Straßenlaternen als Street Light 4.0: Mehr als nur Lichtspender

Straßenlaternen als Street Light 4.0
Mehr als nur Lichtspender

Zuletzt aktualisiert am 29.01.2016

Fast ein Prozent der gesamten Energie in Deutschland fließt in die Beleuchtung von Straßen. Das sind jährlich vier Terawattstunden (TWh) oder vier Billionen Wattstunden - und ungefähr ein Viertel dessen, was der Atommeiler Isar 2 im Jahr produziert. Für rund 9,5 Millionen Straßenlaternen. Auf Gesamt-Europa hochgerechnet könnten vier Atomkraftwerke vom Netz gehen, wenn das Licht nachts aus bliebe. Soll es aber nicht. Deshalb ist ein Update dringend angesagt.

Straßenlaternen, Zukunft, Extra, Impression
EnBW

Ein Großteil der Außenleuchten ist noch mit Leuchtmitteln bestückt, deren Technik und Effizienz aus den 60ern stammt. Natrium-Hochdrucklampen etwa bringen zwar im Vergleich zu Quecksilberhochdruck eine bessere Lichtausbeute, ziehen aber Insekten an, was eine häufige Reinigung erfordert. Und sie verlieren bereits nach 2.000 Betriebsstunden an Leistung. Das akute Problem für alle altersmüden Leuchten: Sie sind seit Ende 2015 auf dem Index der EU. Und stehen nicht mehr zum Verkauf.

Kräftig sparen mit LED-Technik

Die aktuellen Straßenleuchten sind noch wenig intelligent, denn sie unterscheiden nur zwischen An und Aus. Dimmung geht nur bei wenigen und meist nur in bescheidenem Rahmen von circa zehn Prozent. Also ist digitale Vernetzung angesagt. Dazu bringt die LED-Leuchteinheit beste Voraussetzungen mit, weil sie die Elektronik zur Steuerung und Diagnose bereits eingebaut hat. Außerdem sparen LED noch bis zu 70 Prozent der Energiekosten.

Wenn man aber schon über Street Light 4.0 nachdenkt, geht noch viel mehr. Die Diagnosefunktion, die im Zweifel einen Ausfall der LED meldet, liefert auch den Datenkanal für die Erfassung und Auswertung weiterer Sensordaten: Man kann erkennen, ob sich Fußgänger, Radfahrer oder Autos bewegen. Und das Licht in der Intensität anpassen. Es ist möglich, freie Parkplätze zu detektieren und Unfälle anzuzeigen. Und alle diese Ereignisse können in Echtzeit kommuniziert werden. Direkt oder via Cloud. Auch Wetterdaten wären möglich.

Philips hat kürzlich im Stadtgebiet von Siegburg eine Vernetzung vorgenommen. Das System CityTouch sorgt nicht nur für bestes Licht, sondern auch für Transparenz. Die Daten zur Straßenbeleuchtung stehen jetzt quasi on demand zur Verfügung und müssen nicht erst generiert werden. Die Kontrolle und Steuerung der Helligkeit erfolgen vom Rechner aus. Auch Osram bietet eine solche Vernetzungssoftware namens Smart Light Control (SLC) an. Kommuniziert wird auch hier über gesicherte IP-Verbindungen via GPRS, Ethernet oder Lichtwellenleiter.

Smart City 2016

Baden-Württembergs Netzanbieter EnBW ist noch einen Schritt weiter gegangen. In einer Art Start-up konnten Mitarbeiter wie auf einem Uni-Campus Ideen durchspielen. Projektleiter Matthias Weiß erklärt: "Wir haben uns die Frage gestellt, was Straßenbeleuchtung in der Stadt von morgen bedeutet." Herausgekommen ist ein Produkt, das sich Smight nennt und gleich in fertige Produkte umgesetzt worden ist. Man kann sich schon heute im Internet eine Kollektion smarter Straßenleuchten zusammenstellen und installieren lassen.

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Von der WLAN-Manschette für Bestandslampen, die in nur 45 Minuten installiert ist, einmalig 2.000 Euro kostet und pro Monat für 69 Euro WLAN bereithält, bis hinauf zum Komplettpaket mit WLAN, SOS und Ladestation für Elektromobile in Auslegung mit 3,5 und 22 kW. Mit Option für mehr Sensoren, die aktuell auch für alte Lampen als Add-on entwickelt werden. Smart City nicht von morgen, sondern schon 2016.

Die EnBW hat bereits 22 Gemeinden an Bord und schon einige intelligente Straßenleuchten in Wiesloch und Karlsruhe installiert. Den direkten Kundenkontakt dazu will Matthias Weiß weiter pflegen, indem er für die Erfahrungen der Nutzer eine eigene Mailadresse generiert hat. "Daraus können wir dann wertvolle Anregungen für den Ausbau gewinnen."

Verschiedene Ideen

Einen völlig anderen Ansatz verfolgen die Techniker des spanischen Unternehmens Eolgreen. Sie wollen Straßenbeleuchtung unabhängig vom Stromnetz machen. Denn "eolic" ("äolisch") ist im Namen der Firma mit drin. Und das bedeutet "vom Wind erzeugt". Demzufolge sitzt auch ein Windgenerator ganz oben auf der Straßenleuchte.

