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Zwei- und Vierradantrieb
Was Allrad wirklich bringt

Je nach Modell entscheidet sich über die Hälfte der SUV-Käufer für die zweiradgetriebene Variante. Ob Allradantrieb wirklich nur Berghütten-Pächtern nutzt, klärt der Test.

Zwei- und Vierradantrieb, Testwagen
Foto: Hans-Dieter Seufert

Manche Menschen tragen Taucheruhren, ohne sich auch nur in die Nähe eines tieferen Gewässers zu trauen, erklärte Pazifisten schlüpfen, ohne mit der Wimper zu zucken, in Tarnfleck-Hosen - weil es schick aussieht. Dann eben auch SUV ohne Allradantrieb, na klar. Vor allem bei den kompakten Modellen greifen Käufer überwiegend zu den zweiradgetriebenen Varianten. Mercedes und BMW, die erst später damit auf den Markt kamen, registrieren bei GLK und X1 eine steigende Nachfrage.

Nun mag diese rund 2.000 Euro teure Technik an der Mecklenburgischen Seenplatte grundsätzlich einen geringeren Stellenwert genießen als im bayerischen Voralpenland, doch bringt 4WD nicht vielleicht auch auf regennassen Straßen erhebliche Vorteile für die Fahrsicherheit? Erhöht sich durch den Allradantrieb vielleicht sogar der Fahrspaß aufgrund einer höheren Agilität, was für Audi- und BMW-Kunden durchaus ein Kaufargument sein mag? Opel und Toyota werben ebenfalls mit den Dynamik-Talenten ihrer 4WD-Modelle. Und liegt der Mehrverbrauch tatsächlich deutlich über den 2WD-Fahrzeugen? In einem speziell konzipierten Testprogramm treten fünf SUV ohne Allrad gegen ihre Geschwister mit Allrad an.

Audi Q3 2.0 TDI und 2.0 TDI Quattro: Mehr als nur Rallye-Image?

Natürlich sind die glorreichen Motorsport-Zeiten des Quattro-Antriebs ebenso lange passé wie Audis Underdog-Image. Doch nach wie vor gelingt es kaum einem anderen Hersteller, der Welt glauben zu machen, dass ein Auto ohne Allradantrieb praktisch gar nicht vom Fleck kommt. Natürlich ist das Quatsch, wie der Audi Q3 2.0 TDI mit Frontantrieb beweist. Der 4,39 Meter lange SUV fegt dynamisch über den nassen Asphalt des Handlingkurses, während die unmerklich agierende Regelelektronik das maximale Drehmoment des kultivierten und kräftigen 140 PS starken Diesel (320 Nm) geschickt verteilt.

Beim Erreichen der Haftgrenze schiebt der Audi sanft über die Vorderräder, und selbst wer nun vor Schreck vom Gas geht, muss nicht mit einem tückischen Lastwechsel rechnen. Bis es soweit ist, befindet sich der Audi Q3-Fahrer jedoch in erstaunlichen Geschwindigkeitsregionen, da die vom ESP simulierte Quersperre den SUV zuverlässig in der Spur hält - bis auch sie sich der Physik geschlagen gibt.

Was sollte die Quattro-Variante also besser können? So einiges. Sobald sie ins Untersteuern gerät, hilft leichtes Gasgeben, um den Audi Q3 2.0 TDI Quattro zu stabilisieren. Deutlich neutraler hetzt er über die Handlingstrecke, hält die gewünschte Linie stabiler und länger. Wann die Elektronik das Drehmoment verteilt, bekommt der Fahrer nur am Rande mit - der Audi Q3 Quattro fährt mit höchster Selbstverständlichkeit sehr sicher und schnell. Zudem hilft der Allradantrieb beim Anfahren am Berg auf rutschigem Untergrund, was seinem 2WD-Bruder nur auf halbseitig griffigem Belag gelingt - und das nicht einmal besonders glorreich.

