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Porsche eröffnet E-Fuel-Anlage in Chile
Der Weg zum CO₂-neutralen Verbrenner?

In Europa sind E-Fuels umstritten. Porsche startet trotzdem mit der Produktion – die Pilotanlage in Chile ist eröffnet und soll aus Windstrom grünen Sprit machen.

Porsche E-Fuel-Anlage, Punta Arenas, Chile
Foto: Gregor Hebermehl

Punta Arenas in Chile gilt als eine der südlichsten Großstädte – in der Luftlinie beträgt die Entfernung zum antarktischen Festland zirka 1.400 Kilometer – bis nach Berlin ist es mit 14.000 Kilometer zehnmal so weit. Aus einer Strafkolonie hervorgegangen, war Punta Arenas mal ein Zentrum der Schafzucht – heute weiden zwar Schafe rechts und links der wenig befahrenen Straßen in der Umgebung, aber Reichtümer bringt deren dicke Wolle schon lange nicht mehr. Auch den Walfang gibt es zum Glück nicht mehr und seit der Eröffnung des Panamakanals 1914 müssen Schiffe nicht mehr durch die vor der Küste gelegene Magellanstraße fahren, was zu einem Niedergang des Handels geführt hat. Geblieben sind unter anderem Touristen sowie ein ziemlich konstant wehender kräftiger Wind. Diese Ressource zapft Porsche jetzt zirka 43 Fahrkilometer nördlich von Punta Arenas an – und stellt mit ihrer Hilfe CO2-neutrale Kraftstoffe her.

Unsere Highlights

2017 kamen zwei Porsche-Ingenieure auf die Idee, mithilfe von Windkraftanlagen und aus der Umgebungsluft gewonnenem Kohlenstoff-Dioxid (CO2) im äußersten Süden von Chile synthetischen Kraftstoff herzustellen und somit einen natürlichen CO2-Kreislauf zu imitieren. Den Porsche-Entscheidern gefiel die Idee, freut sich Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner noch heute. Die Vertreter der anderen VW-Konzernmarken empfanden den Vorschlag seinerzeit als Spinnerei. Steiner betont, dass auch in Zukunft der mit Abstand größte Teil der Forschungsgelder in die Weiterentwicklung der Elektromobilität fließt, aber E-Fuels möchte Porsche als kleine Alternative anbieten können.

Langlebigkeit ist nachhaltig

Porsche betont, dass die erste Motivation für die E-Fuel-Produktion keine wirtschaftliche gewesen sei. Aber die Modelle der Marke sind wertstabil und oft sogar mit Wertzuwächsen gesegnet, 80 Prozent aller gebauten Porsche-Fahrzeuge existieren noch heute. Dafür, dass diese klassische Flotte in Zukunft weitestgehend ohne Treibhausgasemissionen fahren kann, braucht sie CO₂-neutrale Kraftstoffe.

Diese können elektrochemische Anlagen unter Einsatz von viel Energie und CO₂ herstellen. Ein paar Liter hat Porsche in seiner Pilotanlage Haru Oni bereits erzeugt und öffentlichkeitswirksam in den Tank eines herkömmlichen 911 gefüllt – die kontinuierliche Produktion läuft Mitte Januar 2023 an. Mit ein paar Additiven versehen entspricht das E-Fuel den Benzinsorten, die aktuell an unseren Tankstellen im Verkauf sind.

Da die großen Ölkonzerne oder andere Firmen nicht von sich aus ins E-Fuel-Geschäft einsteigen wollten, hat Porsche selbst so ein Projekt angestoßen – und daraufhin über die Gesellschaft Highly Innovative Fuels Global (HIF Global) potente Partner gewonnen. Die Hauptverwaltung von HIF Global sitzt im texanischen Houston – und in Texas entsteht gerade ebenfalls eine E-Fuel-Anlage. Die US-Regierung hat im Rahmen des Inflation Reduction Acts vom 16. August 2022 milliardenschwere Steueranreize für Hersteller erneuerbarer Energien beschlossen – E-Fuel-Produzenten gehören zu diesen Herstellern. Solchen Förderungen können Unternehmen naturgemäß nicht widerstehen. Selbst die E-Fuel-Abnahmepreise sind auf dem US-Markt für die kommenden Jahre garantiert – Bedingungen, von denen die Hersteller in Europa nur träumen können. Dort gibt es zwar die REDIII-Richtlinie zu erneuerbaren Energien, aber noch keinen sogenannten Delegated Act (delegierten Rechtsakt), der rechtsverbindliche Vorschriften enthält.

