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19 Energydrinks im Test
Energie aus der Dose für unterwegs

Viele halten Energydrinks für Wunderwaffen gegen Müdigkeitsattacken. Ernährungsexperten sehen die Modegetränke skeptisch. Was hält auf langer Fahrt wirkungsvoller fit?

Autofahrer, Red Bull
Foto: Beate Jeske

Energydrinks sind mittlerweile Bestseller auf dem Getränkemarkt. Allein der Marktführer Red Bull verkauft weltweit über 4,6 Milliarden Dosen pro Jahr. In den letzten zehn Jahren ist der Konsum der süßen Lifestyle-Drinks um 55 Prozent gestiegen. Glaubt man den Industrie-Inszenierungen, sollen sie zu Höchstleistungen beflügeln, die Konzentrationsfähigkeit steigern und fit halten. Die Zutatenliste von Energydrinks beeindruckt gerne mit extravagant klingenden Inhaltsstoffen wie Taurin oder Inosit und ein paar zugesetzten Vitaminen. Die Sache mit dem Muntermachen funktioniert tatsächlich.

Energydrinks mit hohem Zuckeranteil

Das hat aber weniger mit geheimnisvollen Rezepturen zu tun, sondern ist vielmehr der Tatsache geschuldet, dass praktisch alle unter dem Oberbegriff Energydrink laufenden Produkte unter anderem zwei Bestandteile haben, die kurzfristig die Leistungsfähigkeit erhöhen können: Koffein und Zucker. Die anregende Wirkung von Koffein ist unbestritten: Es beseitigt Müdigkeitserscheinungen und verbessert die Konzentration – ein willkommener Effekt auf langen Autofahrten.

Ab 15 Milligramm pro 100 Milliliter muss bei Getränken die zugesetzte Menge zusammen mit dem Hinweis „erhöhter Koffein-gehalt“ angegeben werden. Eine Koffein-Höchstmenge gibt es aber nur dann, wenn das Produkt als Energydrink oder Erfrischungsgetränk in den Handel kommen soll. Wenn das Gebräu lediglich als Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel vermarktet wird, ist es dem Gesetzgeber schnuppe, wie viel Koffein drinsteckt. Die Mehrzahl der getesteten Energydrinks hat um die 32 Milligramm Koffein pro 100 Milliliter Flüssigkeit.

Die Funktion von Zucker als schneller Energiespender ist ebenfalls unbestritten. Mit Ausnahme des Produkts Mega Force (null Prozent Zucker) enthalten die getesteten Drinks zwischen 10,2 und 14,2 Prozent davon. „Ein normaler Autofahrer braucht auch während einer langen Fahrt gar nicht so viel Zucker“, sagt Rufus Rieder, Ernährungsexperte bei der Zeitschrift „Men‘s Health“ – es sei denn, er wäre völlig ausgehungert und hundemüde.

Wissenschaftliche Belege fehlen

Der wohl bekannteste Zusatzstoff in Energydrinks ist Taurin, der als Stoffwechselbeschleuniger gilt, aber selbst keine stimulierende Wirkung hat. Wie diese Aminosulfonsäure einzuschätzen ist, stellte die gemeinnützige Deutsche Gesellschaft für Ernährung bereits vor mehr als zehn Jahren klar: „Die Werbung suggeriert, Taurin als Bestandteil von Energydrinks fördere sowohl die körperliche als auch die geistige Leistungsfähigkeit. Es sind jedoch bisher keine gut kontrollierten Studien bekannt, die eine positive Wirkung von Taurin-Supplementen auf die körperliche Leistungsfähigkeit bei Gesunden und Patienten zeigen.“ Die oftmals subjektiv verspürten positiven Effekte seien auf Placebo-Wirkungen oder auf die anderen Inhaltsstoffe wie etwa Koffein zurückzuführen.

Mittlerweile ist bekannt, dass der menschliche Körper auch Taurin produziert – täglich etwa 50 bis 125 Milligramm. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung reicht diese Menge völlig aus, um den Eigenbedarf zu decken. Ob eine zusätzliche Aufnahme die Leistungsfähigkeit erhöht, ist umstritten. Uwe Schröder vom Institut für Sporternährung in Bad Nauheim sagt: „In den üblicherweise konsumierten Mengen hat es wohl keine Wirkung.“ Das Gleiche gelte auch für Glucuronolacton, ein Kohlenhydrat, das ebenfalls vielfach Zutat von Energydrinks ist. Bewirken sie nun etwas oder nicht?