Hohe Fahrsicherheit bei beiden Antriebsvarianten

Also kann der Allrad alles besser? Nein. Bei den Bremsdisziplinen auf Basalt, µ-split und dem sogenannten Schachbrett ergeben sich ähnlich gute Werte und die Stabiliät liegt auf einem vergleichbar hohen Niveau. Obwohl sich mit Allradantrieb das Fahrzeuggewicht um 99 Kilogramm erhöht, bietet Quattro neben dem Zusatznutzen der besseren Traktion also vor allem ein deutliches Plus an Fahrspaß. Das wiederum muss dem Kunden in der Anschaffung 1.950 Euro sowie ein Mehrverbrauch von 0,7 L/100 km wert sein. Damals zu Rallye-Zeiten war das völlig egal.

BMW X1 S-Drive 20i und X-Drive 20i: Das Aus für den Heckantrieb?

Kein Skigebiet zu weit, kein Gipfel zu hoch - beinahe überall platziert BMW derzeit seine Allradmodelle, meist dort, wo sie garantiert nicht aus eigener Kraft hinkommen. Auf der Zugspitze zum Beispiel. Umso merkwürdiger, dass beim BMW X1 die Varianten mit Heckantrieb nachgereicht wurden. Nun, so tickt der Markt, das wünschen die Kunden - schließlich spart das 2.000 Euro.

Sonstige Einbußen? Bei der Traktion natürlich, wenngleich sich der BMW X1 S-Drive 20i tapfer schlägt. So müht er sich kaum mehr als die vermeintlich bevorteilten Fronttriebler, scheitert - wenig überraschend - wie der Großteil des Feldes auf dem glitschigen Zehn-Prozent-Hügel.
Nebenbei bemerkt kann nun auch ein Benziner im BMW X1 ordentlich Stimmung machen, denn seit der Modellpflege im vergangenen Jahr arbeitet der 184 PS starke Turbo-Benziner unter der Haube.

Das Zweiliter-Aggregat harmoniert prächtig mit der Achtstufenautomatik (2.100 Euro Aufpreis), sein maximales Drehmoment von 270 Newtonmeter steht bei 1.250/min bereit. Jetzt muss sich auch das sportlich abgestimmte Fahrwerk nicht mehr langweilen. Mit minimaler Seitenneigung hakt der BMW X1 Kurven ab, lenkt flink ein, bleibt lange neutral. Wilde Gasstöße bringen das Heck aus der Ruhe, das feinfühlige regelnde ESP bringt sie schnell wieder zurück. Wildes Auskeilen bei provozierten Lastwechseln kennt der BMW X1 jedoch nicht. Das gilt natürlich gleichermaßen für die X-Drive-Variante, bei der eine hinter dem Getriebe angeordnete Lamellenkupplung für die Verbindung zur Vorderachse sorgt.

Variable Kraftverteilung

Die entsprechenden Befehle kommen von der Elektronik, den Sperrmomentaufbau zwischen den Rädern erzeugt die Radbremse. BMW ist besonders stolz auf die variable Kraftverteilung, die den BMW X1 X-Drive 20i tatsächlich nochmals dynamischer durch den Handlingparcours eilen lässt. Zudem kommt die Allradvariante beim Bremsen auf einseitig rutschigem Belag aus 100 km/h zwei Meter früher zum Stillstand, allerdings auf Kosten der Stabilität - eine Folge der unterschiedlichen ESP-Applikation. Eine weitere Allrad-Folge: der Mehrverbrauch von 0,5 L/100 km. Daher fällt eine Empfehlung trotz des begeisternden Handlings schwer.

Toyota RAV4 2.0 D-4D und 2.0 D-4 D AW: Was bietet der Offroad-Profi ?

Das Ende der Welt lässt sich am zuverlässigsten mit einem Mercedes G, einem Land Rover oder einem Toyota Land Cruiser erreichen. Beim Toyota RAV4 2.0 D-4D AWD blitzt die Allrad-Philosophie der Japaner ebenfalls auf. Ein Indiz: die per Tastendruck aktivierbare starre Kraftverteilung von 50 zu 50 Prozent. Sie arbeitet bis 40 km/h und hilft vor allem auf losem Untergrund beim Vorwärtskommen.

