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Taycan muss für Software-Updates in die Werkstatt
Kann Porsches E-Auto kein Over The Air?

Der Taycan fährt elektrisch, er ist aber kein Tesla. Das merken die Kunden jetzt an den ersten Software-Updates: Dafür müssen sie in die Werkstatt.

Porsche Taycan Cockpit
Foto: Porsche

Over-the-Air-Updates haben sich zu einer Art Gradmesser dafür entwickelt, wie modern ein Auto ist. Neben dem Elektroantrieb trägt die Update-Fähigkeit viel zum Image von Tesla als innovativstem Autohersteller bei. Spätestens seit September 2017, als der US-Hersteller vielen seiner US-Kunden medienwirksam mehr Batteriereichweite zur Flucht vor Hurricane Irma bereitstellte, einfach per Software-Update übers Datennetz (Over The Air, OTA) wie bei einem Handy, wenn das Betriebssystem aktualisiert wird, war dem Letzten klar: Teslas haben nicht nur einen lokal emissionsfreien Antrieb, sondern sind im Gegensatz zu anderen Autos Software-zentrierte Elektronik-Produkte.

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Konventionelle Autos wirkten dagegen wie vergleichsweise einfach gestrickte Analog-Hardware, die einmal verbaut, schneller altert als die Frühjahrsmode. Mit der Dynamik der Software-Entwicklung können die Facelifts der Automodelle nicht ansatzweise mithalten. Und dabei bleiben die Besitzer der Pre-Facelift-Modelle außen vor, ihnen bleibt allenfalls der höhere Wertverlust, weil ihr Fahrzeug nicht mehr aktuell ist. Anders bei Handys: Ständig neue Apps, neue Möglichkeiten, neue Updates – sie fallen erst als alt auf, wenn ihre Hardware nicht mehr leistungsfähig genug ist für neue Software. Oder wenn sie defekt sind, weil der Hersteller ihnen weniger Haltbarkeit mitgibt, damit er überhaupt neue Geräte verkaufen kann.

Over-The-Air-Updates alleine sind nicht die Revolution

Das Tesla Model S kam 2013 nach Europa und wurde seitdem äußerlich nur in wenigen Details verändert. Innerlich, bei der Software, änderte es sich hingegen ständig. Die Sehnsucht der Tesla-Jünger nach äußeren Modifikationen hält sich in Grenzen.

Hinter den OTA-Update steht die revolutionär neue Elektronik-Architektur mit einem bzw. wenigen Zentralrechnern und einem Betriebssystem wie bei einem Elektronikprodukt, während die etablierten Autobauer über Jahre evolutionär ein System mit teils über 100 dezentralen Steuergeräten (kleinen Rechnern) entwickelt haben, das längst an seine Grenzen gestoßen ist. Dazu kommt, dass die meisten Steuergeräte von Zulieferern kommen, mit eigener Software, für die die Autobauer sogar Lizenzgebühren bezahlen müssen. Und doch müssen alle Steuergeräte miteinander vernetzt sein, miteinander in einem Netzwerk kommunizieren können. Dieses babylonische Software-Gewirr ist generell schwierig upzudaten, schon gar nicht over the air. Schließlich kennt der Autobauer den Code jedes einzelnen Steuergeräts gar nicht. Und nicht jeder dieser Mini-Computer hat Kontakt zur SIM-Karte im Auto.

Der Taycan kann OTA-Updates – aber nicht für alles

Weil aber OTA-Updates zum Synonym für Fortschrittlichkeit geworden sind und den Kunden Werkstattaufenthalte ersparen, versuchen die Autohersteller ihre dezentrale Elektronikarchitektur dafür zu ertüchtigen. Denn eine neue Elektronikarchitektur für alle Modelle eines Autobauers, der jährlich mehrere Millionen Fahrzeuge baut, ist eine Mammutaufgabe und gehört nicht zum Kerngeschäft der Hersteller. VW versucht es gerade erstmals mit dem ID.3, mit den bekannten Problemen, und baut dafür ein eigenes Unternehmen im Konzern (software.org) auf.

Die VW-Marke Porsche hat ihr erstes Elektroauto noch mit dezentraler Elektronikarchitektur entwickelt, versprach aber partielle OTA-Fähigkeit. Doch für das erste Software-Update des Taycan bekamen die Kunden analog Post – hübsch altmodisch informiert sie ein Brief, was an ihrem Fahrzeug alles verbessert werden wird – wenn sie sich in die Werkstatt eines Vertragshändlers begeben. Seitens der Tesla-Gemeinde hagelt es Häme ob so viel Rückständigkeit. Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss man sagen, dass Porsche mit dem Taycan einen elektrischen Sportwagen versprochen hat, der reproduzierbar exzellente Fahrleistungen hat, was Tesla lange nicht bieten konnte. Ein voll OTA-Update-fähiges Auto hat Porsche hingegen nicht versprochen.

