Alpina B4 Gran Coupé Supertest auf der Nordschleife

Alpina B4 Gran Coupé im Supertest
Alpinas Abschiedstour auf der Nordschleife

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Veröffentlicht am 02.07.2023

Bei keinem anderen Hersteller ist bereits die Fahrzeuganlieferung von einer derart kindlichen Vorfreude geprägt – und zwar auf die legendäre Alpina-Plakette auf der Mittelkonsole samt Produktionsnummer und der Inschrift "Hersteller exclusiver Automobile". Diese Exklusivität und diese Automobilbegeisterung zieht sich auch ansonsten von Anfang bis Ende durch jeden Alpina-Supertest.

Angefangen bei der herzlich-charmanten Testwagenkoordination mit Angelika Jörg-Kane (Verkauf/Marketing und Presseanfragen) über Nordschleifen-affine Fachsimpeleien mit Alpina-Fahrdynamikentwickler Sebastian Rinke bis zu einem meist höchst benzingetränkten Telefonat nach Testende mit Firmenchef Andy Bovensiepen. Und das soll nun alles Geschichte sein? Vermutlich ja! Es ist zu befürchten, dass dies der letzte Alpina-Supertest ist! Wehmut pur!

Gefühlt holt uns die Zukunft nämlich schon heute ein, obwohl sie bei Alpina erst offiziell am 31. Dezember 2025 beginnt. Dann wird der im März 2022 bekannt gegebene Verkauf der Alpina-Markenrechte an BMW amtlich. Heißt im Klartext: Das BMW Alpina B4 Gran Coupé auf Basis der Baureihe G26 ist das letzte neu entwickelte Serienfahrzeug aus der alten, liebgewonnenen Alpina-Welt.

Bis auf das im späteren Lebenszyklus noch anstehende Facelift dieser besagten B4-Generation, die es bei Alpina übrigens auch als Performance-Diesel namens D4 gibt, war es das dann mit Neuentwicklungen aus Buchloe nach dem bisher bekannten Muster. Den kommenden BMW Fünfer (G60) wird es beispielsweise nicht mehr als Alpina geben.

Produktionsnummer 007: Ostallgäu-Bond

Alpina B4 Gran Coupé
Hans-Dieter Seufert

Umso mehr müssen wir heute diesen wunderschönen B4 in der traditionellen Lackierung "Alpina Grün II" mit den klassischen Speichenrädern und feinen Seitenstreifen genießen. Oder sollen wir ihn besser Ostallgäu-Bond nennen? Der Testwagen trägt nämlich die Produktionsnummer 007.

So einmalige B4-, aber auch B3- oder B5-Derivate stehen zukünftig übrigens auf der Kippe. BMW will mit dem Alpina-Kauf die Lücke zwischen sich und Rolls-Royce schließen – klingt nach purem Luxus, der sich vermutlich nur um die größeren Modellvarianten drehen wird. Schlimm genug, aber Hauptsache, es kommt nicht irgendein vermeintlicher Marketing-Überflieger bei BMW noch auf die Idee, eine Alpina-Line, beispielsweise für einen 2er Active Tourer, auf den Markt zu schleudern. Mir brennen schon immer die Augen, wenn ich den BMW-Hochdachkombi mit M-Paket ertragen muss!

So einen Hardcore-3er wie einst den legendären B3 GT3, das bis dato schnellste Alpina-Serienmodell auf der Nordschleife, wird es allein aufgrund der großen Nähe zu den M-Modellen mit Sicherheit nicht mehr geben. Da wird doch nicht einer an der 7.49-Minuten-Rundenzeit rütteln wollen, die einst das auf 99 Exemplare limitierte B3-GT3-Sondermodell in die Eifelkurven gebrannt hat? Nach den ersten drei Nordschleifen-Sektoren (bis Ausgang Hohe Acht) scheint es fast so, denn das aktuelle B4 Gran Coupé hat seine Niere im Direktvergleich bis hierhin sechs Zehntelsekunden vor dem B3 GT3 von 2012.

Dort der für Alpina-Verhältnisse mit 1.565 Kilo vergleichsweise leichte Tracktool-Dreier von einst mit 408 PS, einstellbarem KW-Fahrwerk und Semislicks (Michelin Pilot Sport Cup), hier der aktuelle, höchst alltagstaugliche Rennreisebegleiter mit 495 PS starkem Reihensechser-Biturbo und der faszinierenden Mischung aus Fahrdynamik, Komfort und Extravaganz. Auch wenn das B4 Gran Coupé trotz seines fast 400 Kilo höheren Gewichts erstaunlich gut mithalten kann, hinkt der Vergleich des beflügelten B3-GT3-Extremisten mit dem B4 Gran Coupé natürlich.

Elegant und dynamisch

Alpina B4 Gran Coupé
Hans-Dieter Seufert

Für Kaufinteressenten stellt sich aktuell wohl eher die Frage: Welchen viertürigen Alpina der 3er-/4er-Baureihe soll ich nehmen? Die B3 Limousine oder das B4 Gran Coupé? Aus optischer Sicht gibt’s für mich da keine zwei Meinungen – so elegant, wie das Gran Coupé antritt.

