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Was ist eigentlich eine Vorkammerzündung?
116 Jahre alt und doch modern – Vorkammerzündung

Die Vorkammerzündung erlebt ein Comeback. Diese Technik, die einst für Diesel entwickelt wurde, könnte den Verbrennungsmotoren neue Effizienz und Leistung bringen. Ist das der Stein der Weisen für moderne Ottomotoren?

116 Jahre alt und doch modern – Vorkammerzündung
Foto: LORENZO MARCINNO

Sie soll den Verbrenner retten können und dürfen. 116 Jahre nach dem ersten Motor mit Vorkammer, ist eine Neuauflage dieser Technik 2024 ein sinnvoller Baustein, dem Verbrenner noch ein paar Jahre zu sichern. Damals wie heute kann der Einsatz der Vorkammer Emissionen senken – bei gleicher oder sogar mehr Leistung. Der Unterschied: Einst, für den Diesel entwickelt und zu höchster Reife gebracht, steht die Vorkammer heute den Benzinern offen. Bis zu 20 Prozent weniger Verbrauch bei gleicher Leistung steht im Raum. Der Stein der Weisen im Zielkonflikt aus Leistung und Effizienz?

Unsere Highlights

Was ist eine Vorkammerzündung?

Die Vorkammerzündung hat eine lange Geschichte, die bis zu den frühen Tagen der Dieselmotoren Anfang des 20. Jahrhunderts zurückreicht. Diese Technologie verwendet eine kleine Kammer – die Vorkammer nahe dem Hauptbrennraum –, in die Kraftstoff eingespritzt und durch komprimierte heiße Luft zündet, bevor die Flamme in den Hauptbrennraum übertritt und dort die Hauptverbrennung auslöst. Beim Dieselmotor war sie unumgänglich, um den zuvor benötigten Kompressor oder die Lufteinblasung per Druckluftflasche bei Diesel-Standmotoren zu ersetzen. Prosper L'Orange baute 1908 den ersten funktionstüchtigen Vorkammerdiesel. Diese Technik ermöglichte es, den Dieselmotor kleiner und kompakter zu konstruieren und für den Einsatz in Fahrzeugen überhaupt nutzbar zu machen. Zusätzlich führte die Vorkammerzündung zu einer effizienteren Verbrennung, was sowohl den Kraftstoffverbrauch als auch die Emissionen reduzierte. Ohne die Vorkammer, hätte es wohl keine automobile Zukunft für den Diesel gegeben.

Von der Direkteinspritzung verdrängt

In den späten 1990er-Jahren wurde die Vorkammerzündung bei Pkw-Dieselmotoren weitgehend durch moderne Direkteinspritzsysteme (Pumpe-Düse) und später der Common-Rail-Einspritzung ersetzt, beides übrigens maßgeblich von Nachfahren von L'Orange entwickelt. Die Direkteinspritzung bot eine noch effizientere Verbrennung, reduzierte die Emissionen weiter und führte zu einer besseren Leistungsentfaltung, wodurch die Vorkammerzündung im Dieselbereich an Bedeutung verlor und schließlich ausstarb.

Moderne Vorkammerzündung im Ottomotor

In der heutigen Motorenentwicklung erlebt die Vorkammerzündung ein Comeback in Ottomotoren. Der nötige Einsatz von Zündkerzen stellt jedoch einige technische Herausforderungen dar. Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Bauweisen: aktive und passive Vorkammern.

In der aktiven Vorkammer wird der Kraftstoff direkt in die Vorkammer eingespritzt, wodurch ein fetteres Gemisch entsteht. Dieses Gemisch wird per Zündkerze gezündet, und die Flamme breitet sich in den Hauptbrennraum aus, wo sie das magere Gemisch entzündet, das durch eine zweite Einspritzdüse oder durch Saugrohreinspritzung entsteht. Die aktive Vorkammer bietet den Vorteil einer besseren Kontrolle über den Verbrennungsprozess, da der Einspritz- und Zündzeitpunkt präzise gesteuert werden kann. Dies führt zu einer effizienteren Nutzung des Kraftstoffs und ermöglicht eine Leistungssteigerung durch die exakte Kontrolle der Verbrennung. Allerdings ist diese Bauweise komplexer und erfordert zusätzliche Bauteile, was die Produktionskosten erhöht und den Wartungsaufwand steigert. Hauptsächlich die Nähe von Zündkerze und Einspritzdüse in der Vorkammer stellt ein konstruktives wie thermisches Problem dar.

