Wahrheit über Start-Stopp-Systeme: Was bringt die Technik wirklich?

Was bringt die Spritspar-Technik wirklich?
Die Wahrheit über Start-Stopp-Systeme

Veröffentlicht am 01.06.2025

"Alle hassen es, also reparieren wir es": Lee Zeldin, seit Januar Leiter der US-Umweltschutz-behörde EPA, hat kürzlich die Start-Stopp-Systeme im Auto infrage gestellt. Was ist dran an seiner Kritik? Zehn Fragen und zehn Antworten.

Was ist der Sinn eines Start-Stopp-Systems?

Ganz einfach: Bei Autos mit Benzin- und Dieselmotoren Kraftstoff zu sparen und die Umwelt und das Klima von Abgas zu entlasten. Je nach Ausführung deaktiviert das Start-Stopp-System den Motor, wenn das Auto ausrollt oder zum Stillstand gekommen ist, ob in der Stadt oder im Autobahnstau. Solange der Fahrer das Bremspedal tritt, bleibt der Antrieb abgeschaltet, soweit das möglich und sinnvoll ist (mehr dazu weiter unten). Und der Stillstand wird immer häufiger: 2023 verbrachte ein Pendler in Deutschland durchschnittlich 40 Stunden im Stau, 2024 waren es schon 43 Stunden.

Seit wann gibt es Start-Stopp-Systeme?

Die Wurzeln liegen in den 1980er Jahren bei Audi, Fiat, Opel und VW, aber im großen Stil setzte sich die Technik erst 20 Jahre später durch. Die frühen Systeme nutzten traditionelle Technik: Beim Wiederstart griff das Zahnrad des Anlassers in den Spurkranz auf der Schwungscheibe der Kurbelwelle ein. Das lief vor allem bei Dieselautos eher langsam und rustikal ab – insbesondere dann, wenn das Zusammenspiel mit dem Doppelkupplungsgetriebe (falls vorhanden) nicht perfekt abgestimmt war.

Wie funktionieren Start-Stopp-Systeme heute?

Viele moderne Verbrennermodelle besitzen ein Mildhybrid-System (MHEV) auf 48-Volt-Basis. Es integriert in der Regel einen Startergenerator, der die Kurbelwelle durch direkten Eingriff oder über einen Riemen in Gang bringt. Das geht weich und schnell. Zudem stützt das Bordnetz mit dem Strom der 48-Volt-Batterie alle elektrischen Funktionen – von der Servolenkung über das Licht bis zu Sitzheizung, Scheibenwischern und Infotainment. Autos ohne MHEV nutzen weiterhin das klassische System; es funktioniert heute deutlich schneller und sanfter als vor 20 Jahren. Trotzdem gibt es noch immer viele Fahrer von Diesel-Taxis, die das System ausschalten – auch, um ihre Fahrgäste nicht zu irritieren.

Wann arbeiten die Systeme nicht?

Start-Stopp-Systeme sind eng ins Nervengeflecht des Autos eingebunden. Auf Basis der Sensorsignale lassen sie vor allem dann die Abschaltung bleiben, wenn der Druck im Bremskraftverstärker zu niedrig ist, wenn der Verbrennungsmotor noch nicht warm ist, wenn die Umgebungsluft sehr kalt ist, wenn umgekehrt die Klimaanlage auf Hochtouren läuft, und wenn die Batterie nur noch wenig Energie besitzt. Oder auch, falls Türen oder Gurtschlösser geöffnet sind – dann nimmt das Auto einen Einparkvorgang an.

Fördern Start-Stopp-Systeme den Verschleiß technischer Komponenten?

Das war in den Anfangsjahren der Technik eine verbreitete und nicht ganz unbegründete Befürchtung. Die Technik von heute entschärft jedoch viele Probleme. Eine elektrische Wasserpumpe beispielsweise kühlt den Motor auch dann, wenn er steht, und der Turbolader wird nach dem Abschalten weiterhin mit Öl versorgt. Viele Hersteller ertüchtigen zudem das Automatik- oder Doppelkupplungsgetriebe, die Schwung- beziehungsweise Riemenscheibe und die Lagerschalen der Kurbelwelle. Ein smarter Kurbelwellensensor ermöglicht es, den Motor in der idealen Position für den Wiederstart abzustellen. Die 48-Volt-Batterien von MHEV-Autos sind zyklenfest, ebenso wie 12-Volt-Akkus in so genannter AGM-Technik. Bei ihnen ist der Elektrolyt in einer Glasfasermatte gebunden, was die Robustheit erhöht.

Wie viel Sprit spart das System?

Das ist die Gretchenfrage, die sich nicht pauschal beantworten lässt – dafür ist der Einfluss von Fahrprofil und Antrieb zu groß. Der ADAC nennt bis zu 15 Prozent Einsparung im reinen Stadtverkehr, was jedoch recht hoch gegriffen erscheint. Georgiadis Iordanis vom Taxiverband Baden-Württemberg, mit dem wir gesprochen haben, sagt: "Wenn man im Jahr 60.000 Kilometer fährt, spart man mit Start-Stopp einen niedrigen dreistelligen Betrag an Spritkosten." Das wäre eine Größenordnung von nur zwei bis vier Prozent.

Wie wirkt sich Start-Stopp bei den Prüfstandszyklen aus, bei denen die Hersteller den Verbrauch ihrer neuen Modelle ermitteln?

Dazu gibt es keine Zahlen, weil das System auf der Rolle ja nicht deaktiviert wurde oder wird. Im NEFZ-Zyklus, der von 1992 bis 2017 in Kraft war, muss es jedoch erheblichen Einfluss gehabt haben. Auf den elf Kilometern, die er umfasste, gab es zwölf Stopp-Phasen, die 25 Prozent der 1.180 Sekunden Fahrzeit einnahmen. Das legt die Vermutung nahe, dass dieser Zyklus die Verbreitung der Start-Stopp-Systeme gefördert hat, weil sie die Papier-Verbrauchswerte deutlich senken konnten.

Und wie ist das im heutigen WLTP-Verfahren?

Der WLTC der Klasse 3, wie der Pkw-Fahrzyklus genau heißt, besteht aus vier Einzelzyklen, in der Addition ergeben sich sechs Stillstandsphasen. In Summe legt das Auto 13,25 Kilometer in 30 Minuten zurück, davon steht es insgesamt 242 Sekunden. Das sind nur noch 13,4 Prozent.

Sind Start-Stopp-Systeme Pflicht in Neuwagen?

Nein. Und der Fahrer ist auch nicht verpflichtet, sie permanent aktiviert zu lassen. In vielen Autos kann er sie abschalten, was er aber bei jedem Start von Neuem tun muss. Das System mit einem technischen Trick permanent stillzulegen, ist zwar denkbar, aber verboten. Bei der Hauptuntersuchung könnte es massiven Ärger geben, weil die Betriebserlaubnis erlöschen kann.

Macht der technische Fortschritt Start-Stopp-Systeme bald überflüssig?

Nicht, solange ein Benzin- oder Dieselmotor als Antriebsquelle dient. Selbst Vollhybride und Plug-in-Hybride haben solche Systeme, weil sie den Verbrenner ja immer wieder nutzen.