Gegen mit sogenanntem schwarzem CO₂ vollgestopftem Erdöl kann E-Fuel aus grünem CO₂ wirtschaftlich nicht bestehen – die Produktion von einem Liter nachhaltigem Sprit kostet aktuell zirka zwei Dollar (1,87 Euro). Ohne einheitliche und spürbare Förderungen auf europäischer Ebene ergäbe eine E-Fuel-Produktion für Porsche also keinen Sinn – zumindest für den europäischen Markt. Deshalb eröffnen die Schwaben zwar ihre Pilotanlage in Chile, aber es kann durchaus sein, dass die texanische Anlage zuerst in voller Auslastung E-Fuels ausstößt.

Porsche E-Fuel-Anlage, Punta Arenas, Chile
Gregor Hebermehl
Der grüne Tank enthält 1.600 Kubikmeter Rohwasser.

100 Millionen Dollar investiert

Porsche ist mit einem Anteil von 11,6 Prozent bei HIF eingestiegen – das hat 75 Millionen Dollar gekostet (aktuell umgerechnet zirka 70 Millionen Euro). Damit ist Porsche zusammen mit dem US-Energiewirtschafts- und Infrastruktur-Investor EIG der zweitgrößte Anteilseigner an dem Programm für nachhaltige Kraftstoffe – und Entwicklungsvorstand Steiner ist nun zudem Mitglied im HIF-Vorstand. Weitere 25 Millionen Dollar (23 Millionen Euro) hat Porsche direkt in die E-Fuel-Forschung gesteckt. Mit einem Anteil von 74 Prozent ist der fünftgrößte chilenische Energiekonzern Andes Mining and Energy (AME) der mit Abstand größte HIF-Anteilseigner, weitere Anteile halten die texanische Erdöl-Service-Gesellschaft Baker Hughes (1,5 Prozent) und das auf Dekarbonisierung der Luft spezialisierte indische Unternehmen Gemstone Investments. HIF-Partner sind unter anderem Siemens Energy, der US-amerikanische Mineralölkonzern Exxon Mobil, das chilenische Mineralölunternehmen ENAP und der italienische Energiekonzern Enel. Exxon Mobil hat beispielsweise vor 20 Jahren den komplizierten Prozessschritt zur Produktion von Methanol aus Wasserstoff entwickelt und patentiert. Von Siemens kommt die Technik für die Elektrolyse und das spanisch-deutsche Windtechnik-Unternehmen Siemens Gamesa liefert die Windkraft-Anlagen.

Bisher steht allerdings nur ein Windrad in der weiten Graslandschaft – es hat einen Durchmesser von 134 Meter, eine Nabenhöhe von 80 Meter und kann bis zu 3,6 Megawatt Strom erzeugen. In einer nächsten Ausbauphase sollen 40 und später dann 400 Windräder Strom in die E-Fuel-Anlage kurbeln. Mit den bereits jetzt für das Projekt gepachteten Flächen soll eine Stromerzeugung in Höhe von 50 Megawatt möglich sein.

Windüberschuss in Deutschland nicht ausreichend

Sämtliche am Projekt beteiligte Verantwortliche betonen, dass sich eine solche E-Fuel-Produktion nur in einer Region wie der in Chile lohnt. In Punta Arenas laufen die Windräder 60 Prozent der Zeit im Volllastbereich, an Standorten etwas weiter nördlich sogar in 68 Prozent der Zeit – der Bereich gehört zur sogenannten Westwindzone in Patagonien. Auf der Nordsee sind 55 Prozent und auf dem Land sind in Deutschland gerade mal 30 Prozent möglich. Für das Umwandeln der wenigen in Deutschland gewonnenen Überschüsse lohnt sich der Aufbau einer teuren E-Fuel-Anlage nicht. Und die Produktion von E-Fuels mit Strom aus dem Netz gilt als Verschwendung von Energie. Der Transport des E-Fuels soll anfangs in Fässern erfolgen – für die Auslastung von Tankern reicht das Produktionsvolumen erst ab 2025/2026. Die Transportschiffe sollen mit Methanol-Aggregaten ausgerüstet sein. Das macht den Transport klimaneutral, wenn grünes Methanol getankt wird – aber deutlich teurer. Von solchen Schiffen gibt es außerdem noch nicht viele, aber Maersk, die weltweit größte Container-Reederei, hat 2021 acht mit Methanol betriebene Containerschiffe bestellt. Und gerade der Schiffs- und Flugverkehr sowie die chemische Industrie könnten E-Fuels gut gebrauchen – bei großen Transportschiffen und Flugzeugen ist eine Umrüstung auf Elektroantriebe noch nicht in Sicht. Dabei gehört der Schiffsverkehr zu den am schnellsten wachsenden Quellen für Treibhausgase – und weil er sich viel in internationalen Gewässern abspielt, ist er schwer regulierbar.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann ist ebenfalls bei der Eröffnung in Chile vor Ort. Er unterstützt seinen heimischen Hersteller Porsche beim Thema E-Fuel und betont die Einzigartigkeit der Zusammenarbeit von Firmen und Ländern bei diesem Projekt. Aber er möchte noch viel mehr. Ihm geht es unter anderem darum, die in Baden-Württemberg ansässigen Autobauer und den Flughafen Stuttgart bis 2040 komplett CO₂-neutral zu bekommen – und die Herstellung von synthetischem Kerosin ist etwas komplizierter als die Produktion von künstlichem Benzin oder dessen Vorstufe Methanol. Dass die Produktion von E-Fuels die Entwicklung von E-Mobilität verlangsamt, glaubt der Minister nicht, zu dessen härtesten Kritikern einige seiner eigenen Wähler zählen. Von denen fahren einige ihr Leben lang mit dem Fahrrad zur Arbeit und mit dem Zug in den Urlaub – die haben dann unter Umständen für die Produktion von E-Fuels kein Verständnis. Denen sagt Hermann, dass man von Europa nicht mit dem Zug bis nach Amerika rüberkommt.

