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Alfa Romeo Giulia 2.2 Diesel im Test
Bester Alfa der Neuzeit

Im Fahrbericht hat er uns begeistert, beim ersten Vergleich gegen den Audi A4 gut mitgehalten, und nun im Test? Auch da gibt sich der neue Alfa Romeo Giulia keine ernsthafte Blöße. Ein Neustart nach Maß für die Marke.

Alfa Romeo Giulia 2.2 Diesel, Frontansicht
Foto: Massimiliano Serra

Sie sind wieder zurück aus der Versenkung: Alfa Romeo im Allgemeinen, der Heckantrieb im Besonderen und die Giulia im Speziellen. Das ist so wundervoll, dass man als italophiler Autofan alleine schon diese Meldung mit dem einen oder anderen Glas Chianti Classico feiern möchte – was dann unweigerlich in weinseligen alten Zeiten enden würde. Das wäre zwar lustig, aber gleichzeitig dämlich, denn beschwipst dürfte man schließlich nicht mehr fahren. Und nicht testen. Heben wir uns die Flasche vom samtigen Roten also für danach auf und widmen uns zunächst der Giulia.

Alfa Romeo Giulia 2.2 Diesel, Frontansicht
Massimiliano Serra
Im Fahrbericht hat er uns begeistert, beim ersten Vergleich gegen den Audi A4 gut mitgehalten, und nun im Test? Auch da gibt sich der neue Alfa Romeo Giulia keine ernsthafte Blöße. Ein Neustart nach Maß für die Marke.

Bei diesem Test teilen wir uns die angenehme Arbeit mit den italienischen Kollegen der Zeitschrift „Quattroruote“: Wir durften die 180 PS starke Dieselversion sowohl über die Piste von Balocco scheuchen als auch über die italienische Autostrada und durch das hügelige Hinterland. Und die Testabteilung von „Quattroruote“ hat auf ihrer Hausstrecke von Vairano alle Messwerte ermittelt.

Werfen wir zunächst ein Auge auf die äußere Qualität. Der Lack glänzt tief und rein, die Karosserie ist gut verarbeitet – mit einer Ausnahme: Die Zierleiste um das Fenster der linken hinteren Tür schließt teilweise nicht bündig ab. Hochwertig dagegen wirkt die Verkleidung des Kofferraums mit Teppich, auch wenn sein Volumen mit 480 Litern eher durchschnittlich ist. Übrigens gilt Ähnliches auch für die Platzverhältnisse auf der Rückbank.

Nun aber hinein in die neue Giulia. Erster Eindruck: Die Linienführung des Designs ist akzentuiert und deutlich zeitgemäßer als bei Vorgängermodellen. Das Armaturenbrett besteht aus weichen Materialien und wurde sorgfältig eingefügt; nur die Verbindung zur Mittelkonsole hat etwas mehr Spiel, als zu erwarten wäre. Dank des Bezugs aus geriffeltem Gummi liegen die Bedienelemente gut in der Hand; die Knöpfe auf der Mittelkonsole wirken allerdings nicht übermäßig edel.

Leichtfüßig und behände

Jederzeit gut ablesbar präsentieren sich die Instrumente: Der Drehzahlmesser ist nach alter Tradition links angeordnet. Im zentralen Display werden einige Elemente (etwa die Maßeinheit des Bordcomputers) eher gräulich als weiß dargestellt – bei Sonneneinstrahlung schwer lesbar. Insgesamt will der Innenraum weder Luxus noch Opulenz ausstrahlen, sondern pure Nüchternheit, wie es sich für ein Auto gehört, das den Fahrspaß zu seinem Anliegen macht – zumindest kann man die sportwagenähnliche Ergonomie dahingehend interpretieren. Die Sitze lassen sich so einstellen, dass die Hände wie von selbst Lenkrad, Schalthebel und Bedienelemente erreichen. Das Wichtigste von allen, der Startknopf, befindet sich im Lenkradkranz.