Darüber managt die Elektronik wieder selbstständig den Kraftfluss, im Extremfall von 100 zu null Prozent und umgekehrt - doch das ist ein höchst theoretischer Wert. Oder wann standen Sie zuletzt ausgerechnet nur mit den Vorderrädern auf blankem Eis und mit den hinteren auf trockenem Asphalt? Doch das gilt für alle variablen Allradsysteme.

Jedenfalls sorgt die Toyota-Technik für zuverlässige Traktion, selbst wenn die Messwerte auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Motorisierungen im gesamten Testfeld nur mäßig ausfallen. Beide Toyota RAV4 fielen übrigens erneut durch eine unbefriedigende Bremsleistung auf. An der Stabilität gibt es hingegen nichts auszusetzen, denn sowohl auf einseitig als auch auf wechselnd griffigem Belag bleiben beide Japaner sicher in der Spur.

Die auf unbedingte Sicherheit programmierte Elektronik macht sich auch auf dem Handlingkurs durch frühe und teils recht rabiate Eingriffe bemerkbar. Obwohl das Allradsystem zusammen mit dem VSC genannten Stabilitätsprogramm die Agilität erhöhen soll, ist davon in der Praxis nichts zu spüren. Bei keiner Paarung ähneln sich die Fahreigenschaften so sehr wie beim Toyota RAV4: jeweils sehr sicher und leicht beherrschbar.

Motor und Getriebe sind dicke Kumpels

Deutlich mehr Freude bereiten dagegen Motor und Getriebe, die offenbar echt dicke Kumpels sind - egal ob 2,0- oder 2,2-Liter-Diesel. Die Abstimmung der Sechsgangschaltung passt perfekt zu dem etwas knorrigen Vierzylinder-Diesel, der Schalthebel rastet präzise und auf kurzen Wegen in die jeweilige Gasse.

Da der frontgetriebene Toyota RAV4 kaum langsamer unterwegs ist, nur bei der Traktion das Nachsehen hat, zudem weniger verbraucht, ist er die clevere Wahl. Und ans Ende der Welt bringt einen der Allradler vermutlich auch nicht.

Opel Mokka 1.4 Turbo und 1.4 Turbo 4x4: Noch attraktiver mit Allrad?

Beim Allradtest auf Schnee tat der Mokka exakt das, was sein Name verspricht: Er wirkte als legales Aufputschmittel. Nicht zuletzt dank einer cleveren Reifenwahl, aber auch durch den geschickt arbeitenden Allradantrieb fuhr der Opel die zweitbeste Handlingzeit heraus und ermöglichte überdies gute Beschleunigunsgwerte. Letzteres gelingt dem Opel Mokka 4x4 auch bei diesem Spezial-Test. Gegenüber seinem vorderradgetriebenen Pendant bietet er die erheblich bessere Traktion mit seinem auf dem Prinzip Haldex basierenden Allradantrieb.

Die Agilität auf dem bewässerten Handlingkurs profitiert allerdings nicht von der teuren Technik (maximal 50 Prozent der Antriebskraft gelangt an die Hinterräder). Ebenso wie der Opel 2WD-Mokka lenkt die Allrad-Variante die zwar recht flockig ein, beginnt jedoch früh und unnachgiebig zu untersteuern. Während bei anderen SUV jetzt schon mal ein Gasstoß zur Stabilisierung beiträgt, lässt sich der Opel ähnlich wie der Toyota davon nicht beeindrucken. Sicher ist das sicher, aber sicher nicht so spaßig wie das Mokka-Erlebnis auf Schnee. Auf trockener Fahrbahn dann die Überraschung: Hier lässt sich der SUV mit Frontantrieb flotter bewegen, während beim Allrad-Bruder recht häufig das ESP eingreift.

