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SCR-Nachrüst-Katalysatoren für Euro 5-Diesel
ADAC sieht Licht und Schatten im Langzeittest

Nachgerüstete SCR-Katalysatoren bei Pkw mit Euro-5-Diesel könnten die Luft in Städten verbessern und Besitzer könnten ihr Auto auch in Städten weiterfahren. Nun hat der ADAC seine Dauertest-Ergebnisse mit den Nachrüstsysteme veröffentlicht.

03/2019, ADAC-Test SCR-Nachrüst-Katalysatoren Abschluss März 2019
Foto: ADAC / Uwe Rattay

Voraussetzung für einen flächendeckenden Einsatz von SCR-Katalysatoren für Euro-5-Diesel wäre eine Umrüstmöglichkeit, eine Genehmigung der Umrüstung durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und die Umschlüsselung des umgerüsteten Autos auf die Abgasnorm Euro 6d-Temp. Ungeklärt ist bisher auch die Frage der Kostenübernahme: Die Hersteller lehnen Hardware-Nachrüstungen teils ab, die Bundesregierung verhält sich zögerlich und für Autobesitzer stehen Umrüstkosten von mindestens 1.400 Euro im Raum. Ein hoher Betrag für einen Diesel, der je nach Alter, Laufleistung und Modell weniger als 10.000 Euro wert ist.

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SCR-Nachrüstung im ADAC-Test

Angesichts der Kostenfrage ist es umso wichtiger, dass die Systeme auch das leisten, was ihre Hersteller versprechen. Genau das wollte der ADAC zusammen mit dem Ministerium für Verkehr in Baden-Württemberg herausfinden. Mit einem etwa 300.000 Euro teuren Langzeittest von mehreren Fahrzeugen über 50.000 Kilometer, dessen Kosten beide Institutionen etwa zur Hälfte getragen haben. Nun liegen die Ergebnisse vor, und es zeigt sich dem Automobilclub zufolge „ein differenziertes Bild“.

Positiv: Die Systeme aller Anbieter konnten ihre prinzipielle Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Bei sommerlichen Temperaturen drückten die Katalysatoren mithilfe der Harnstofflösung AdBlue die von den Basisautos im Serienzustand erreichten Stickoxid-Werte drastisch: Von den rund 700 bis 1.100 Milligramm pro Kilometer blieben nach der Abgasbehandlung weniger als 270 Milligramm übrig. Exakt auf diesem Niveau liegt der Grenzwert, der im geänderten Bundes-Immissionsschutzgesetz für Temperaturen zwischen 5 und 30 Grad Celsius genannt wird. Das Minus beträgt je nach Testwagen zwischen 64 und 80 Prozent.

Positive und negative Erkenntnisse

Ebenfalls erfreulich: Auch bei herbstlichen Temperaturen findet eine deutliche NOx-Reduktion statt. Statt bis zu knapp 1.900 Milligramm pro Kilometer emittierten die Testfahrzeuge im Schnitt zwischen 439 und 669 Milligramm. Damit sank der Ausstoß zwischen 51 und 77 Prozent. Auch im Winter findet eine effektive Abgasreinigung statt, allerdings auf niedrigerem Niveau. Die nachgerüsteten Fahrzeuge stießen bei unter fünf Grad Celsius im Schnitt zwischen 38 und 53 Prozent weniger Stickoxide aus. Hinzu kommt die positive Erkenntnis, dass der ADAC bei den Nachrüst-Systemen über den Zeitraum von fünf Monaten (Ende August bis Ende Januar) keinen Alterungsprozess feststellen konnte.

EU5 fahrverbot Diesel
ADAC
Der ADAC hat mit ursprünglich vier Autos und Transportern SCR-Nachrüstsysteme getestet.

Der ADAC-Test hat aber auch negative Ergebnisse hervorgebracht. Dabei geht es vor allem um die Zuverlässigkeit. „Die in wenigen Wochen durch die Nachrüster aufgebauten und auf das jeweilige Testfahrzeug abgestimmten SCR-Systeme waren in diesem Entwicklungsstadium noch nicht in der Lage, eine durchgehend zuverlässige Funktion zu gewährleisten.“ Es habe temporäre Systemausfälle und mechanische Defekte gegeben, zeitweilig zeigte sich auch ein instabiles Energiemanagement. Folglich waren mehrere Nachbesserungen durch die Nachrüster an mechanischen Komponenten, Sensorik und Energieversorgung nötig. Hier stabiler zu werden hält der ADAC für die größte Herausforderung für die Firmen, um serientaugliche SCR-Systeme anbieten zu können.

