Was heute scheinbar selbstverständlich geschieht – nämlich dass der Scheibenwischer automatisch reagiert, sobald die ersten Regentropfen die Windschutzscheibe berühren – ist das Ergebnis jahrzehntelanger technischer Entwicklung. Moderne Regensensoren, oft kombiniert mit Licht- und Umweltsensorik, erkennen Niederschlag in Sekundenbruchteilen und steuern die Wischgeschwindigkeit intelligent über ein fein abgestimmtes Zusammenspiel von Sensorik, Steuergerät und Aktuatorik. Doch der Weg dahin war lang: Von den ersten mechanischen Kurbelvorrichtungen über elektromechanische Systeme bis hin zur heutigen Sensorfusion spiegelt die Geschichte des Scheibenwischers auch den Fortschritt der Automobiltechnik auf wider.
Funktion der Sensoren
Die Sensoren verwenden die Lichtbrechung der Wassertropfen, um Niederschlag zu erkennen. Dabei wird eine physikalische Eigenschaft von Wasser genutzt: Wasser hat eine höhere optische Dichte als Luft. Zur Sensierung senden in der Optikeinheit befindliche Leuchtdioden Infrarotlicht an die Glasoberfläche. Ist die Scheibe trocken, reflektiert sie das Infrarotlicht nahezu vollständig, und eine ebenfalls in der Sensorik untergebrachte Fotodiode misst die reflektierte Lichtstärke. Ist die Scheibe mit Feuchtigkeit wie Nebel oder Regen benetzt, tritt durch die verursachte Lichtbrechung das Infrarotlicht aus der Frontscheibe aus. Es wird weniger Licht zur Fotodiode reflektiert – man spricht vom Streulichtprinzip. Die Wischgeschwindigkeit passt sich dank dieser Informationen sensorgesteuert der Intensität des Regens an

Funktion des Regensensors. Die Leuchtdiode schickt einen Lichtstrahl von innen auf die Scheibe. Außen ist die Scheibe trocken. Beinahe das gesamte Licht wird auf die Fotodiode reflektiert. Bei Regen wird durch das optisch dichtere Wasser ein Teil der Lichtstrahlen abgelenkt und nicht zur Fotodiode reflektiert.
Die Zuverlässigkeit des Systems ist in den letzten Jahren spürbar besser geworden. Nur in schwierigen Situationen wie Nebel oder Eis ist sich das System bei der Bewertung bisweilen nicht sicher, hier ist der Mensch mit seiner persönlichen Einschätzung der Situation oft überlegen.
Der Regensensor inklusive Zusatzfunktionen ist ein optoelektronisches Bauteil. In aktuellen Autos kommt meist eine Kombination aus Regen- und Lichtsensor zum Einsatz. Je nach Fahrzeugmodell sind im Sockel hinter der Windschutzscheibe noch ein Abstands- und Umfeld-Erkennungs-Sensor (Radar/Lidar) sowie eine Kamera, beispielsweise zur Erkennung von Verkehrszeichen oder zur Realisierung von Spurhaltesystemen, platziert.
Der Lichtsensor arbeitet mit zwei Sensoren, einer mit großem Erfassungswinkel, der zweite misst das Licht im Vorfeld direkt vor dem Auto. Die automatische Helligkeitsanpassung eines Head-up Displays beispielsweise basiert auf dieser Messmethode. Das automatische Aktivieren des Abblendlichts geschieht hingegen anhand beider Sensordaten.
Lichtsensoren liefern auch die Infos für weitere Aktionen der Steuerelektronik. Werden entgegenkommende oder vorausfahrende Fahrzeuge erkannt, wird sofort abgeblendet. Probleme kann es aber immer noch auf Autobahnen mit hoher Mittelleitplanke, etwa Betonbarrieren, geben. Hier werden entgegenkommende Fahrzeuge, das betrifft vor allem Lkw mit ihren kleinen oberen Positionslichtern, bisweilen nicht identifiziert, sodass nicht auf Abblendlicht geschaltet wird – gefährlich für den Gegenverkehr.
