. Zumal sich die Ingenieure rühmen, die vollen 1.000 Nm bereits in der zweiten der acht Fahrstufen freizusetzen, was im Reigen der hinterradgetriebenen Hochleistungsgesellschaft eher die Ausnahme sei.

Wo bleiben die Manieren? Keine Bange! Trotz der nominellen Eskalation gehorcht der Aston Martin Vanquish den Geboten der Gran-Touristik – zumindest formal. Der Hausmacher-V12 sitzt nun fast komplett hinter der Vorderachse, der ZF-Wandler flanscht – ganz der Tradition verpflichtet – transaxial gegenüber an. Achslastbalance und Proportionen sind entsprechend wohlgeformt, die Kraftentfaltung indes läuft etwas aus dem Ruder.

Eruptiv statt homogen

Die typische Linearität früherer Aston-V12 wird durch die hochgradige Aufladung zur Rampe. Die Wucht wächst also nicht gleichmäßig empor, sondern gemächlich an, um dann zu eruptieren. Erst bei 2.500/min haben die Lader ihre eigene Trägheit überwunden beziehungsweise den Motor aus dem Sumpf seiner niedrigen Verdichtung herausgeschaufelt, weshalb es entweder reichlich Anlauf oder zwei bis vier Runterschaltvorgänge braucht, bis die Macht erwacht.

Dafür bricht danach die Hölle los: Ladedrücke bis zu 2,25 bar (absolut) potenzieren die Urgewalt des Triebwerks, deren Ausläufer wie ein Tropensturm aus majestätischer Power über die 1.952 kg hereinbrechen, eine Schneise der Längsdynamik hinterlassend – und entwurzelte Klischees.

Der erste Gedanke nach Abebben dieses Naturschauspiels ist aus Jugendschutzgründen hier nicht im Klartext niederzuschreiben. Die anderen wollen wir aber gern mit Ihnen teilen. Einer von ihnen hat, wir waren selbst überrascht, durchaus mit Sinn und Verstand zu tun, relativiert sich in Deutschland aber sowohl durch das Vorhandensein der Autobahn als auch dadurch, dass sich der Vanquish gegenüber seinem Vorgänger, dem DBS Superleggera, für seine Brutalität gewappnet hat: Der gestreckte Radstand gibt dem Hebel einen längeren Arm, letztlich also mehr Stabilität in seinem Wirken. Zusätzlich wurde die Steifigkeit der mit CFK-Teilen bekleideten Alukarosse signifikant verbessert, sodass der Einschlag des Drehmoments die Gebeine nur ganz kurz aus der Struktur zu brechen scheint.

Aston Martin Vanquish V, Motor
Hans-Dieter Seufert

Als Rückgrat fungiert ein aktives Hinterachsdifferenzial, welches das Handling kanalisiert, beim Einlenken agilisiert oder in Kooperation mit einer ausgezeichneten Traktionskontrolle stufenweise konturiert. Wie heutzutage üblich sind seine Kennlinien mit allen anderen Mitarbeitern der Fahrdynamik vernetzt, ziehen also gemeinsam mit der Motorsteuerung und dem Fahrwerk an einem Strang, der sich wiederum in Abhängigkeit von den Fahrmodi lockert oder strafft. Am züchtigsten ist das "Wet"-Programm. Es stülpt einen Sack über das Monster, dämpft die Gasannahme und kapselt die Gewalt. "GT" versteht sich als Status quo, flacht die Drehmomentkurve zugunsten einer etwas bekömmlicheren Entfaltung ab. Und die Sport-Modi treiben dann alles sukzessive auf die Spitze.

Generell gilt: Gemessen an der Vehemenz, die da auf die 325er-Hinterräder niedergeht, ist die Traktion des Vanquish schlicht phänomenal. Sicher, wer’s drauf anlegt, hat stets genug Zug an der Kette, um die Qualmfahnen problemlos bis in den vierten Gang zu ziehen. Andersrum scheint die Antriebsregelung aber auch die Absicht zu registrieren, die Kraft hochprozentig ausnutzen zu wollen, und bewerkstelligt dann eben genau das. Der Beweis wird in Zahlen überbracht. In 3,5 Sekunden hat der 4,85-Meter-Torpedo die 100er-Marke durchschlagen, was fraglos beeindruckend, letztlich aber nur das Vorspiel dessen ist, was der Ultrakurzhuber obenraus entfesselt.

