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Aerodynamik
Mit frischem Wind zum Spritsparen

Ingenieure tüfteln nicht nur am Motor, sondern auch im Windkanal an der Aerodynamik, um ihre Fahrzeuge effizienter werden zu lassen. Aerodynamik ist nicht immer so trivial. Oder hätten Sie diese Fakten gewusst?

Aerodynamik, Windkanal, Impression, BMW
Foto: Uwe Fischer

Vorne rund, hinten eckig. So einfach ist es, ein aerodynamisch gelungenes Design zu schaffen - theoretisch. Ein Wassertropfen beispielsweise folgt mit seiner Form diesem Schema und stellt mit cW-Werten von bis zu 0,02 das Optimum dar. Beim Auto dagegen müssen die Hersteller mehr beachten als allein eine windschlüpfige Karosserieform, denn Kunden ziehen ein praktisches Auto in der Regel einem besonders aerodynamischen vor. Und ein typischer Wagen mit fünf Sitzplätzen und großem Kofferraum hat eben nicht mehr viel Ähnlichkeit mit einem Tropfen.

Doch genau dieser Umriss bietet den geringsten Widerstand, da die Luftströmung überall gleichmäßig anliegt. Gibt es dagegen viele Ecken und Kanten - wie beim Auto -, reißt der Luftstrom ab, und es entstehen Druckverluste oder Verwirbelungen. Ein Auto schiebt die Luft zunächst vor sich her und verdichtet sie, bevor es sie verdrängt. Am Heck dagegen bildet sich ein Unterdruck oder Sog - bei Regen gut am hochwirbelnden Wasser zu erkennen.

Aerodynamik vs. Fahrdynamik

Bei modernen Autos schaffen es die Ingenieure, den Luftwiderstand - also die Summe aller Stau-, Reibungs- und Sogkräfte - zu reduzieren. Dafür berücksichtigen sie die Aerodynamik schon beim Beginn einer neuen Modellentwicklung. Allein die Proportionen der Karosserie beeinflussen die Aerodynamik zu rund 40 Prozent. Positiv wirken sich unter anderem Schweller und Überhänge aus, die die Luftströmung um das Auto herumleiten. Passende Größe und Form führen sie am Radhaus vorbei und verhindern Verwirbelungen. Negativ in der Berechnung des Luftwiderstandes wirkt sich dagegen eine große Stirnfläche aus, also eine große frontale Querschnittsfläche.

Ebenfalls problematisch sind sogenannte Voll- oder Kombihecks. Im Gegensatz zum für Limousinen typischen Stufenheck haben Fahrzeuge wie SUV und Vans eine nahezu gerade und senkrecht zum Boden stehende Heckklappe. Die Fläche, hinter der sich bremsender Unterdruck bilden kann, ist also deutlich größer. Vorteile schaffen hier beispielsweise Einzüge oder eine abfallende Dachlinie. BMW reduziert die Angriffsfläche am Heck des X1, indem sie Dach- und Seitenlinie mittels Spoiler und sogenannten Aero Blades verlängern.

Richtig interessant wird das Thema Aerodynamik jedoch vor allem durch die Vielzahl verschiedener Einflussfaktoren, zu denen ein Kompromiss gefunden werden muss. So beeinflussen schon Gesetze zum Fußgängerschutz, die etwa steile Kühlerfronten fordern, die Karosserieform. Auch das Design, das ja oft kaufentscheidend ist, steht mitunter im Widerspruch zu einer aerodynamischen Form. Noch in den 1970ern priesen manche Hersteller in der Werbung an, auf Aerodynamik zu verzichten, weil sie schöne Autos wollten. Heute liegt die Kunst darin, das Fahrzeug breit aussehen, die Angriffsfläche für negative Windlasten aber nicht zu groß werden zu lassen.

Am schwierigsten ist es jedoch wohl, den Mittelweg von effizienter Aerodynamik und guter Fahrsicherheit zu finden. Denn für sicheres und dynamisches Fahren ist ein gewisses Maß an Abtrieb unverzichtbar, das das Handling verbessert und das Fahrverhalten bei höherem Tempo stabilisiert. Dafür wird die Luftströmung so gelenkt, dass sie das Auto auf den Asphalt drückt oder durch gezielten Unterdruck am Fahrzeugboden in Richtung Straße zieht. Aus Sicht der Aerodynamik bedeutet Abtrieb allerdings Widerstand, der cW-Wert verschlechtert sich also.