Ebenfalls eine Rolle bei der Bewertung von Signalen spielen die Tag-/Nachtgrenze sowie die Erkennung von Straßenbeleuchtung oder reflektierenden Verkehrsschildern. Intelligente Assistenzsysteme wie das adaptive Kurvenlicht, die adaptive Lichtverteilung (selektives Ausleuchten von Gefahrenstellen) oder das blendfreie Fernlicht (adaptive Hell-/Dunkelgrenze) kommen je nach Scheinwerfertechnik hinzu.
Damit aber nicht genug. Der Platz an der Frontscheibe bietet sich für weitere Sensorik an. Neben der Kombination Regen-/Lichtsensoren werden weitere Funktionen integriert, beispielsweise eine Solar- und Feuchtigkeitsmessung sowie die Anpassung der Lichtintensität des Head-up Displays. Das System ist modular aufgebaut, sodass jeder Fahrzeughersteller zwischen unterschiedlichen Konfigurationen wählen kann.
Sensorfusion
So ein Regensensor hat aber noch weitere Vorteile. Zusammen mit anderen Sensoren sind viele weitere Funktionen möglich. Nehmen wir als Beispiel das Regen-/Licht-/Klima-Sensormodul von Hella.

Kombinierter Regen-, Temperatur- und Lichtsensor von Hella, der vor dem Innenspiegel an der Frontscheibe angebracht wird.
Es ist einer der kleinsten Sensoren seiner Art auf dem Markt und zeichnet sich durch ein flexibles und modulares Konzept aus. Der Sensor vereint fünf Funktionen: Regen, Licht, Solarladung, Feuchtigkeit und Sichtbarkeit des Head-up Displays.
Auch dieses System ist modular aufgebaut, sodass dem Kunden unterschiedliche Konfigurationen angeboten werden können. Realisierbar sind neben dem Lichtsensor und dem Regensensor die Kombination aus Regen-/Lichtsensor, aus Regen-/Licht- und Solarsensor, aus Regen-/Licht- und Klimasensor (Solarladung und Feuchtigkeit), ein reiner Klimasensor (Solarladung und Feuchtigkeit) sowie zusätzlich ein Sensor zur Helligkeitskontrolle des Head-up Displays (HUD) oder der (digitalen) Instrumentenbeleuchtung.
Im Forschungsprojekt "mobileView" wird die Sensorfusion weiterentwickelt und in 100 Fahrzeugen im realen Verkehr erprobt. Für mobileView wurden die Regensensoren weiter verbessert. So wurden die Regenmengen über Zusatzinformationen wie Lichteinfall, Temperatur und Funktion exakter erfasst. Dieser genauere Wert wird über Mobilfunk an den Server der Wetterbeobachtung gesendet. Dieser vergleicht dann Vorhersage und tatsächlichen Niederschlag. Wenn irgendwo Gewitterzellen entstehen, ist es wichtig, deren Stärke und Zugrichtung zu bestimmen. Bei dem hier beschriebenen wissenschaftlichen Projekt wird das Auto mit einer schnellen MQTT-Verbindung mit der auswertenden Stelle verbunden.
Das Netzwerkprotokoll MQTT (= Message Queuing Telemetry Transport) eignet sich für die schnelle Übermittlung von Daten auf den Server. Die Wetterdaten werden in Echtzeit übermittelt. So kann vom Server alle 60 Sekunden eine aktuelle Niederschlagskarte erstellt werden.
Wer nutzt diese Wetterdaten?
Die Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr IAV, Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) und das Forschungsinstitut für Wasser und Abfallwirtschaft FW der RWTH Aachen werten diese Daten aus und analysieren sie wissenschaftlich. Die Fahrzeuge liefern sekündlich einen Datensatz.
Ein interessantes Ergebnis: In fast 70 Prozent der Fälle haben die Testfahrzeuge tatsächlich Regen gemessen, wenn das Regenradar Regen anzeigte. Das zeigt auch die Zuverlässigkeit des Regenradars im Internet. Gleichzeitig fuhren die Testfahrzeuge langsamer, wenn sie Regen anzeigten: Schließlich werden die Reibungsverhältnisse zwischen Reifen und Straße bei Regen deutlich schlechter. Zudem wird die Sicht schlechter. Diese Information kann in die Routenplanung integriert werden und so die Ankunftszeit genauer vorhergesagt werden.