Klimaschutz durch E-Fuels für die Bestandsflotte?

E-Fuels können die Schwerindustrie und schwere Transporte in der Luft sowie per Schiff massiv nachhaltiger machen – aber können sie der aktuellen Pkw-Bestandsflotte helfen? 1,2 Milliarden solcher Fahrzeuge sind auf unserem Planeten unterwegs – und diese Fahrzeuge erreichen im Durchschnitt ein Alter von 15 bis 18 Jahren. Aktuell verkaufen die Autohersteller noch erheblich mehr Verbrennungs- als Elektrofahrzeuge – theoretisch könnten also noch fast zwei Jahrzehnte lang sehr viele Hubkolben- und ein paar Wankelmotoren Kraftstoff verbrennen. Hier wäre der Einsatz von E-Fuels ein enormer Gewinn für die Umwelt. HIF Chief Innovation Manager Rolf Schumacher meint: Jedes schwarze Molekül, das wir gegen ein grünes austauschen, zählt. Das gilt natürlich auch für die chemische Industrie: Die größten Erdgasverbraucher sind in Deutschland die Hersteller von Ethylen und Propylen. Schumacher geht davon aus, dass Methanol dort die Produktion nicht nur nachhaltiger, sondern auch effizienter machen wird. Und je mehr "grüne" Moleküle Deutschland anstelle von "schwarzen" Molekülen importiert, desto besser.

Porsche E-Fuel-Anlage, Punta Arenas, Chile
Gregor Hebermehl
In der weiten Graslandschaft fällt nur das 134 Meter hohe Windrad auf - später sollen bis zu 400 Windräder den kräftigen Wind im Süden Chiles anzapfen.

Bedarf könnte schwer zu decken sein

Fraglich ist, ob sich die enormen Mengen an benötigtem E-Fuel überhaupt herstellen lassen. Für die Herstellung von einem Kilogramm Wasserstoff im Elektrolyseverfahren benötigt Schumacher mit seiner Anlage 51 kWh Energie. Wie viel Energie das Gewinnen des CO₂ mittels Direct air capture (DAC) verbraucht, ist noch nicht genau bekannt. Aber die geringe Konzentration von CO₂ (Massenanteil von 0,06 Prozent in der Umgebungsluft), dürfte den Energieaufwand erheblich machen. An der SAPEA (Science Advice for Policy by European Academies) beteiligte Wissenschaftler gehen in einer Studie von 2018 davon aus, dass mindestens 250 kWh pro Tonne CO₂ nötig sind. Die Produktion von einem Liter E-Fuel verschlingt also enorme Mengen von Energie. Prof. Dr. Maximilian Fichtner, Direktor des Helmholtz Institute Ulm (HIU), geht davon aus, dass zur Erzeugung von einem Liter e-Diesel aus CO₂ und Wasserstoff 27 kWh nötig sind – also fast dreimal so viel, wie nachher in einem Liter des Treibstoffs stecken (9,8 kWh). Ein sparsamer Diesel kommt mit einem Liter etwa 16 Kilometer weit, ein E-Auto schafft mit der darin steckenden Energiemenge rund 50 Kilometer. Mit der zur Herstellung des e-Diesels erforderlichen Energiemenge fährt das E-Auto sogar etwa 135 Kilometer weit.

In der HIF-Anlage in Chile sollen ab 2026 jährlich 550 Millionen Liter E-Fuel entstehen. Der Energieaufwand läge mit den oben genannten Zahlen bei 14,85 Terawattstunden (TWh). Mit knapp der zehnfachen Energiemenge könnten alle Autos in Deutschland ein Jahr fahren – wenn sie elektrisch angetrieben wären.