Schon wenige Sekunden nach dem Start setzt Begeisterung ein. Praktisch direkt nach dem Losfahren baut man eine vertrauensvolle Beziehung zur Giulia auf. Vergessen sind die schmachvollen Frontantriebs-Modelle auf Bodengruppen aus dem Fiat-Konzern. Im Sinne des Markenkerns war der 75 der letzte echte Mittelklasse-Alfa, denn bei ihm wurden die Hinterräder angetrieben – so wie bei der Giulia auch. Doch sie begeistert nicht nur mit dem Heckantrieb, sondern auch mit ihrer unmittelbar ansprechenden Lenkung, die viel Gefühl für die Straße vermittelt.

Die Ingenieure haben es geschafft, den BMW-Dreier-Konkurrenten ungewöhnlich leichtfüßig und behände wirken zu lassen, ohne ihm jedoch die bei Audi zuweilen auftretende, aufgesetzt wirkende Zackigkeit anzuerziehen. Im Gegenteil: Die Fahrwerksabstimmung zeigt sich so natürlich ausbalanciert, dass man sich die Giulia überhaupt nicht anders vorstellen kann. Sie prägt ein neues Gefühl, das künftig als typisch für Alfa beschrieben werden wird. Es fällt weder durch Frontlastigkeit (also Untersteuern) noch durch Hecklastigkeit (also Übersteuern) unangenehm auf, selbst in überaus schnell gefahrenen Kurven bleibt die Giulia vorbildlich neutral und leicht kontrollierbar.

Auf schlechten Straßen sind die Reserven des Fahrwerks dank langer Federwege enorm: Locker saugt die Giulia fiese Bodenwellen auf, bleibt dabei gelassen. Mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad läuft die Neue erst zu Hochtouren auf. Die Räder haben ständig Bodenkontakt, können Quer- und Längskräfte optimal übertragen.

Alfa Romeo Giulia 2.2 Diesel, Cockpit
Massimiliano Serra
Das Armaturenbrett besteht aus weichen Materialien und wurde sorgfältig eingefügt; nur die Verbindung zur Mittelkonsole hat etwas mehr Spiel, als zu erwarten wäre.

Weshalb prinzipielle Vorbehalte mancher Interessenten gegen angetriebene Hinterräder bei dieser harmonischen Abstimmung unbegründet sind. Auch an der Bremsanlage haben die „Quattroruote“-Kollegen übrigens wenig auszusetzen, obwohl die Werte wegen einer anderen Messtechnik nur bedingt mit unseren zu vergleichen sind.

Keinesfalls geht die enorme Agilität zulasten des Komforts. Die Multilink-Hinterachse führt die Räder so ideal, wie sie Bodenwellen in den Tiefen ihrer Federn und Dämpfer aufnimmt. Einen großen Anteil am guten Reisekomfort haben die funktionale Trennung von Längs- und Querlenkern sowie die Dämmung gegen Poltergeräusche.

Der 2,2-Liter-Vierzylinder-Diesel läuft vernehmlich, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Er dreht fidel hoch, schiebt kräftig und gleichmäßig an, ohne unmäßig zu verbrauchen (im Schnitt 6,2 Liter Diesel auf 100 Kilometer). Der optionale Achtgangautomat von ZF wechselt die Gänge schnell und weich; unangenehm fällt lediglich das leicht ruppige Anfahren in Verbindung mit der Start-Stopp-Automatik auf.

Interessant ist das optionale Sport-lenkrad mit fest stehenden Schaltwippen, die praktische Zusatzfunktionen bieten. So kann man beispielsweise mit der linken Wippe im Stillstand in den D-Modus schalten und durch Betätigung beider Wippen den Leerlauf aktivieren. All diese kleinen Details sind gemeinsam mit der Starttaste am Lenkrad weitere der zahllosen Belege für die Leidenschaft, die bei der dreijährigen Entwicklung des neuen Modells an den Tag gelegt wurde.