Aktive Vorkammer von Mahle. Zündkerze und Einspritzdüse sitzen nebeneinander über der Vorkammer, aus der die Flammen strahlartig in die Hauptbrennraum reichen und das magere Hauptgemisch entzünden.

In der passiven Vorkammer wird der Kraftstoff direkt in den Hauptbrennraum eingespritzt, und das fette Gemisch entsteht in der Vorkammer durch Überstromkanäle oder Schichtladung. Hier wird das Gemisch durch eine Zündkerze gezündet, bevor die Flamme in den Hauptbrennraum übergeht. Die passive Vorkammer ist einfacher und kostengünstiger, da weniger Bauteile erforderlich sind. Sie ist robuster und weniger wartungsintensiv, bietet jedoch eine geringere Effizienz bei der Verbrennung von mageren Gemischen im Vergleich zur aktiven Vorkammer.

Die passive Version von Mahle. Das fette Vorkammergemisch wird per Schichtladung zu Beginn des Kompressionstakts gebildet. Das Haupogemisch wird erst kurz vor dem Zünden vor dem OT gebildet.

Die Vorkammer und das Geheimnis von Lambda

Was wie der neue Indiana-Jones-Film klingt, ist allerdings das Hauptanliegen der Vorkammerzündung. Beiden Methoden – aktiv wie passiv – der Vorkammerzündung ist gemein, dass das Hauptgemisch mit einem hohen Überschuss an Luft erzeugt werden kann. Bis Lambda 2 wird im Rahmen unterschiedlicher Publikationen zum Thema erwähnt, während ein aktueller Ottomotor optimal mit Lambda 0,9 betrieben wird. Werte von Lambda 1,2 bis 1,5 verbrennen am effizientesten, allerdings sichern solche mageren Gemische bei herkömmlichen Ottomotoren keine regelmäßige Verbrennung mehr oder es entstehen durch das langsame Durchzünden mehr Stickoxide. Der Vorkammermotor kommt durch die schnelle und gleichmäßige Durchzündung des mageren Hauptgemischs besser zurecht mit allen Bedingungen des sogenannten Magermix.

Unterschiede zwischen der Diesel-Vorkammer und der Otto-Vorkammer

Die Vorkammerzündung hat sich seit den frühen Tagen des Dieselmotorenbaus erheblich weiterentwickelt. Die ursprüngliche Vorkammerzündung bei Dieselmotoren wurde entwickelt, um das Kraftstoff-Luft-Gemisch in einer separaten Kammer vorzubereiten und die Flammenfront kontrolliert in den Hauptbrennraum zu leiten. Bei diesen frühen Systemen war die Vorkammervolumen im Verhältnis zum Gesamtbrennraum erheblich größer als bei den heutigen Ottomotoren. Typischerweise machten die Vorkammern bei Dieselanwendungen etwa 20 bis 35 Prozent des Gesamtbrennraums aus, was notwendig war, um die Zündung des Dieselkraftstoffs zu ermöglichen und die Verbrennung im Hauptbrennraum zu unterstützen.

Im Gegensatz dazu sind die aktuellen Systeme in Ottomotoren deutlich kompakter und präziser gestaltet. In modernen Ottomotoren, insbesondere in den aktiven Vorkammersystemen, beträgt das Volumen der Vorkammer in der Regel nur etwa 0,2 bis 3 Prozent des Gesamtbrennraumvolumens. Diese Reduktion des Vorkammervolumens ist möglich, da Ottomotoren durch Zündkerzen gezündet werden, was eine präzisere Steuerung des Zündzeitpunkts und eine schnellere Flammenausbreitung ermöglicht. Im Vergleich zu den Dieselvorkammersystemen können die modernen Systeme außerdem effizientere und saubere Verbrennungen gewährleisten, was durch die präzise Einspritzung und Zündung des Gemischs in der Vorkammer erreicht wird.