Ein Grund dafür könnte das um 112 Kilogramm höhere Fahrzeuggewicht des Opel Mokka 1.4 Turbo 4x4 und eine darauf nicht optimal abgestimmte Regelelektronik sein. Keine Sorge, der Fahrer bleibt jederzeit der Chef, der Mokka überrascht ihn nicht mit kitzeligen Reaktionen - höchstens mit einem etwas langen Bremsweg auf einseitig griffigem Untergrund. Lediglich eine Lenkung mit mehr Rückmeldung steht nach wie vor für alle Mokka-Varianten auf der Wunschliste.

Unausgewogene Allrad-Variante

Und dem 1,4-Liter-Turbo-Benziner wünschen wir den baldigen Ruhestand, denn er quält sich selbst mit dem vergleichsweise leichten SUV und seinem Besitzer mit hohem Verbrauch. Wenigstens liegt beim 4x4 der Kraftstoffkonsum nicht nochmals höher. Hinzu kommt der um 1.860 Euro höhere Grundpreis, der an der Daseinsberechtigung der unausgewogenen Allrad-Variante knabbert. Es sei denn, der Mokka wird ausschließlich auf Schnee gefordert.

Mercedes GLK 250 und GLK 250 4-matic: Immer eine clevere Sache?

Erinnern Sie sich noch? Sein Debüt gab der Mercedes GLK bei den New Yorker Großstadt-Hühnern aus der TV-Serie "Sex and the City" - die aufregende Großstadt als bevorzugtes Einsatzrevier des Mercedes. Konsequenterweise steht der GLK auch ohne 4-matic-Allradantrieb in der Preisliste. Im Fall des Testwagens versorgt der 211 PS starke Vierzylinder-Turbo-Benziner die Hinterachse mit Leistung, verwaltet von einem nur mäßig engagiert, dafür sanft schaltenden Siebengang-Automatikgetriebe. Klingt nach launigen Drifts auf dem nassen Handlingkurs? Nicht wirklich: Die Mercedes-Sicherheitsphilosophie schiebt einen elektronischen Riegel vor.

Tatsächlich quittiert der Mercedes GLK in forsch angegangenen Kurven Gaslupfer schon mal mit einem losen Heck, das allerdings sofort vom ESP eingefangen wird - mit erheblichem Geschwindigkeitsverlust. Meist untersteuert der Mercedes jedoch brav, zeigt keine besonderen Dynamik-Ambitionen.

Das möchte ja vielleicht auch nicht jeder SUV-Kunde, mancher freut sich stattdessen über die selbst beim Hecktriebler ordentliche Traktion (er schafft sogar den Zehn-Prozent-Hügel), das niedrige Geräuschniveau im Innenraum, die übersichtliche Karosserie und den in diesem Segment ordentlichen Federungskomfort. Alles das bietet die um üppige 2.142 Euro teurere 4-matic-Variante ebenfalls - und noch mehr. Sie fährt sich nämlich wesentlich Mercedes-typischer, unerschütterlicher, sicherer, neutraler.

4-matic-Variante leichter beherrschbar

Auf nassem Asphalt bekommt die Elektronik weniger zu tun, da die Allradtechnik mit starrer Kraftverteilung das Fahrverhalten deutlicher in Richtung Neutralität verschiebt. Dadurch erweckt der Mercedes GLK sogar den Eindruck, er wolle wirklich agil um die Ecken biegen, bleibt dabei aber stets besonnen. In jedem Fall lässt sich die 4-matic-Variante leichter beherrschen, gibt dem Fahrer so mehr Vertrauen - zumindest außerhalb des stockenden New Yorker Großstadtverkehrs.

Fazit

Meine persönliche Meinung: Einen SUV ohne Allrad zu kaufen ist in etwa so, als fahre man in kompletter Ski-Montur auf den Gipfel, um dann den gesamten Tag auf der Hütte zu verschwenden. Doch unser Test zeigt, dass selbst auf nassen Straßen der Allradantrieb kaum zusätzlichen Nutzen bringt, bestenfalls ein agileres Handling, also mehr Fahrspaß - zu teilweise erheblich höheren Kosten.

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AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

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