„Bei einigen Ausdauersportarten können sie den Körper mit zusätzlicher Energie beliefern“, räumt der Ernährungswissenschaftler ein. Allerdings nur, solange der Körper noch über ausreichend Flüssigkeit verfüge. „Energydrinks sind hypertonische Getränke, sie verfügen also über eine höhere Konzentration als Blut“, so Schröder. „Sie entziehen dem Körper deshalb zusätzlich Flüssigkeit, damit er sie verarbeiten kann.“ Abgesehen davon, dass Autofahren nicht gerade zu den Ausdauersportarten zählt, ist das richtige Trink- und Essverhalten während längerer Autofahrten wichtig, um Leistungs-, Reaktions- und Konzentrationseinbußen zu vermeiden.

Eine Klimaanlage ist mittlerweile in den meisten Autos vorzufinden. Das bedeutet trockene Luft im Innenraum, was den Flüssigkeitsbedarf des Körpers weiter erhöht. Wer mentale Leistungstiefs während der Autofahrt vermeiden will, sollte rechtzeitig, also bevor sich Durst einstellt, trinken – mindestens eineinhalb Liter pro Tag, idealerweise zwei bis 2,5 Liter. Zu bevorzugen sind Mineralwässer mit einem Calcium-Magnesium-Verhältnis von 2:1. Sie werden vom Körper schnell aufgenommen und sind zum Ausgleich von Flüssigkeitsdefiziten und zur Bedarfsdeckung von Mineralstoffen besonders geeignet. Für Abwechslung und Genuss sorgen Fruchtsaftschorlen, ungesüßte Früchtetees, alkoholfreies Bier sowie Molkegetränke.

Auf den Biorhythmus achten

Um bei längeren Autofahrten konzentriert und aufmerksam zu bleiben, sind kleinere Zwischenmahlzeiten zu empfehlen. Leicht verdauliche und kohlehydrathaltige Snacks wie Müsliriegel, getrocknete Früchte, Nüsse oder Milchprodukte versorgen das Gehirn mit Nährstoffen und bieten ein ausgewogenes Kohlehydratspektrum, das schnell und längerfristig Energie liefert. Ebenfalls als Reiseproviant gut geeignet sind dünn belegte Brote, Obst und Gemüse.

Auch der eigene Biorhythmus spielt eine Rolle: Ein typischer Morgenmensch sollte längere Autofahrten nicht unbedingt in die Nachtstunden verlegen. Generell gilt: Nachtfahrten sollten nicht vor zwei Uhr in der Frühe gestartet werden. Und es ist wichtig, vor Fahrtantritt ein paar Stunden geschlafen zu haben.

Regelmäßige Pausen sind zudem das A und O auf langen Fahrten, man sollte etwa alle zwei Stunden mindestens 20 Minuten ausruhen. Dann raus aus dem Auto, Lockerungsübungen machen und dabei tief ein- und ausatmen, denn das versorgt die Zellen mit Sauerstoff. Schon ein einfaches Strecken des Körpers wirkt: Dadurch wird die Muskulatur gedehnt, was wiederum Verspannungen lösen kann.

Wenn die Müdigkeit übermannt

„Ein kurzer Schlaf kann Müdigkeit bis zu einem gewissen Grad wieder ausgleichen“, sagt Schlafforscher Jürgen Zulley. Idealerweise nimmt der Fahrer vorher eine Tasse Kaffee zu sich. Der natürliche Muntermacher braucht etwa 20 bis 30 Minuten, bis er seine Wirkung entfaltet. Übrigens: Neben den Energydrinks absolvierte auch eine Tasse Frischgebrühter eine kleine Testrunde im Labor – Ergebnis: Mit einem Koffeingehalt von 71,5 mg/100 ml liefert ein stinknormaler Kaffee mehr als doppelt so viel Koffein wie die meisten Produkte der Getränkeindustrie. Jürgen Zulley warnt davor, auch Kaffee zu überschätzen: „Wenn der Koffein-Einfluss nachlässt, wird man sehr müde.“ Die Wirkdauer sei sehr unterschiedlich.

So haben wir Energydrinks getestet

Sieben Kollegen der Schwesterzeitschrift „MOTORRAD“ leisteten die harte Verkostungsarbeit: Tapfer tranken sie sich durch das Angebot und führten fleißig Protokoll. Im Labor von Geräte-Hersteller Kärcher analysierte Lebensmittelchemiker und Laborleiter Frank Ritscher die im Lebensmittelhandel und an einer Tankstelle gekauften Testmuster. Mit Hilfe eines Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographen (HPLC) bestimmte das Kärcher-Laborteam den Koffeingehalt. Mit einem Refraktometer ermittelten sie über den Lichtbrechungsindex den Zuckergehalt. Ein elektronisches ph-Meter zeigte den Säuregehalt an. Als Orientierungshilfe: Zitronensaft hat einen ph-Wert von 2,0 und Apfelschorle einen von 3,6. Der Säuregehalt floss aber nicht in die Bewertung ein. Weil der stimulierende Effekt für Autofahrer von größerer Bedeutung ist und somit mehr Gewicht hat, wurde dieses Test-Schema gewählt: In der Eigenschaftswertung konnten die Drinks für den Koffeingehalt maximal 50 Punkte erreichen, Zuckeranteil und Geschmack jeweils 25 Punkte.

