Zunächst möchte ich mich bei euch, liebe Leser, erst einmal bedanken. Danke für eure Treue, euer Feedback und eure Anregungen im letzten Jahrzehnt zum Supertest. Vor zehn Jahren durfte ich meinen ersten Supertest fahren. 118 Nordschleifen-Rundenzeiten und Supertests später bleibt mir vor allem ein wiederkehrender Leser-Wunsch im Gedächtnis: Neben Platzhirschen à la Porsche 911 GT3 RS stehen auch bezahlbare Hot Hatches bei euch hoch im Kurs. Einer, den wir bis heute noch nicht auf dem Schirm hatten, geht nun an den Start: der VW Polo GTI des Modelljahres 2025 aus der sechsten Polo-Generation.
VW Polo GTI? Das ist genau so ein Fahrzeug, bei dem es sich von Zeit zu Zeit lohnt, die eigenen Vorurteile zu überprüfen. Bisher, und das müssen sich auch die VW-Leute eingestehen, war der Polo GTI keiner, der für die Nordschleifen-Szene auch nur annähernd interessant gewesen wäre. Doch Zeiten ändern sich bekanntlich auch. Beim Polo GTI hat sich die VW-Weltanschauung plötzlich um beinahe 180 Grad gedreht. Auf geht’s zum Ring.
Passenderweise zum 50-jährigen Jubiläum des VW Polo rauscht der aktuelle GTI mit fahrdynamischen Modellpflegemaßnahmen auf die Ideallinie. Dieser Polo-Ableger rückte bei mir schon vor genau drei Jahren in den Fokus, aber heute darf ich zum ersten Mal darüber sprechen. Was ich während der Industrie-Entwicklungstestfahrten, in deren Rahmen der Supertest auf der Nordschleife abläuft, vorab mitbekomme, unterliegt natürlich höchster Geheimhaltungsstufe. Zumindest so lange, bis das jeweilige Entwicklungsprojekt in Serie gegangen ist.
Attacke auf Platzhirsch i20 N
Und da der 2025er Polo GTI nun offiziell auf dem Markt ist, können wir hier offen darüber reden. Damals, im August 2022, kümmerte sich eine kleine Entwicklungstruppe um ebenjenen GTI. Zum Abgleich hatte sich die VW-Crew einen Hyundai i20 N mit an den Ring gebracht. Mit am Start auch Rennfahrer Benny Leuchter, der bekanntermaßen Test- und Entwicklungsfahrer sowie Markenbotschafter von Volkswagen ist. Und wenn Benny in Entwicklungsprojekte eingebunden wird, geht es in erster Linie darum, diese auf größtmögliche Querdynamik hin zu optimieren. Das Ziel wurde eindeutig formuliert: Den Polo GTI so aufmöbeln, dass er dem Platzhirsch Hyundai i20 N auf der Nordschleife das Wasser reichen kann.
Zurück in die Gegenwart. "Wir haben den Polo GTI damals 14 Sekunden schneller gemacht", erzählt mir Benny heute mit glänzenden Augen, während ich die Messtechnik im Pressetestwagen installiere. Wenig später hechtet WOB-DH 190 motiviert in die Sabine-Schmitz-Kurve auf seine ersten Nordschleifen-Meter im Supertest.

Kurzer Zahlenvergleich einiger Supertest-Kurvengeschwindigkeiten zwischen Polo und i20: Schwedenkreuz: Polo 183 km/h, i20 N 182 km/h; Metzgesfeld: Polo 158 km/h, i20 N 151 km/h; Klostertal 1: Polo 157 km/h, i20 N 154 km/h.
Kein wild flackerndes gelbes Schleudersymbol blitzt im digitalen Kombiinstrument auf und keine Regeleingriffe bremsen ungewollt – beim überarbeiteten Polo GTI kann ab sofort das ESP vollständig deaktiviert werden. Ein kleines, aber feines Detail, das neben dem Fahrspaß im Grenzbereich auch die Performance steigert. Das abschaltbare ESP macht den Polo GTI laut VW schon einmal eine Sekunde schneller auf der Nordschleife.
Bisher trug der Polo GTI ein Bosch-ESC der Generation 9.2, das sich nicht deaktivieren ließ. Jetzt arbeitet im Polo GTI der ESC-Stand der Generation 10.0, der zwei Stufen mit den Funktionen "ESC Sport" und "ESC off" beinhaltet. Klingt nach einer einfachen Elektronikanpassung. Aufwendiger als die Software-Applikation war jedoch der Weg durch die Entscheidungsinstanzen bei VW. Bis das deaktivierbare ESP intern final abgesegnet wurde, verging rund ein Jahr. In Automobil-Konzernen mahlen die Dienstweg-Mühlen eben langsamer und aufwendiger als in kleinen Tuning-Schmieden. Umso höher ist das gesamte Entwicklungsprojekt für den VW Polo GTI überhaupt einzuschätzen.