Und zwei Solarpaneele ergänzen das autarke Möbel, falls der Wind einmal mit unter 1,7 Metern pro Sekunde weht. Pedro Montes, Leiter Entwicklung und Applikation bei Eolgreen, legt großen Wert auf diese Zahl. Denn während andere Anbieter mit Windgeschwindigkeiten jenseits von 4 m/s kalkulieren, hat Eolgreen ermittelt, dass im Jahresschnitt der Wind, etwa in Barcelona, kaum über 3 m/s bläst.

Alles eine Kostenfrage?

Kostenlos ist das alles natürlich nicht. Hinzu kommt: Städte und Gemeinden sind meistens klamm. Philips bietet dazu eine "Amortisation Contract" genannte Lösung an. Will heißen: Wer Emissionen und Kosten um die Hälfte reduziert, hat Geld in der Kasse, mit dem er die intelligente Beleuchtung amortisieren kann - wenn Philips in Vorleistung geht.

Außerdem bieten EU und Bundesministerium für Wirtschaft und Energie umfangreiche Fördermittel. Bei der Beantragung, so das Ziel der EnBW, will der Anbieter aus Baden-Württemberg den Städten und Gemeinden behilflich sein. Wieslochs OB hat das Paket für fünf Jahre von der EnBW gepachtet und sich einen Rundumservice gesichert.

Ob Street Light 4.0 Realität wird, obliegt den Verwaltungen der Gemeinden. Und den Bürgern, die sich einbringen und auf Steigerung von Effizienz und Kostensenkung hinweisen müssen. Bis zu 70 Prozent der aktuellen Kosten können entfallen. Einige Bürgermeister haben sich bereits entschieden und Konsequenzen gezogen, um das urbane Umfeld reif zu machen für Street Light 4.0.

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Dino Eisele

Dann noch mit WLAN die Digital Natives zu bedienen oder Ladestationen für E-Bikes und E-Autos miteinzubeziehen, stellt keinen großen Aufwand mehr dar. Die Infrastruktur steht. So könnte aus den 0,8 Prozent der Energiekosten, die für Straßenbeleuchtung verpulvert werden, unterm Strich eine 100-prozentige Zufriedenheit für die Bürger entstehen. Aber dazu braucht es den Mut für Investitionen.

So funktioniert eine Wlan-Straßenlaterne

SOS-Kennzeichnung: Das integrierte Lichtsignal zeigt beim Aktivieren des Notrufsystems schon aus der Ferne, wo Hilfe benötigt wird.

LED-Leuchten: Eine bedarfsorientierte Verbesserung der Wegbeleuchtung mit stromsparender LED-Technik sorgt sowohl für Sicherheit in abgelegenen, weniger frequentierten Gebieten als auch für bis zu 70 Prozent Energieeinsparung.

WLAN: Mit Smartphones und Tablets sind die Ansprüche an die Internetverbindung gestiegen. Öffentliches WLAN in der Stadt bietet dem Nutzer hohen Komfort durch eine freie und schnelle Internetverbindung ohne Datenbegrenzung. Zusätzlich bildet es die Basis für die Integration, Vernetzung und Steuerung zukünftiger Technologien.

Umwelt: Die integrierte Umweltsensorik misst rund um die Uhr u. a. Feinstaubbelastung und Temperatur und liefert Messdaten, die nach Auswertung beispielsweise helfen, den Verkehr bedarfsgerecht zu steuern.

Mikrofon & Lautsprecher: Das Mikrofon dient nicht nur zur Messung des Lautstärkepegels, sondern bietet zusammen mit dem Lautsprecher in Notfällen die Kommunikationsmöglichkeit zwischen Notrufzentrale und Nutzer.

Interface/Display: Situationsbezogen werden dem Nutzer Informationen über aktuelle Umweltdaten, WLAN, E-Mobility oder der Notrufvorgang über das Display angezeigt.

Notrufknopf: Ein integriertes Notrufsystem stellt auf Knopfdruck innerhalb von Sekunden eine direkte Verbindung zur nächstgelegenen Notrufzentrale her, um bei Bedarf für schnelle Hilfe zu sorgen.

Display Charge: Durch Identifizierung mit der Nutzerkarte am RFID-Sensor kann der Ladevorgang für ein E-Fahrzeug gestartet werden. Das Display Charge zeigt während des gesamten Ladevorgangs Tarifinformationen des Nutzers und weitere Informationen zum Ladevorgang an.

E-Mobility: Smight - ein Projekt von EnBW - schafft ein Ladenetz für die aktuelle E-Mobility-Technologie. An der Basis können E-Fahrzeuge über einen Stromanschluss mit bis zu 22 kW aufgeladen werden - von Pedelec bis Elektroauto.

Bügel: Durch die Bügel wird der Mast geschützt. Kleinere E-Fahrzeuge wie Pedelecs können während des Ladevorgangs sicher an den Bügeln angeschlossen werden.