Aston Martin DB12 im Test

Aston Martin DB12 im Test
Nicht mehr Gran-, sondern Supertourer?

Veröffentlicht am 16.11.2024

Sie gestatten, dass ich mit einer Vorwarnung in eigener Sache beginne? Es mag nämlich sein, dass diese Story im Laufe ihrer Zeilen ins Schwärmen gerät. Das hängt fraglos mit dem Charme des Aston Martin DB12 zusammen, aber auch mit einer schweren Form von Anglophilie, die den Autor einst befallen hat. Um dennoch den Zuschlag für diesen Test zu erhalten, musste Objektivität beschworen werden. Und weil die im Fall britischer Automobile nur selten ohne Kritik auskommt, haben wir nun sozusagen den Salat. Hier die mahnende Miene der Kollegen, dort …? Hach ja …!

Egal aus welcher Perspektive man die 4,72 Meter lange Idealmaß-Skulptur ins Auge fasst, ob vis-à-vis des Kühlergrills, dessen Wachstum als Tribut an den Atemluftbedarf der Maschinerie dahinter verstanden werden darf, oder von schräg hinten, wenn der Blick über die Hüften einer um 22 mm aufgesäumten Hinterachse schweift – jede Linie, jede Sicke, jeder Falz wirkt so hinreißend und so stilsicher, dass einem die folgende Auflistung kleinerer Ungereimtheiten ein bisschen vorkommt wie der Leberfleck über Cindy Crawfords Oberlippe.

Makel? Schönheitsflecken!

In diesem Sinne glänzt der Kofferraum mit der Abwesenheit jeglicher Variabilität. Ebenfalls begrenzt: der Fond. Doch solange AMG seinen GT als Zwei-plus-Zwei verkauft, geht der DB12 als Luxuslimo durch. Des Weiteren ändert die Tatsache, dass sich andere Hersteller gerade mit der Verballhornung von Türgriff-Mechanismen übertreffen, nichts daran, dass Astons Stäbchen-Lösung eine fummelige, wenngleich adrette bleibt. Zu erwähnen ist zudem, dass an den rahmenlosen Seitenscheiben mitunter Windgeräusche säuseln, wobei man diesem Problem Herr werden kann. Entweder mithilfe der stimmgewaltigen Bowers-and-Wilkins-Anlage oder ganz klassisch mit einer gehörigen Portion Gas, woraufhin der Vollleder-Kokon mit sommergewittrigem Donnern geflutet wird. Allzu dolle regnen sollte es dabei jedoch nicht, da die Scheibenwischer bereits ab 200 der maximal möglichen 325 km/h zu hoppeln beginnen.

Und letztens würde man, wenn man sich im Aston Martin DB12 nicht so viel besser verlustieren könnte, über das neue Infotainment diskutieren. Obwohl die Bordelektronik weiterhin auf einem Mercedes-Gerüst fußt, wie die Ergonomie stellenweise verrät, haben die Briten das Infotainment selbst in die Hand genommen. Was ein zwiespältiges Bild ergibt: Der gediegene Look harmoniert besser mit der pittoresken Cockpitlandschaft als das vorige System von der Daimler-Resterampe, das Display löst höher auf, und die Menüs sind für Erfinder des Linksverkehrs verblüffend logisch strukturiert. Aber Carplay und Co. funktionieren nur per Kabel, der Kontrast ist mau, und zudem gerät die Animation – genau wie die des Cockpitdisplays – ins Zuckeln, wenn man durch die Menüs blättert oder wischt.

Mit geschärfter Klinge

Chronistenpflicht erfüllt? Prima, dann kommen wir zur Kür: zum speziellen Reiz der Gattung Gran Turismo, jener goldenen Mitte zwischen 08/15-Coupé und Vollblut-Sportwagen, die Aston Martin nun mit kräftigerem Profil anvisiert. "Bold" lautet die Parole der neuen Modellgeneration. Zu Deutsch: mutig, kühn. Oder auch: fett. Ein dezenter Hinweis aufs Gewicht? Mitnichten: 1.832 Kilo – heutzutage ein Ruhmesblatt in diesen Dimensionen. Vielmehr bezieht sich das Schlagwort auf den erhöhten Nachdruck in den Charakterzügen, der dadurch untermauert wird, dass der DB12 weniger als stumpfe Fortsetzung des DB11 konzipiert ist als mehr als Softcore-Version des einstigen DBS.