Neu und leicht bedienbar

Auch die Multimedia-Einheit wurde völlig neu konzipiert. Der Testwagen ist mit dem Connect 3D Nav samt 8,8-Zoll-Bildschirm ausgerüstet, dessen allgemeine Menüeinstellung an das iDrive von BMW erinnert – samt Startverzeichnis, von dem aus man zu den einzelnen Untermenüs gelangt. Im Detail finden sich einige Analogien, etwa bei den Icons links in der Karte des Navigationssystems oder bei der Möglichkeit, den Bildschirm zu splitten.

Alfa Romeo Giulia 2.2 Diesel, Heckansicht
Massimiliano Serra
480 Liter Volumen fasst der Kofferraum. Die Seitenwände wurden sauber mit Teppichen ausgeschlagen, die Scharniere sind verkleidet.

Über den klassischen Drehknopf an der Mittelkonsole erfolgt die Bedienung – eine Lösung, die den Audi der neuen Generation nicht unähnlich ist: Die Tasten neben dem Schaltknauf („Menu“ und „Option“) erinnern aus der Nähe betrachtet etwas an die Bedieneinheiten des Ingolstädter Herstellers. In allen Bildschirmansichten wird eine kleine Zahlenskala eingeblendet, die sich beim Klicken nach unten vergrößert und aktiviert. Das ist praktisch, denn so kann man immer direkt und ohne langes Suchen auf die favorisierten Radiosender zugreifen.

In puncto Internetverbindung schwächelt die Giulia allerdings: Weder über eine interne SIM-Karte noch über das 3G-Signal eines Smartphones ist der Zugang möglich. In ergonomischer Hinsicht wäre es geschickter gewesen, das Display weiter oben auf dem Armaturenbrett anzuordnen, damit man schneller von der Straße auf die Anzeige schauen kann.

Der beste Alfa der Neuzeit

Alfa Romeo betreibt den Neustart äußerst ambitioniert. Daran gemessen erscheint es verwunderlich, dass alternativ zu den Xenon-Scheinwerfern keine Full-LED erhältlich sind und auch kein Head-up-Display angeboten wird. Der Hersteller verspricht, in den nächsten Monaten einige dieser Mankos zu beheben; dann sollen auch der aktive Geschwindigkeitsregler und ein Schiebedach gegen Aufpreis verfügbar sein.

Abgesehen von diesen Lässlichkeiten hat die neue Giulia alles, was einen Alfista glücklich macht. Aber sie hat auch so viele gute Eigenschaften, dass man nicht unbedingt ein Alfista sein muss, um sie begehrenswert zu finden. Ihren Vorgängern hätte man das nur mit sehr viel Wohlwollen nachsagen können. Nun aber tritt der neue Alfa an, alte Vorurteile einzukassieren und verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Und er hat das Zeug dazu.

Namen, die einer Tradition folgen, gab es in der Autogeschichte schon viele. Die alte Giulia ist heute ein Klassiker; ihren Namen hätte kein Nachfolger bislang verdient gehabt – die neue Giulia trägt ihn dagegen zu Recht. Sie ist schlicht der beste Alfa Romeo der Neuzeit.

Fazit

So macht Alfa Romeo Spaß – nicht nur den Alfisti. Die Giulia fährt leichtfüßig und agil, bleibt fahrsicher und bietet guten Federungskomfort. Das Platzangebot im Fond, die Zuladung sowie der Qualitätseindruck gehören nicht zu ihren Vorzügen.

Technische Daten
Alfa Romeo Giulia 2.2 Diesel Super
Grundpreis40.000 €
Außenmaße4643 x 1860 x 1436 mm
Kofferraumvolumen480 l
Hubraum / Motor2143 cm³ / 4-Zylinder
Leistung132 kW / 180 PS bei 3750 U/min
Höchstgeschwindigkeit230 km/h
Verbrauch4,2 l/100 km
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