Lobenswert, dass sich beim Polo GTI ab sofort das ESP deaktivieren lässt.
In unseren sport auto-Augen wurde es höchste Zeit, dass VW dem Polo GTI etwas mehr Fahrtalent und Rennstrecken-Dynamik zugesteht. Man muss nur einmal einen Nachmittag bei den Touristenfahrten an der Nordschleife verbringen, um zu sehen, wer im Kleinwagensegment Volkswagen alles überholt hat. Neben Renault Clio RS und Ford Fiesta ST dominiert hier vor allem bereits erwähnter Hyundai i20 N die Kleinwagen-Szene am Ring. Einen VW Polo GTI sieht man bei den eingefleischten Nordschleifen-Fans hier nie – vielleicht ändert sich das ja demnächst.
Jetzt hämmert der Polo GTI fast so motiviert wie seine großen Golf-Brüder GTI Clubsport und R über sämtliche Hatzenbach-Curbs und hinterlässt eine minutenlange Staubwolke. Stark, wie sein Fahrwerk Curbs wegfiltert, ohne danach springend Nervosität im Ideallinien-Takt aufkommen zu lassen.
Der Polo GTI ist auch weiterhin keiner dieser Fronttriebler-Rabauken. Anders als der Hyundai i20 N lässt er nicht mit fast wildem Eigenlenkverhalten das Heck beim Anbremsen oder bei den kleinsten Lastwechseln übermotiviert raushängen. Ja, so ein i20 N ist ein großer Fahrspaß-Kracher, aber man sollte am Limit schon mehr als nur ein bisschen wissen, was man tut, wenn man mit ihm auf der Nordschleife auf Zeit fährt.
Vermittelt Vertrauen am Limit
Die Kurven-Philosophie im schnellsten Serien-Polo ist eine andere. Die Lenkpräzision ist hier im Grenzbereich von Linearität geprägt. Die gelungene Balance zwischen Vorder- und Hinterachse führt am Limit nie zu unvorhergesehenen Fahrzeugreaktionen. Ein Charakterzug, der dir sofort grenzenloses Vertrauen gen Limit gibt. Das Fahrverhalten bleibt lange neutral und punktet mit hoher Fahrstabilität des Hecks. Das macht vor allem in Highspeed-Kurven auf der Nordschleife schnell. In engen Kurven tendiert der Polo GTI leicht zum Untersteuern. Beim i20 N war es genau umgekehrt.

Die Lenkpräzision ist hier im Grenzbereich von Linearität geprägt. Die gelungene Balance zwischen Vorder- und Hinterachse führt am Limit nie zu unvorhergesehenen Fahrzeugreaktionen.
Bei seinem Nordschleifen-Ausflug setzt der kleine GTI heute auf das statische Fahrwerk und nicht das optionale Sport-Select-Fahrwerk, bei dem die Dämpferhärte in den Kennlinien "Normal" und "Sport" variiert werden kann. Wie fühlt sich das konventionelle Fahrwerk an? Sportlich-straff, aber nicht übertrieben hart.
Beim Thema Lenkung wurde die Spreizung zwischen den Fahrprogrammen "Normal" und "Sport" vergrößert. Mit verbindlichem Handmoment und linearem Anlenkverhalten aus der Mittellage heraus präsentiert sich die nachgeschärfte Lenkung jetzt im Sport-Modus auf der Nordschleife. Beim Einlenken kurz nach der Kompression der Fuchsröhre verhärtet die Lenkung aufgrund der dort anliegenden, sehr hohen Querbeschleunigung ganz kurz, ansonsten erledigt sie ihren Querdynamik-Job im Grenzbereich tadellos.
"Bei der Überarbeitung des Fahrwerks lag unser Fokus auf der Neuabstimmung der Dämpferhydraulik des konventionellen Fahrwerks. Zusammen mit Benny, der die Abstimmung begleitet hat, ging es uns darum, den optimalen Spagat zwischen Alltagstauglichkeit und Sportlichkeit zu finden. Weitere Fahrwerksteile wie einen alternativen Stabi haben wir dabei zwar getestet, aber nicht umgesetzt, da wir mit der grundlegenden Abstimmung zufrieden waren", erklärt VW-Versuchsingenieur Marcel Rösner, der mit seinen Kollegen Ralf Liebschwager (verantwortlich für die Dämpferabstimmung), Pavel Pospisil (Lenkung) und Benny Leuchter das kleine, aber feine Entwicklungsteam des Polo-Projekts bildete.