Aston Martin Vanquish V
Hans-Dieter Seufert

Wobei sich, während man wie mit einem düsengetriebenen Fahrstuhl durch die Beletage der Tachoskala rauscht, schon die Frage stellt, was einen mehr umhaut. Der unfassbare Schub, mit dem der Vanquish signifikante Tempodistanzen komprimiert? Die spektakuläre Beharrlichkeit des Vortriebs? Oder einfach der heroische Nachhall der Titanauspuff-Posaune, der das Donnerfauchen des Motors zunächst über-, später untermalt?

Im Stile eines Speedboats

Apropos: Die prächtig-mächtige Akustik beglückt auch die Außenwelt, was im Zeitalter der Repressalien ebenso erwähnenswert ist wie die Erkenntnis, dass die Farbe des Klangs nicht künstlich nachgetönt wird, sondern bereits von sich aus so finster ist wie jene der Cockpit-Komposition: nadelwaldgrünes Leder, kohlefaserne Einlagen – nur eine von einer unendlichen Anzahl an Möglichkeiten.

Aston Martin Vanquish V; Cockpit
Hans-Dieter Seufert

Wie beim Vantage sitzen die Schaltpaddel ab sofort am Lenkrad, nicht mehr an der Lenksäule. Tasten, Drehregler und Walzen extrahieren die Hauptfunktionen aus dem Touchscreen-Infotainment, das per Apple-CarPlay-Ultra-Interface einen neuen Standard der Bedienergonomie einführt und setzt.

Generell könnte man dem Vanquish vorwerfen, dass er sich innenarchitektonisch (fast) nur durch die Zweisitzigkeit vom 160.000 Euro günstigeren  DB 12 abgrenzt. Wer suchet, der findet zudem einige Material-Schrägstrich-Verarbeitungsprobleme, dafür passt das Feeling den Assoziationen wie ein Maßanzug. Tiefe Sitzposition, episches Haubenpanorama und eine Abstimmung, die im Spannungsfeld aus Sportwagen und Coupé genau ins Schwarze trifft.

Die Bewegungsabläufe erinnern an ein Speedboat oder an das, was wir Landratten uns unter einem Speedboat vorstellen. Die feiste, direkte Lenkung führt akkurat, aber nie überspitzt, das Fahrwerk lässt dem Aufbau Raum zum Gleiten, schnallt ihn über spezifische Pirellis einerseits satt auf die Linie, entfaltet andererseits aber diesen GT-Stil-bildenden Swing im Heck, der sich als subtiler Druck aus der Hüfte ankündigt und dann nach Herzenslust ausprägen lässt.

Aston Martin Vanquish V, Auspuff
Hans-Dieter Seufert

Keine Frage, dafür hätt’s auch ein Bruchteil der Leistung getan. Wahrscheinlich käme man nüchtern betrachtet sogar zu dem Schluss, dass der Vanquish den Bogen völlig überspannt. Nicht nur wegen des ermatteten Ansprechverhaltens, sondern weil er die Hinterachse mit all seiner Kraft derart unter Druck setzt, dass sie auf Bodenwellen zu pumpen und am Limit heftig auszukeilen beginnt.

Aber hören Sie dieses Klimpern? Das sind die Champagner-Flöten zum Anstoßen auf eine berauschende Synthese aus Tradition und Wahnsinn, die einfach nicht völlig nüchtern betrachtet werden darf.

Technische Daten
Aston Martin Vanquish
Grundpreis386.000 €
Außenmaße4855 x 1980 x 1295 mm
Kofferraumvolumen248 l
Hubraum / Motor5204 cm³ / 12-Zylinder
Leistung613 kW / 835 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit345 km/h