Diese Hersteller haben die Vorkammer im Verbrenner:

Vorkammerzündung in der Formel 1

Mercedes und Ferrari waren 2015/2016 die ersten Formel-1-Hersteller, die die Vorkammerzündung erfolgreich einsetzten. Ferrari mit einem mit Mahle entwickelte System der Jet Injection, Mercedes mit einem eigenen System. Grund war ein strenges Limit des mitgeführten Benzins und der Durchflussmenge, was bei hohen Einspritzdrücken durch die Turboaufladung grundsätzlich ein mageres Gemisch ergibt. Die Vorkammerzündung kam quasi als Ersatz für die herkömmliche Zündung ins Spiel, da sie die technischen Regeln – nur eine Zündkerze und Einspritzdüse pro Zylinder – einhielt. 2024 dürfte jeder Motorenhersteller in der Formel 1 diese Technik anwenden.

Maserati: Nettuno V6-Motor

Maserati verwendet die Vorkammerzündung im Nettuno V6-Motor des Supersportwagens MC20 und hat sich für die passive Vorkammer entschieden. Die Kombination aus Vorkammerzündung, Direkteinspritzung und Saugrohreinspritzung sorgt dafür, dass Maserati eine hohe Motorleistung bei gleichzeitig verbesserter Kraftstoffeffizienz erreichen kann. Interessant am Nettuno: Maserati verbaut 2 Zündkerzen und 2 Einspritzsysteme für unterschiedliche Phasen des Motorlaufs. So arbeitet die Vorkammerzündung nicht immer, sondern nur bei Bedarf.

Ford: Entwicklung in der EcoBoost-Motorenreihe

Ford arbeitet aktiv an der Entwicklung eines neuen Vorkammerzündsystems, das in Zusammenarbeit mit FEV und dem Oak Ridge National Laboratory entwickelt wird. Dieses System soll zukünftig in den EcoBoost-Motoren des Unternehmens zum Einsatz kommen. Ziel ist es, die Effizienz um bis zu 23 % zu steigern und den Kraftstoffverbrauch deutlich zu reduzieren, ohne dabei die Leistung zu beeinträchtigen. Interessant: Ford denkt hier im Kontext großer Pick-Up-Motoren, also V8 mit viel Hubraum ähnlich wie Maserati und stellt eine Direkteinspritzung und eine aktive Vorkammer mit eigener Lufteinblasung "nebeneinander".

Subaru: Vorkammerzündung für den Boxer

Von Subaru ist ebenfalls ein Patent für eine Vorkammerzündung am Beispiel des Boxer-Motors bekannt. Das passive System – gezielt für den hybriden Einsatz entwickelt – wartet zusätzlich mit einer Lufteinblasung auf, die im Kaltstart oder bei sinkenden Brennraumtemperaturen das Kondensieren des Kraftstoffs an den Zylinderwänden verhindern soll.

Honda: Vorkammerzündung für Motorräder

Honda zeigt ebenfalls Interesse an der Vorkammerzündung und hat 2022 ein Patent für die Anwendung dieser Technologie in Motorrädern eingereicht. Interessant im Kontext: Honda setzt auf ein aktives System mit einer Art Drehschieber, um die Flammfront auf der Vorkammer noch gezielter und präziser in den Hauptbrennraum zu leiten. Mechanisch ist das System insbesondere durch den Drehschieber sehr aufwendig und verlangt noch mehr Platz im Zylinderkopf des Motors.

BMW: Optimierung der Verbrennung durch Vorkammerzündung

BMW arbeitet ebenfalls an der Weiterentwicklung der Vorkammerzündung und hat ein Patent für ein passives System eingereicht, das sich besonders mit der Gemischbildung in der Vorkammer beschäftigt. Durch speziell gestaltete Öffnungen wird das Gemisch in der Vorkammer fetter gehalten als im Hauptbrennraum. BMW zielt darauf ab, den Kraftstoffverbrauch um bis zu 20 % zu senken, ohne die Motorleistung zu beeinträchtigen.