Luft wird Effizienzkiller

Nun stellt sich vielleicht die Frage: Wozu der ganze Aufwand für ein windschnittiges Auto? Die Antwort ist recht eindeutig. Es geht schlicht um Effizienz und Kraftstoffverbrauch. Denn die Wünsche nach höheren Geschwindigkeiten und besserer Beschleunigung ließen sich auch mit stärkeren Motoren erfüllen. Doch je schneller das Auto fährt, desto höher steigt der Anteil, mit dem die Windlast den Spritverbrauch beeinflusst. Genauer gesagt: Mit zunehmender Geschwindigkeit wächst der Luftwiderstand im Quadrat. Auf der Autobahn kann der Anteil 80 Prozent und mehr betragen.

Erfolge dank neuer Prüftechnik

Grundsätzlich neu ist das Wissen um die Aerodynamik nicht. Bereits in den 1920er-Jahren erkannten Visionäre wie Edmund Rumpler und Paul Jaray die Zusammenhänge von Stromlinienform und Fahrwiderständen. Für die Autoindustrie gewannen windschlüpfige Karosserien jedoch erst langsam mit den Ölkrisen der 1970er-Jahre an Bedeutung.

BMW baute 1980 einen ersten Windkanal, um Serienmodelle zu optimieren. Die zweite Generation des Siebener zeigt heute die erste Phase der Entwicklungen. Mit runderen Übergängen, wie dem zur Fronthaube, versuchte man, eine gleichmäßigere Umströmung des Fahrzeugs zu erreichen. Auch ein leichter Gegenschwung am Heckdeckel sollte Strömungsabrisse minimieren.

Für manche Details fehlten in der Anfangszeit jedoch die technischen Möglichkeiten in den Prüfständen. So stand das Fahrzeug in den früheren Windkanälen starr, ohne drehende Räder. Aerodynamisch optimierte Felgen oder eine Unterbodenverkleidung hätten damals keine Wirkung gezeigt. Daher arbeitet BMW seit 2009 in einem modernen Versuchszentrum. Spezielle Laufbänder, die sich unter dem Fahrzeug bewegen und so eine Strömung verursachen, simulieren darin die Straße.

Um den Luftwiderstand zu untersuchen, also alle Kräfte zu ermitteln, die wirken, steht das Fahrzeug im Windkanal auf einer Waage. Diese ermittelt in einem etwa drei Minuten dauernden Versuch sowohl die einzelnen Radlasten als auch den Gesamtwert. Einen genauen Strömungsverlauf zeigen allerdings nur komplexe Simulationen per CFD-Programm, die etwa seit der Jahrtausendwende die Versuche ergänzen.

Ziel sind cW-Werte unter 0,20

In der Zukunft wird die Aerodynamik beim Auto weiter an Bedeutung gewinnen, denn im neuen WLTP-Prüfzyklus beeinflusst sie den Spritverbrauch stärker als im aktuellen NEFZ.
Langfristiges Ziel der Hersteller ist es, Modelle mit cW-Werten von 0,20 und darunter in Serie zu bringen. Dafür wird der Anteil beweglicher Komponenten an der Karosserie, wie sie schon in Konzeptstudien getestet wurden, zunehmen. Bereits für 2016 verspricht BMW ein neues Serienmodell, das dem cW-Wert-Ziel einen Schritt näher kommen soll.

Das Prüfstandszentrum von BMW

Die Entwicklung neuer Modelle ist bei BMW eine Projektarbeit aller Abteilungen, die gemeinsam auf ein festgelegtes Produkteigenschafts-Profil hinarbeiten. Daher liegen im neuen Versuchszentrum, das seit 2009 im Betrieb ist, alle Prüfstände nah beieinander. Im Energie- und umwelttechnischen Bereich gibt es unter anderem Klimakanäle, die verschiedene Temperaturen, Luftdrücke und Wettereinflüsse simulieren können. Für die aerodynamischen Entwicklungen nutzen die Ingenieure nicht nur Versuche im Windkanal, sondern auch Simulationen mit komplexen CFDProgrammen (Computational Fluid Dynamics) am PC parallel.

Wesentliche aerodynamische Widerstandsanteile

Beim BMW Siebener beeinflusst die Aerodynamik den NEFZ-Verbrauch zu fast 20 %. Im neuen WLTP-Zyklus steigt der Anteil sogar auf bis zu 28 %. Innerhalb des Subsystems haben die Ingenieure verschiedene Möglichkeiten, zu optimieren. Details wie Unterboden oder Rad und Radhaus lassen sich erst in modernen Windkanälen mit Laufbändern untersuchen, die die Straße während der Fahrt simulieren.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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