Je mehr Serienteile, desto zuverlässiger

Eine weitere zentrale Erkenntnis des ADAC-Dauertests: Je mehr Serienteile ein Nachrüst-Anbieter bei seinem SCR-System verwendet, umso zuverlässiger funktioniert es. Der mit einem HJS-Kat ausgerüstete Fiat Ducato beispielsweise nutzt viele Komponenten der ab Werk angebotenen Modellvariante, die Euro 6b erfüllt. Auf 30.000 Kilometern gab es nur zwei temporäre Systemausfälle. Allerdings wurde das Auto 20.000 Kilometer vor Testende unverschuldet in einen Unfall verwickelt und irreparabel beschädigt.

Das im VW T5 eingebaute SCR-System von Oberland Mangold arbeitet mit zahlreichen Serienteilen, etwa der AdBlue-Tankeinheit und den zahlreichen Leitungen. Auf den ersten 30.000 Kilometern zeigte es sich sehr robust. Doch dann verschlechterten sich die NOx-Werte plötzlich, weil sich im Hydrolyse-Reaktor des Anbieters Ablagerungen bilden. Dies ließ sich zwar schnell beheben, doch für den Serieneinsatz fordert der ADAC von Oberland Mangold, dieses Problem in den Griff zu bekommen.

Kosten von 1.400 bis 3.300 Euro

Den SCR-Katalysator für den Opel Astra (J) 1.7 CDTI musste Twintec von Grund auf neu entwickeln, weil für dieses Auto keinerlei Serienkomponenten zur Verfügung standen. Keine leichte Aufgabe für den Anbieter, denn es fehlte der nötige Bauraum und der Katalysator musste an einer ungünstigen Stelle installiert werden. Zwar bewies auch dieses System eine wirksame NOX-Reinigung, fiel aber mehrfach aus. Die Probleme betrafen eine undichte Kühlwasserleitung, eine nicht funktionierende Füllstandanzeige des AdBlue-Tanks sowie einen mechanischen Defekt einer Abgasleitung zum Hydrolyse-Reaktor. Auch das Energiemanagement beziehungsweise die Energieversorgung erwiesen sich als noch nicht serientauglich.

Ursprünglich nahmen vier Autos an dem Langzeittest teil. Der Mercedes B 180 CDI der Firma Dr. Pley SCR-Technology GmbH wurde aus unternehmensinternen Gründen frühzeitig aussortiert. Laut Süddeutscher Zeitung hat der Umrüstanbieter nicht genug Kapazitäten. Je nach Fahrzeug lagen die Kosten für die Systeme inklusive Einbau bei 1.400 bis 3.300 Euro. Die Vorher-Nachher-Vergleichsmessungen ermittelte der Club wie auto motor und sport (Ergebnisse siehe Bildergalerie) mit mobilen Messgeräten (PEMS) im Straßenbetrieb inner- und außerorts (Real Driving Emissions, RDE). Die Testwagen fuhren täglich eine fest definierte Strecke von rund 700 Kilometern, die aus 56 Prozent Inner- und Außerortsanteil sowie rund 44 Prozent Autobahn bestand.

Unterschiedliche Technik, komplizierter Einbau

Die große preisliche Bandbreite der Nachrüstsysteme lässt sich durch Unterschiede bei der eingesetzten Technik erklären. So setzen einige Nachrüster auf ein zusätzliches Heizelement für die Umwandlung der AdBlue-Lösung in Ammoniak, wodurch die volle Reinigungswirkung unabhängig von den Abgastemperaturen funktioniert. Ammoniak entsteht erst bei Abgastemperaturen ab 120, besser 200 Grad, weshalb einfachere Systeme nach Kaltstarts oft nicht ihr volles Potenzial entfalten können. Auch der Einbau gestaltet sich je nach Fahrzeug-Typ unterschiedlich kompliziert: Hier geht der ADAC von einer Bandbreite zwischen zwei und 15 Stunden aus. Vorgenommen werden könne die Umrüstung jedoch prinzipiell in jeder Fachwerkstatt, da es sich bei den meisten Teilen um Serientechnik handelt, die die Hersteller heute in ihren Euro-6-Dieseln einsetzen. Daher wären Umrüstungen auch kurzfristig durchführbar.