Vorteile der Vorkammerzündung

Die Vorkammerzündung bietet zahlreiche Vorteile, hauptsächlich in Bezug auf Effizienz und Umweltfreundlichkeit. Durch die vorbereitende Verbrennung in der Vorkammer wird die Flammenfront kontrolliert in den Hauptbrennraum geleitet, was zu einer gleichmäßigeren und effizienteren Verbrennung führt. Dies verbessert die Ausnutzung des Kraftstoffs, was wiederum den Verbrauch senkt. Gleichzeitig trägt die Vorkammerzündung zur Reduktion von Emissionen bei, insbesondere durch die Verringerung und Stickoxiden (NOx). Ein weiterer Vorteil ist die Verbesserung der Laufkultur des Motors. Die gleichmäßige Verbrennung reduziert Vibrationen, Klopfneigung und Motorgeräusche, was zu einem ruhigeren Motorlauf führt.

Nachteile der Vorkammerzündung

Trotz ihrer vielen Vorteile weist die Vorkammerzündung einige Nachteile auf. Eine der Herausforderungen ist der potenzielle Wärmeverlust, da ein Teil der Verbrennung in der Vorkammer stattfindet. Gleichzeitig ist die Verbrennungstemperatur in der Vorkammer deutlich höher, was aktive Systeme vor zusätzliche Hürden stellt.
Zusätzlich erfordert die Vorkammerzündung eine komplexere Motorenkonstruktion, die die präzise Steuerung des Kraftstoff-Luft-Gemischs auf engem Raum möglich sein muss. Diese Komplexität erhöht die Produktionskosten.

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Nein, die Wärmekraftmaschine ist viel spannender und wird immer mit ihrem Sound faszinieren.Ja, ausgefuchste Konstruktionen mit viel Kraft und höchster Effizienz stecken jeden Spritschlucker in die Tasche.

Fazit

Die Vorkammerzündung ist bei einigen Herstellern in Planung oder schon in Produktion. Allerdings nicht als Revival im Diesel, wo die Technik historisch ihre Heimat hat, sondern im Otto-Motor, dem Benziner. In der Formel 1 war oder ist die passive Vorkammer im Einsatz, ebenso bei Maserati als Art Hybrid-System mit einer konventionellen Einspritzung gepaart. Subaru und BMW entwickeln ebenfalls passive Systeme, teilweise mit der Fall-Back-Ebene einer konventionellen Einspritzung oder zusätzlicher Lufteinblasung für besseren Kaltstart des mageren Hauptgemischs. Honda entwickelt eine aktive Technik – also direkte Einspritzung in die Vorkammer – für Motorräder, während Ford für große V8 eine Mischung aus aktiver Vorkammer und Direkteinspritzung entwickelt.

Alle Wege führen zu einem Ziel: weniger Benzin für die gleiche Leistung verbrauchen und dadurch weniger Schadstoffe und Emissionen freisetzen. Und wenn der Motor durch die weichere Verbrennung dazu noch ruhiger läuft, ist das Plus an Komfort ebenfalls ein Argument.

Aber: Wäre es so einfach, würde es jeder bauen. Die Vorkammerzündung beim Benziner verlangt viel Aufwand in der Entwicklung und Fertigung, da in dem Zylinderkopf zwischen den Ventilführungen zusätzliche Bauteile und Bauräume Platz finden müssen. Ebenso ist die hohe partielle thermische Belastung in der Vorkammer im Kontrast zu niedrigeren Temperatur im Hauptbrennraum ein Spannungsfeld. Aus gleichem Grund sind die derzeit einzig funktionalen und eingesetzten Vorkammerzündung in der passiven Bauweise konstruiert, sprich, es wird kein Kraftstoff direkt in die Vorkammer gespritzt, was es erlaubt, die Einspritzdüse und Zündelektrode weit voneinander zu platzieren. Was den Nachteil der aktiven Vorkammer grob umschreibt: Bauteile, die kalt sein wollen, müssten direkt neben Bauteilen verbaut sein, die heiß sein müssen.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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