OTA geht auch ohne Zentral-Rechnerstruktur

Denn nicht alle Steuergeräte sind OTA-fähig. Porsche bemüht sich aktuell, ihre Zahl stetig zu erhöhen. Aber da nicht alle von Porsche sind und die zugelieferten entsprechend für den Hersteller nicht komplett zugänglich sind, kann das aus oben beschriebenen Gründen etwas länger dauern, als der Taycan braucht um zehn Mal hintereinander auf 200 km/h zu beschleunigen und wieder auf Null zu bremsen. Eine überraschende Sensation ist das Werkstattschreiben also nicht, eher ein Zeichen, wie sich die Autohersteller, die ihre Produkt-Entwicklung nicht wie Tesla mit einem weißen Blatt beginnen konnten, mühen, ihren Rückstand bei Elektronik und Software aufzuholen.

Porsche Taycan Frozen Berry
Porsche
Mit diesem Schreiben ruft Porsche Taycan-Kunden zum Software-Update in die Werkstatt.

Wenig souverän ist allerdings die Begründung im Schreiben, warum das Update nicht OTA funktioniert – Porsche schiebt die Datenmenge vor: "Das OTA-System wird bereits für Updates geringen Umfangs genutzt. Bei Verbund-Updates wie diesem wird jedoch eine so große Datenmenge transferiert, dass ein reibungsloses Update im Porsche Zentrum mit einer Hochgeschwindigkeitsleitung sichergestellt wird. Im Anschluss wird die Funktion aller Steuergeräte mit einem Test verifiziert", heißt es in dem Schreiben, das inzwischen auf Social-Media-Kanälen kursiert. Immerhin stimmt der nächste Satz – irgendwie: "Bei einem Technologie-Träger wie dem Taycan ist die Komplexität der Systeme auf einem sehr hohen Niveau, so dass wir uns für dieses Vorgehen entschieden haben." Hinsichtlich der Elektronik-Architektur ist Porsches E-Auto eher kein Technologie-Träger, die Komplexität rührt eher von der Vielzahl Steuergeräte her.

Viel Bugfixing beim ersten Offline-Update des Taycan

Die Updates selber sind durchaus nennenswert. So soll das Laden zu Hause verbessert werden, ein vorzeitiger Abbruch vermieden, die Berechnung der Batteriekapazität optimiert werden, die Liftfunktion des Fahrwerks ebenfalls. So soll das eingestellte Fahrzeugniveau beim Neustart nicht mehr verloren gehen, genauso wie die Sitzeinstellung des Gastprofils, das ESP (bei Porsche PSM) bei Bergabfahrt oder im Stop-and-Go-Betrieb besser funktionieren, bislang offenbar sporadisch auftretende Ausfälle der Park-Distance-Control sollen nach dem Update Geschichte sein genauso wie sporadisch auftretende Anzeigen "diverser Meldungen" des Kombiinstruments (16,8-Zoll-Curved-Display). Immerhin das klingt doch sehr nach Bugfixing, wie man es von modernen Apps kennt – früher wären die Autos mit solchen Fehlern womöglich gar nicht zum Kunden gelangt – da wirkt der Taycan also schon sehr fortschrittlich.

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verlockend, weil Autos dann ähnlich gut zu bedienen und immer up to date sind.erschreckend, weil die Unsicherheit von Software-Bugs in einem Auto gefährlich sind.

Fazit

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen – beim ersten Taycan-Update ist der Spott sicher größer, als der Schaden. Denn die Bugs, die Porsche jetzt in seinen Werkstätten ausmerzen will, sind im Vergleich zu den Verarbeitungsmängeln an banaler Hardware, mit denen Tesla aktuell Model Y ausliefert, läppisch. Vor allem kann die auch Tesla nicht OTA nachbessern. Ob die Amerikaner die Mängel überhaupt beheben, scheint Schilderungen aus Foren zufolge ungewiss, während die Schwaben ihre Kunden in die Werkstatt bitten. Immerhin da scheint Porsche Tesla voraus zu sein. Der Brief an die Taycan-Fahrer zeigt aber eben auch, wie weit der digitale Weg noch ist, den klassische Autobauer noch zurückzulegen haben!

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