Und wie sieht’s in puncto Fahrdynamik aus? Beide tragen mit dem Alpina-spezifischen Reihensechser auf S58-Basis ein Biturbo-Aggregat, von dem wir noch träumen werden, wenn es überall mehr summt als brummt. Im Automatikmodus serviert die ZF-Achtgangautomatik (8HP76) die Gänge je nach Lastzustand so passend, dass der Biturbo entweder mit seinem 730-Newtonmeter-Punch sofort bassig zur Attacke trommelt oder sich dezent im Hintergrund hält.

Wer will, kann die Gänge natürlich auch manuell wechseln. Bei den meisten Alpina, die ich kennenlernen durfte, wurden dann die Fahrstufen per Knopfdruck über die Alpina-typischen Tasten an der Lenkradrückseite gewechselt. 007 trägt jedoch die weitaus selteneren und optionalen Schaltwippen aus Vollaluminium mit "Alpina"-Schriftzug, die nicht nur exklusiv aussehen, sondern auch mit Verbindlichkeit die Gänge variieren.

Ungedrosselte Vmax! Herrlich!

Alpina B4 Gran Coupé
Hans-Dieter Seufert

Was ich an Alpina besonders liebe, ist die ungedrosselte Höchstgeschwindigkeit sämtlicher Fabrikate. Laut seinem Digitaltacho mit Alpina-spezifischer Grafik läuft das B4 Gran Coupé deutlich über die eingetragene Vmax von 301 km/h.

Ein Pluspunkt gegenüber den vergleichbaren M3-/M4-Modellen, die trotz Mehrleistung auch mit M Driver’s Package (optionale Vmax-Anhebung) im Topspeed nicht so schnell wie der Alpina sind. Sie sind äußerst selten, diese Vollgasnächte auf unlimitierten Autobahnen, aber wenn man dann doch einmal auf ein PS-stärkeres Fahrzeug aufläuft, das aber bereits im Vmax-Begrenzer dahingaloppiert, ist es ein Hochgenuss, sich langsam, aber stetig mit einem Alpina ranzurobben, um dann mit ein paar km/h Topspeed-Überschuss vorbeizuziehen. Herrlich!

Ganz vergleichbar sind auch die in Supertest 1/2021 gefahrene B3 Limou- sine und das aktuelle B4 Gran Coupé nicht, da die Allrad-Limo noch als Vorfacelift an den Start gegangen ist – also mit 462 PS starkem S58. Seit dem Facelift im Oktober 2022 leistet der Dreiliter im B3 ebenfalls 495 PS.

Bombige Traktion

Alpina B4 Gran Coupé
Hans-Dieter Seufert

Mit 303 km/h (mit 462 PS) beziehungsweise 305 km/h (mit 495 PS) hat die Limousine einen marginal höheren Topspeed. Trotz seiner rund 30 PS geringeren Leistung ging der B3-Testwagen nicht nur in puncto Vmax besser, sondern hechtete auch schneller durch die 0–200-km/h-Prüfung. 12,6 Sekunden wurden damals für den B3 notiert, deren 13,3 jetzt für das B4 Gran Coupé.

Angesichts der Mehrleistung klingt das verwunderlich, erklärt sich jedoch mit dem hochsommerlichen Wetter bei der B4-Messung und dem auffälligen Mehrgewicht des Gran Coupés von satten 155 Kilo gegenüber dem B3-Testwagen. Im Alltagsbetrieb fallen die Extrapfunde nicht auf. Egal ob trockener oder nasser Asphalt, das B4 Gran Coupé glänzt allzeit mit bombiger Traktion.

Auf der Anreise zur Nordschleife begeistert mich der B4 mit noch höherem Federungskomfort und einem noch ruhigeren Highspeed-Geradeauslauf als der B3. Zum Frühstücken nach Paris oder auf ein Fischbrötchen nach Kopenhagen – mit dem eleganten Hochgeschwindigkeits-Gran-Coupé will man gerne direkt durchbrennen und auf Europa-Tournee gehen.

Alpina-typisch spielte schon die B3 Limousine beim Alltagskomfort weit vorne mit. Adaptivdämpfer mit eigenständiger Applikation verfeinern den Reisekomfort des B4 nochmals und heben den GT-Charakter des Gran Coupés hervor.

Stark auf der Bremse

Alpina B4 Gran Coupé
Hans-Dieter Seufert

Doch Supertest bedeutet nicht Alltag auf der Autobahn, sondern in erster Linie Nordschleife. Das bereits thematisierte Mehrgewicht spürst du im Grenzbereich klar auf der Bremse. Mit dem B4 muss daher ein noch früherer Bremspunkt gewählt werden als bereits mit dem B3.