So bewerten wir

100 – 90 Punkte: sehr empfehlenswert
89 – 65 Punkte: empfehlenswert
64 – 44 Punkte: bedingt empfehlenswert
43 – 0 Punkte: nicht empfehlenswert

Ermüdung kann kurzfristig bekämpft werden

Ein kurzes Nickerchen ist nach Erfahrung von Schlafforscher Jürgen Zulley ein gutes Mittel, um auf ermüdenden Autofahrten – etwa in den Urlaub – wieder neue Kraft zu schöpfen. Dafür am besten die Rückenlehne so flach wie möglich stellen, um den Kopf nach hinten abzulegen. Der erste Schritt zum kurzen Schlaf ist Entspannung. Zulley rät dazu, sich beispielsweise ganz auf die Atmung oder auf sehr leise Musik zu konzentrieren. „Jeder muss für sich herausfinden, wobei er am besten abschalten kann“, sagt der Schlafforscher, „bei einem wirkt Klassik, bei anderen George Moustaki.“ Auch Muskelentspannung und autogenes Training helfen gut. Idealerweise dauert der Kurzschlaf 15 Minuten, keinesfalls aber mehr als eine halbe Stunde. „Dann kommt der Tiefschlaf“, so Zulley.

Fitness-Experten: „Ein Espresso mit zwei Löffeln Zucker hat die gleiche Funktion“

In den meisten Energydrinks ist eine große Menge Koffein enthalten. Ist das völlig unbedenklich?

Stenglein: Ab etwa 500 Milligramm oder in Kombination mit anderen stimulierenden Substanzen kann es zu Übelkeit, Kopfschmerzen und Schlafstörungen kommen. Etwa zehn Gramm Koffein wirken bei Erwachsenen tödlich.

Könnte man sich also mit Energydrinks umbringen?

Stenglein: Nein, ausgeschlossen. Dazu müssten Sie etwa 125 Dosen trinken oder die gleiche Menge schwarzen Kaffee. Herzrhythmusstörungen oder Übererregungszustände können aber bereits nach einem Gramm Koffein auftreten.

Wie viel darf man also trinken?

Stenglein: Laut Bundesamt für Verbraucherschutz sind zwei Dosen am Tag, also etwa 160 Milligramm Koffein, unbedenklich. Absolute Obergrenze sind fünf bis sechs kleine 250-Milliliter-Dosen. Aber bitte nur in Ausnahmefällen.

Oft wird zudem Taurin beigemischt. Was ist davon zu halten?

Stenglein: Laut Herstellern soll Taurin die Weiterleitung von Nervensignalen verbessern und leistungssteigernd wirken. Für den Menschen und speziell bei Zufuhr über die Nahrung sind diese Eigenschaften nicht nachgewiesen.

Also ist Taurin ein harmloser Zusatzstoff?

Stenglein: Schwer zu sagen. Bei Menschen wurden Nebenwirkungen wissenschaftlich noch nicht untersucht, bei Tieren aber schon – die leiden bei einer Überdosierung etwa unter Atemstörungen.

Bis auf die Light-Produkte strotzen die getesteten Energydrinks vor Zucker. Was bringt das?

Stenglein: Eine Dose enthält im Schnitt zirka 25 Gramm Zucker, also etwa ein Viertel des empfohlenen Tagesbedarfs. Eine derart hohe Menge kurzkettiger Kohlenhydrate, wie sie in einer Dose enthalten sind, sollten Sie nur zu sich nehmen, wenn Sie intensiven Ausdauersport treiben, also zum Beispiel einen schnellen Halbmarathon laufen oder Ihre Fahrt in den Urlaub mit dem Fahrrad antreten anstatt mit dem Auto.

Wie sinnvoll sind also Energydrinks?

Stenglein: Der Effekt von Energydrinks ist vor allem auf die Kombination von Zucker und Koffein zurückzuführen – beides wirkt erwiesenermaßen. Ein starker Kaffee mit zwei Löffeln Zucker oder eine kleine Cola erfüllen die gleiche Funktion wie ein Energydrink. Die einschlägigen Getränkekonzerne und Kariesbakterien profitieren am meisten von den teuren und süßen Energydrinks.

Was machen Sie bei Müdigkeit auf der Autobahn?

Stenglein: Rechts auf den Parkplatz ranfahren und im Idealfall 15 Minuten ein Nickerchen halten. Es hilft aber auch, frischen Sauerstoff in die Muskeln zu pumpen. Dafür sind etwa
15 Liegestützen, 15 Kniebeugen sowie 15 Hampelmänner eine exzellente Wahl.   

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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