Pole-Position? Mit seiner neuen Fahrwerksabstimmung und der neuen Reifenwahl glänzt der Polo GTI vor allem auf der Nordschleife. In Hockenheim reicht es nicht für eine Topplatzierung.
Vor allem in schnellen Nordschleifen-Kurven dreht der überarbeitete Polo GTI dem Hyundai i20 N jetzt eine lange Nase. Kurzer Zahlenvergleich einiger Supertest-Kurvengeschwindigkeiten der Hot Hatches aus Wolfsburg und Südkorea: Highspeed-Links Schwedenkreuz: Polo 183 km/h, i20 N 182 km/h; Metzgesfeld: Polo 158 km/h, i20 N 151 km/h; Klostertal 1: Polo 157 km/h, i20 N 154 km/h.
Neue Reifen, mehr Performance
Wer die Vorderachse nicht gnadenlos überfährt, den beglückt der Polo GTI mit weitgehend neutralem Lenkverhalten beim Herausbeschleunigen. Unter Last erledigt die bekannte elektronische Differenzialsperre XDS einen gewissenhaften Job. Auch an Nordschleifen-Streckenabschnitten, an denen Fronttriebler gerne mal mit den Vorderhufen scharren, geht es weitgehend traktionssicher ums Eck.

Für das gesteigerte Gripniveau des VW Polo GTI ist, neben den Fahrwerksmodifikationen, primär der neue Reifen Bridgestone Potenza Sport Enliten verantwortlich.
Fakt bleibt aber auch weiterhin: Ein Hyundai i20 N verbeißt sich mit seiner mechanischen Sperre noch viel puristischer in der Ideallinie. Wo wir gerade schon beim Thema Purismus sind: Das Siebengang-DSG erledigt seinen Job mit recht fixen Schaltzeiten auch artig, aber bei so einer Rennbüchse wünscht man sich den puristischeren Handschalter zurück.
Für das gesteigerte Gripniveau des Polo GTI ist neben den Fahrwerksmodifikationen vor allem der neue Reifen vom Typ Bridgestone Potenza Sport Enliten verantwortlich. Zu Beginn der Neuentwicklung war Benny Leuchter mit dem "alten" Fahrwerk und "alter" Bereifung vom Typ Conti Sport Contact 5 mit dem Polo GTI eine Nordschleifen-Zeit von 8.48 Minuten gefahren.
"Einer der Schlüssel, warum wir überhaupt so nah an die Performance des Hyundai rangekommen sind, ist der neue Reifen. Wir hatten einen sehr, sehr kurzen Entwicklungszeitraum. Was uns sehr geholfen hat, war die virtuelle Vorentwicklung. Das ist in der Reifenentwicklung immer mehr ein Thema", erzählt VW-Versuchsingenieur Marcel Rösner, der beim Polo-GTI-Projekt für die Reifenentwicklung verantwortlich war.

Der Bridgestone Potenza Sport Enliten trägt die neue, VW-spezifische Plus-Kennung.
Und was spuckt die Messtechnik heute für eine Rundenzeit für den Polo GTI nach der Supertest-Runde aus? Mit 8.34 Minuten ist er nicht nur exakt so schnell wie einst der Hyundai i20 N in Supertest 10/2021, sondern auch genauso schnell wie VW-Entwicklungspilot Benny Leuchter bei seiner finalen Rundenzeit in der Entwicklungsphase des Polo GTI. Ein kleines Highlight für mich zum Supertest-Jubiläum, da Benny mit Abstand zu den schnellsten Fronttriebler-Piloten auf der Nordschleife zählt. Fairerweise muss erwähnt werden, dass er seine Rundenzeit bei sommerlichen Bedingungen gefahren ist, während heute mit kühlen Außentemperaturen, aber leichter Sonne bombastische Streckenbedingungen herrschen.
Manko: die Bremse
Optimierungspotenzial bietet derzeit noch die Bremsanlage, die am Limit schnell ein teigiges Pedalgefühl vermittelt. Mit der aktuellen Bremsabstimmung kann man nicht hart und spät in die Kurve reinbremsen, sondern das Bremspedal muss so progressiv wie möglich betätigt werden.

Zusammen mit Benny, der die Abstimmung begleitet hat, ging es uns darum, den optimalen Spagat zwischen Alltagstauglichkeit und Sportlichkeit zu finden.
Ähnlich wie einst beim Supertest des Ford Fiesta ST musste auch beim Polo GTI nach den Besuchen auf der Nordschleife und in Hockenheim die Bremsanlage getauscht werden, damit der Sportzwerg von VW das umfangreiche Supertest-Messprozedere absolvieren konnte. Der Hyundai i20 N hielt die Supertest-Strapazen hingegen locker mit einer Bremsanlage durch.
Bei der Überarbeitung des Polo GTI wurde in der Entwicklung übrigens auch ein spezieller Pagid-Sportbremsbelag erprobt, der die Bremse nicht nur standfester für den Rennstrecken-Besuch macht, sondern die Polo-GTI-Rundenzeit auf der Nordschleife nochmals um drei Sekunden auf 8.31 min verbessert hat. Leider fand dieser Belag nicht den Weg in die Serienversion.
Was nicht ist, kann ja noch werden. Mehr Leistung, Semislicks, eine standfeste Sportbremse und eine Gewichtsreduktion dank der Rückkehr zum puristischen Handschalter – Hey VW, wie wäre es mit einem Sondermodell namens Polo GTI Clubsport?