Dr. Pley will im Juli 2019 ein SCR-System für den Zweiliter-Volvo-Diesel (liegt derzeit zur Freigabe beim Kraftfahrt-Bundesamt KBA) und danach für den Daimler-Diesel OM 651 auf den Markt bringen. Mit dem Mercedes-Motor, der besonders oft in der C- und E-Klasse eingebaut wurde, sollen allein etwa 150.000 Autos abgasgereinigt werden können. Außerdem entwickelt Dr. Pley derzeit Katalysatoren für den Mercedes Sprinter, die VW-Motorenfamilie EA288 und den Porsche Cayenne. Andere Anbieter sollen ab 2020 folgen. Darunter Twintec, das sich wohl auf Selbstzünder aus dem Volkswagen-Konzern konzentrieren wird.

Die Systeme müssen 5 Jahre oder 100.000 km halten

Nachdem sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lange gesträubt hatte, konkrete gesetztliche Vorgaben für Nachrüst-SCR-Systeme zu machen, gibt es seit dem Jahreswechsel zumindest eine Richtlinie. Deren Kernpunkt ist ein NOx-Grenzwert von 270 mg/km, den nachgerüstete Diesel bei Temperaturen zwischen 5 und 30 Grad Celsius erreichen müssen. Bei niedrigeren Temperaturen (4 °C bis -3 °C) dürfen die geminderten NOx-Werte um den Faktor 2 höher liegen (540 mg/km). Bei Temperaturen über 30°C liegt der Faktor bei 1,6 (432 mg/km). Zudem wurde in der Richtlinie festgelegt, dass der CO2-Ausstoß durch SCR-Nachrüstung um maximal 6 % ansteigen darf. Der ADAC hält diese Vorgaben, die teils schärfer als für Euro-6-Zulassungen sind, für ambitioniert, aber technisch machbar.

Außerdem besagt die Richtlinie, dass die nachgerüsteten Systeme entweder bis zu 100.000 Kilometer und über fünf Jahre (je nachdem, was zuerst erreicht wird) funktionieren müssen. Von ihren Herstellern wird ein entsprechender Nachweis verlangt, und das KBA kann die Systeme nachprüfen und gegebenenfalls die ABE entziehen, sollten die Richtlinien nicht eingehalten werden. Noch hat das KBA aber keine offizielle Zulassung für die Nachrüst-Systeme erteilt. Bei Bussen ist die Gesetzgebung bereits weiter. Das KBA hat für die SCR-Nachrüst-Systeme zweier Hersteller eine Allgemeine Betriebserlaubnis erteilt. Bei den Firmen handelt es sich um die finnische Technologiefirma Proventia und den Mittelständler HJS mit Sitz im Sauerland. Modelle mit MAN-Motoren könnten umgerüstet werden, künftig soll dies auch für Mercedes-Motoren möglich sein. Mit Daimler und MAN könnten über 90 Prozent der Busse umgerüstet werden. Bei Pkw ist dies wegen der zahlreichen Hersteller und Varianten aber sehr viel aufwendiger, zudem ist der Bauraum viel knapper.

ADAC sieht Autohersteller in der Pflicht

Die Automobilindustrie lehnte es anfangs kategorisch ab, alte Dieselautos nachzurüsten. Hardware-Lösungen seien zu teuer, komplex und langwierig, lautete die Begründung der Marken. BMW und Opel beharren weiterhin auf dieser Position. Mit VW und Daimler haben aber inzwischen immerhin zwei Autokonzerne ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, Nachrüstungen zu unterstützen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die SCR-Systeme auch zertifiziert werden. Die volle Kostenübernahme erteilt die Autoindustrie weiterhin eine Absage. Wie die Kosten aufgeteilt werden sollen, ist weiterhin unklar. Der ADAC sieht dennoch verstärkt die Autohersteller in der Pflicht. Die müssten bei einigen Modellen Software-Updates für die Motorsteuerungen durchführen, damit die Nachrüst-Lösungen funktionieren – zum Beispiel die darin hinterlegten Thermofenster deaktivieren. Was Nachrüstsysteme für Importfahrzeuge angeht, sieht es laut ADAC momentan eher schlecht aus.

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