Unter der breitbeinigen Statur steckt eine steifere Struktur, die von einem Fahrwerk mit dickeren Stabis und vernetzten Adaptivdämpfern getragen wird. Daraus entsteht ein Fahrgefühl, das mit den großen 21-Zoll-Rädern in der Tradition der DB-Linie wurzelt, nun aber mit einem neuen Charakter auf die Fechtbahn tritt. Das Florett hat sich zum Säbel entwickelt, was elementar mit zwei Faktoren zusammenhängt.

Der eine Faktor, das aktive Differenzial, ist ein Novum für die DB-Modelle. Es impft dem langen Radstand von der Hinterachse aus einen Drall in Kurvenrichtung ein, jedoch ohne die Stringenz der Befehlskette zu verwackeln. Im Gegenteil: Wie sich das Handling an die Handgelenke schmiegt, ist gelinde gesagt fantastisch. Die konstante Übersetzung der elektrisch unterstützten Lenkung transportiert eine adäquate Dosis Feedback, exerziert Befehle mit piekfeiner Note und einem Höchstmaß an Präzision, das sich je nach Dämpferstufe ins Handling prägt. Die GT-Stellung mischt das erhöhte Grundengagement mit innerer Gelassenheit, die nur durch gelegentliches Abrollrumoren angeknittert wird. Sport und Sport+ mindern Aufbau- und Wankbewegungen in Nuancen, stemmen das Frontmittelmotor-Coupé mit Elan beziehungsweise Schmiss in Kurven, halten aber stets das GT-Feeling am Leben: diesen besonderen Swing, der aus einer gewissen Lockerheit im Zusammenhang zwischen Kinematik und Karosserie, einer blitzsauberen Achslastbalance und der Kraftfülle des Hinterradantriebs entsteht. Sie ist Faktor Nummer zwei.

Ausrasten mit Contenance

Die acht Zylinder des Vierliter-Biturbo mögen mit der Typenbezeichnung kontrastieren, ihre Vorstellung übertrumpft aber sogar die V12-Version des DB11. Geänderte Nockenprofile, Zusatzkühler und größere Lader schau- feln 680 PS und 800 Nm aus dem AMG-Motor, was mehr als genug wäre, um das edle Auto mit einer falschen Fußbewegung über die Klinge springen zu lassen. Die Contenance wahrt ein exzellentes ESP. Es unterscheidet vier Stufen von züchtig (Wet) bis völlig enthemmt (Off), zeichnet sich aber vor allem dadurch aus, dass es nicht mit der Spitzhacke eingreift, sondern potenzielle Eskapaden wie eine elastische Leitplanke einfängt.

Der so elegant abgesicherte zornige Schub entfesselt imposante Fahrleistungen, speziell dann, wenn der Kraftschluss auch ohne Zurechtfeilen per Elektronik erfolgt. Folgenlos bleibt der De-facto-Fortschritt aber nicht. Die hochgradige Aufladung bedingt eine stark reduzierte Verdichtung gegenüber dem 535-PS-V8 des DB11, die sich zusammen mit den größeren und trägeren Turboturbinen als Durchzugs-Lethargie im unteren Drehzahldrittel breitmacht. Zwar versteht es der in Schaltzeit, -taktik und Endübersetzung gestraffte Achtstufen-Automat, den Langhuber mit flinken Gangwechseln unter Dauerdruck zu halten, die Tonalität ändert sich dennoch: Die Kraft quillt, anstatt zu fließen, wirkt erst matt, dann martialisch. Und inmitten des grazilen Handlings wirkt sie am Ende ein bisschen so wie Cindy Crawford auf etwas strammen Wadln.

Technische Daten
Aston Martin DB12 Coupé 4.0 V8
Grundpreis225.000 €
Außenmaße4725 x 1980 x 1295 mm
Kofferraumvolumen262 l
Hubraum / Motor3982 cm³ / 8-Zylinder
Leistung500 kW / 680 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit325 km/h
0-100 km/h3,7 s
Testverbrauch13,0 l/100 km