Die ganzheitliche Bewertung der Signale diverser Sensoren und webbasierter Infos soll die Fahrsicherheit steigern. So können Fahrer frühzeitig über gefährliche Situationen auf ihrer Fahrstrecke, etwa Unfälle, Straßenverschmutzung oder starken Regen hingewiesen werden. Beispielsweise werden die Infos von Fahrdynamiksensoren, Reifensensoren und weiteren Umgebungssensoren zur Berechnung möglicher Fahrmanöver, wie Ausweichen oder Bremsen, kombiniert ausgewertet und die nötigen Reaktionen zur Unfallvermeidung berechnet. Die Daten zusammenzuführen, ist dabei die leichtere Aufgabe, deren Interpretation und die nötigen Reaktionen sind dann die komplexere Aufgabenstellung.
In Zukunft wird die Sensorfusion weiter perfektioniert. Damit ist vorstellbar, dass sämtliche relevanten Infos von Video, Ultraschall, Lidar, Radar und weiterer Sensorik, etwa aus dem Reifen, während der Fahrt gesammelt, bewertet und aus diesen Infos die optimale Strategie beziehungsweise Reaktion blitzschnell berechnet wird. Jeder Sensor und jede Kamera haben ihre Stärken und Schwächen, so können Kameras bei finsteren Lichtverhältnissen nur schlechte Bilder liefern, das Radar kann durch Reflexe abgelenkt werden und der Lichtsensor kann durch Verschmutzung nicht wie gewünscht funktionieren. Durch die Fusion der Sensor-Signale zum 3-D-Echtzeitbild kann trotzdem die optimale Strategie berechnet werden.
Vorhersage dank Fusion
Der nächste Entwicklungsschritt wird im Gegensatz zur aktuellen nachträglichen Fusion die vorgezogene Fusion relevanter Infos sein. Dazu sind eine enorme Rechenleistung und Schnelligkeit erforderlich. Eine Forschungsgruppe der Universität Gent in Belgien entwickelt dazu ein Konzept der "kooperativen Radar-Video-Sensorfusion". Hierzu werden Infos diverser Sensoren ausgetauscht, um die Datenverarbeitung des jeweils anderen Sensors zu beeinflussen. Das soll die Fehlalarme deutlich reduzieren. Beispielsweise konnten die Forscher auf diese Weise Fußgänger und Radfahrer in einer Stadt um 20 Prozent genauer verfolgen, bei einfachen Szenarien stieg die Präzision sogar um etwa 40 Prozent.
Data Mining

Durch die Zusammenarbeit komplexer Sensorik und Aktorik kann schneller auf viele Verkehrssituationen reagiert werden.
Die Auswertung von vielen Daten kann wichtige Erkenntnisse bringen: Wo regnet es wie stark, wo entsteht Glatteis, wo entstehen Staus? Diese Datenauswertung nennt man unter Fachleuten Data Mining. Die Informationen werden im Auto ohnehin gebraucht, etwa um die Scheibenwischer einzuschalten. Sie könnten aber auch für Starkregenvorhersagen verwendet werden. Im Endeffekt könnten durch eine rechtzeitige und treffsichere Warnung sogar Menschenleben gerettet werden. Man denke nur an das Unwetter im Ahrtal. Es könnten Umleitungsempfehlungen in die Navigationssysteme der Autos gesendet werden.
Und hier kommt die Stauerkennung mittels Smartphone ins Spiel. Wer Google Maps nutzt, sieht Staus und Verkehrsverdichtungen auf der Landkarte, auch solche, die von den Verkehrsnachrichten im Radio nicht gesendet werden. Das Handy bewegt sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit. Wenn es sich nicht bewegt, steht das Fahrzeug. Der Server wertet die verschiedenen auf der Straße stehenden oder fahrenden Autos aus und merkt: Hier entsteht ein Stau, und dort fahren die Autos. Diese Information wird an die Verkehrsleitstelle weitergegeben, die dann Umleitungsempfehlungen errechnet.
Glätteerkennung durch ABS-Sensoren
Sollte die ASR- oder ABS eines Autos aktiv werden, kann das Steuergerät über die GPS-Position ableiten, wo Glätte auftritt. Aus diesen Informationen könnte eine Karte mit Gefahrenzonen erstellt werden.