Heißt aber nicht, dass der Alpina-Vierer schlechter als sein B3-Bruder bremst. Ganz im Gegenteil: Den etwas geringeren Verzögerungswerten auf der Rennstrecke stehen bessere Werte bei der Standardmessung gegenüber (100–0 km/h warm: B3 34,1 m, B4 33,6 m). Egal ob B3 oder B4 – Verzögerung können sie bei Alpina.

Querdynamisch steckt das Gran Coupé das höhere Gewicht auf der Nordschleife ansonsten im strafferen Sport-Plus-Dämpfermodus gut weg. Die Spreizung zwischen den Modi gelingt Alpina immer besonders gut. Obwohl eher der Reisekomfort im Vordergrund der Entwicklung stand, ist der B4 keine Nordschleifen-Schaukel. Im Vergleich zum B3 fühlt sich das Fahrverhalten in engeren Kurven konservativer an; dafür punktet der B4 in den schnellen Ring-Kurven mit höherer Fahrstabilität. Nicht nur in den Mutecken der Nordschleife, sondern auch in fixen Autobahnkurven à la Kasseler Berge trägt die gewonnene Fahrstabilität zur gutmütigen Beherrschbarkeit bei hohem Tempo bei.

Während der B3 deutlich rotationsfreudiger agiert, bleibt das Gran Coupé im Grenzbereich lange neutral um die Hochachse. Beim Erreichen des Limits drängt es dann in ein sachtes Untersteuern. Auf das abbauende Gripniveau im hinteren Teil der Nordschleifen-Runde reagiert der B4 nicht wie der B3 mit präsentem Übersteuern unter Last, sondern mit leichtem Schieben über die Vorderachse.

Die höhere Fahrstabilität des B4 wird unter anderem durch ein stärker ausgeprägtes Verhältnis der Mischbereifung erreicht (B3: 255/265; B4: 255/285). Damit die Hinterachse die Vorderachse mit ihrem gestiegenen Gripniveau nicht überfordert, legten die Alpina-Fahrdynamikentwickler die Allradverteilung etwas heckbetonter als beim B3 aus. Außerdem zogen die Ingenieure die Stabiraten an der Vorder- und Hinterachse an (VA: circa 10 Prozent, HA: circa 20 Prozent). Auch die Aufbaufederraten wurden etwas höher ausgelegt (ca. 5 Prozent). Noch ein Unterschied: Die Hydrolager der Zugstreben an der Vorderachse sind beim B4 rund 20 Prozent steifer konzipiert worden als beim B3.

Drei Lenkmodi

Alpina B4 Gran Coupé
Hans-Dieter Seufert

Ebenfalls typisch Alpina: die speziell applizierte Lenkung mit drei Lenkmodi. Ihre Rückmeldung mit unaufgeregter Ansprache aus der Mittellage heraus legt den Fokus auch im Sport-Plus-Modus mit etwas strafferem Handmoment eher auf den ruhigen Hochgeschwindigkeits-Geradeauslauf auf der Autobahn. Wie die Lenkung will der ganze B4 kein Lückenfüller für das Fehlen eines viertürigen M4 sein, sondern präsentiert seinen eigenständigen Charakter.

Bemerkenswert: das Interesse am und die Wertschätzung der Fahrdynamikentwickler der M GmbH für den B4, die beim gemeinsamen Testtag in Hockenheim darum baten, die eigens von Alpina entwickelten "Dom-Frontend-Streben" begutachten zu dürfen. Diese steigern nicht nur den schmackhaften Anblick des Motorraums, sondern sollen auch für einen solideren Abrollkomfort und eine gesteigerte fahrdynamische Verbindlichkeit im Vorderwagen sorgen.

In den lang gezogenen Kurven der Schleife überzeugt das Gran Coupé von Alpina mit seiner Fahrstabilität bei hohem Tempo und münzt diese in eine noch schnellere Rundenzeit als mit der B3 Limousine um – mit 7.52 Minuten die zweitschnellste Run- denzeit eines Alpina überhaupt auf der Nordschleife. In den verwinkelten Ecken von Hockenheim und bei den Fahrdynamikdisziplin des Slalom konnte der B4 sein höheres Gewicht nicht verheimlichen. Hier hat der gierfreudigere B3 die Nase klar vorne.

Auch wenn sie keine Extremsportler waren, werde ich die Alpina-Modelle nach jetziger Machart schmerzlich vermissen. Kaum einem Hersteller ist der Spagat aus Sport und Alltag immer wieder so gut gelungen. Auch das B4 Gran Coupé ist der perfekte Daily Driver mit einer feinen Prise Sport. Selten hat ein Sprichwort jedoch so gut gepasst wie heute: "Man soll gehen, wenn es am schönsten ist."

Technische Daten
Alpina B4 Gran Coupé
Grundpreis94.500 €
Außenmaße4792 x 1850 x 1440 mm
Kofferraumvolumen470 bis 1290 l
Hubraum / Motor2993 cm³ / 6-Zylinder
Leistung364 kW / 495 PS bei 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit301 km/h
0-100 km/h4,2 s
Verbrauch9,8 l/100 km