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Schlüsseltechnik für autonomes Fahren
Untergrund-Radar navigiert bei Schnee und Regen

Bei Niederschlag ist die Sensorik selbstfahrender Autos überfordert. Forscher des MIT arbeiten daher an einem Untergrund-Radar, das wetterunabhängig eine exakte Ortung erlaubt.

Untergrund-Radar MIT CSAIL
Foto: CSAIL

Selbst fahrende Autos müssen immer exakt wissen, wo sie sind. Dazu nutzen sie Kameras und LIDAR (Light Detection and Ranging). Ein LIDAR nutzt im Gegensatz zum Radar keine Radiowellen, sondern Laserstrahlen. Liegt Schnee auf der Straße, erkennen Kameras beispielsweise Fahrbahnmarkierungen und -grenzen nicht mehr, Laser haben Probleme, wenn Niederschlag in der Luft fliegt.

Bodenzusammensetzung taugt zur Ortung

Darum haben Forscher des CSAIL, dem Computer Science and Artificial Intelligence Laboratory des renommierten Massachusets Institute of Technology (MIT), ein Radarsystem entwickelt, das den Untergrund der befahrenen Straße scannt. Dazu verwendeten sie eine existierende Technologie, das so genannte GPR (Ground Penetrating Radar), also ein bodendurchdringendes Radar. Das System wollen sie im Mai 2020 auf der Internationalen Konferenz für Robotik und Automatisierung (ICRA) in Paris vorstellen. Als Laie fragt man sich vielleicht, welchen Fortschritt die Durchleuchtung des Untergrunds bringen soll – schließlich geht es um Autos, die an der Oberfläche fahren und nicht um die Tunnel von Elon Musks Boring Company.

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Untergrund-Radar MIT CSAIL
CSAIL
Aktuell ist die Technik noch sehr groß.

Aber die elektromagnetischen Impulse messen die offenbar für jeden Punkt sehr charakteristische Kombination von Erde, Fels und Wurzeln. Das Mapping kann daraus den Punkten so einzigartige Kombinationen von Merkmalen zuordnen, dass sie so zweifelsfrei unterscheidbar sind wie Fingerabdrücke – egal, ob weit oben drüber Schnee liegt. Die Punkte auf der so entstandenen Untergrund-Karte kann das Fahrzeugorientierungssystem später nutzen, um sich selbst zu orten. Dafür nutzt das CSAIL-Team eine spezielle Form des Bodenradars, das die Kollegen im Lincoln Labor des MIT entwickelt und als LPGR (Localizing Ground Penetrating Radar) bezeichnet haben.

Es gibt verschiedene Arten von Dreck

Der für die schriftliche Veröffentlichung des Projekts verantwortliche Autor Teddy Ort meint dazu: "Würden Sie oder ich mit einer Schaufel ein Stück Untergrund ausgraben, sähen wir nur einen Haufen Dreck. Aber das LPGR kann alle spezifischen Einzelelemente darin quantifizieren und mit der bereits erzeugten Karte vergleichen. Daraus kann es ohne Kameras oder Laser berechnen, wo es sich gerade befindet. Und zwar mit großer Genauigkeit: In Tests stellte das Team fest, dass die durchschnittliche Fehlerquote bei Schnee im Vergleich zu klarem Wetter nur bei etwa 2,5 Zentimeter lag. Bei Regen stieg die Ungenauigkeit auf rund 14 Zentimeter – weil in den Boden eindringendes Wasser den aktuellen Bodenzustand gegenüber dem ursprünglich abgebildeten LGPR-Wert stärker verändert. Trotzdem erwies sich das System in einem Sechs-Monatstest als überaus robust: Zu keiner Zeit musst der Sicherheitsfahrer unerwartet eingreifen, um das Steuer zu übernehmen.

Die Forscher halten das System daher für eine realistische Möglichkeit, selbstfahrenden Autos bei schlechtem Wetter zu helfen, ohne dass sie mit Laserscannern oder Kameras im herkömmlichen Sinne" sehen "müssen. Auch wenn das Team nur bei niedrigen Geschwindigkeiten auf einer gesperrten Landstraße getestet hat, ist Teddy Ort sicher, dass das System problemlos auf Autobahnen zur Anwendung kommen könnte.

Bodenradar als Schlechtwetter-Ergänzung

Es könnte allerdings kein Kamera- und LIDAR-basiertes System ersetzen, da das LGPR naturgemäß keine oberirdischen Dinge erkennen kann. Aber seine Ortungs-Fähigkeit bei schlechtem Wetter prädestiniert es zur Kombination mit optischen Systemen. Das LPGR hat aus Sicht der Experten das Potenzial, autonomes Fahren dem realen Einsatz erheblich näher zu bringen. Auch weil sich LPGR-Karten tendenziell weniger schnell ändern als oberirdische. Außerdem nehmen die LGPR-Kartendaten rund 20 Prozent weniger Speicherplatz ein als die herkömmlichen 2D-Sensorkarten.

Serienreif ist aber LPGR noch lange nicht. Die Forscher suchen noch nach Methoden, wie LGPR-Datensätze mehrspuriger Straßen und Kreuzungen zusammengefügt werden können. Außerdem ist die aktuelle eingesetzte Hardware sperrig und gut 1,80 Meter breit. Darum ist noch einiges an Arbeit nötig, damit die Technik wenigstens für Nutzfahrzeuge klein und leicht genug ist.

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Fazit

Die Fehlermeldungen aktueller Assistenzsysteme kennt jeder, der schon mit modernen Autos unterwegs war: "Kamera verschmutzt", "Abstandsradar deaktiviert" usw. Da klingt ein wetterunabhängiges Ortungssystem verlockend. Allerdings hilft das nur bei der Navigation und beim Spur halten. Für andere Verkehrsteilnehmer ist LGPR blind – ganz unabhängig vom Wetter.

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