Kraftfahrzeuge verbrauchen in Deutschland jährlich aber 47 Milliarden Liter Sprit – die 550 Millionen Liter E-Fuel aus Chile würden also nur 1,17 Prozent des deutschen Bedarfs decken. Für die Herstellung von 47 Milliarden Litern Sprit wären hingegen etwa 1.269 TWh Energie nötig – das entspricht etwa 53 Prozent des Endenergieverbrauchs von Deutschland im vorpandemischen Jahr 2019. Andererseits könnte Chile laut einer Studie, die das chilenische Energieministerium in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH erstellt hat, jährlich bis zu 5.000 TWh erneuerbaren Strom erzeugen – bei einem jährlichen Eigenbedarf von aktuell gerade mal 75 TWh. Den Verbrauch von 1,2 Milliarden Kraftfahrzeugen weltweit mit E-Fuels zu decken, wirkt allerdings trotzdem sehr ambitioniert, insbesondere weil andere Transportsektoren, wie Schiff- und Luftfahrt, mangels Alternativen viel eher auf den synthetischen Kraftstoff angewiesen sind.

Standortwahl hängt stark von Fördergeldern ab

Der Ingenieur Schumacher hat 15 Jahre lang bei Siemens in Chile gearbeitet, darunter als General Manager der Power Generation Division. Er brennt für E-Fuels und kennt die Anlagen in Chile sowie Texas in- und auswendig. Diese Anlagen produzieren mithilfe stabiler und energiearmer CO₂-Moleküle höherwertige Produkte wie Methanol oder im nächsten Schritt dann eben synthetisches Benzin. In Punta Arenas kommt aktuell am Ende Methanol heraus. Ob der finale Schritt zur Spritproduktion vor Ort, oder vielleicht später bei einer Raffinerie in Deutschland erfolgt, ist noch nicht entschieden. Im Gespräch ist hier die in Karlsruhe ansässige Miro Mineralölraffinerie Oberrhein. Der Energieaufwand für diesen letzten Umwandlungsschritt soll gering sein. Aber ohne den oben erwähnten Delegated Act der EU sieht Schumacher den gesamten Standort Chile wackeln.

Schumacher weist darauf hin, dass es eine der größten Herausforderungen ist, kontinuierlich E-Fuel herzustellen, denn selbst in Chile weht der Wind unterschiedlich stark. Insbesondere bei der Elektrolyse-Anlage waren dafür intensive Entwicklungsarbeiten nötig. Und das benötigte CO₂ möchte Porsche eigentlich per oben genanntem DAC aus der Umgebungsluft gewinnen. Das Verfahren ist sehr energie- und kostenintensiv – und in Punta Arenas noch nicht etabliert. Deshalb liefern aktuell Tankwagen das CO₂ – Dioxido de Carbono (Kohlenstoff-Dioxid) steht auf dem großen Linde-Lkw, der direkt an die E-Fuel-Anlage angeschlossen ist. Der Handel mit physischem Kohlendioxid ist nicht neu, sondern seit Jahrzehnten in großem Stil etabliert – die Lebensmittel-Industrie benötigt beispielsweise jährlich große Mengen dieses Gases. Der Bedarf an nachhaltig gewonnenem CO₂ dürfte mit Einführung von E-Fuels steigen, womit sich das Gas vom Abfallprodukt zum begehrten Rohstoff wandelt.

Wichtiger Arbeitgeber in strukturschwacher Region

Die E-Fuel-Anlage in Punta Arenas hilft nicht nur, fossile Energieträger durch nachhaltige zu ersetzen – sie hilft der Region. Porsche und seine Partner haben längst die Berufsbilder für die benötigten Mitarbeiter vorgedacht und die Ausbildung heimischer Arbeitskräfte vorbereitet. Die Menschen in der strukturschwachen Region freuen sich auf den neuen Arbeitgeber, der zudem bereits Unterkünfte und weitere Infrastruktur für das Personal baut. In der Pilotanlage sind aktuell 120 Menschen beschäftigt. Ein Standortvorteil ist zudem die dünne Besiedlung – kaum jemand dürfte sich von den Windkraft-Anlagen gestört fühlen. Vogel-Flugrouten sind bei der Standortwahl berücksichtigt und Schafe können weiterhin auf den Flächen weiden. Chile möchte zudem noch mehr Touristen anlocken und dafür umweltfreundlicher werden. So dürfen beispielsweise seit Anfang 2020 Geschäfte keine Plastiktüten mehr ausgeben. Bis 2035 soll mehr als die Hälfte des chilenischen Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen, 2050 möchte das Land komplett CO₂-neutral sein.

Die anfangs kleinen Produktionsmengen tankt Porsche in die Fahrzeuge, die an Fahrertrainings der Porsche Experience Center teilnehmen. Außerdem fahren die Rennautos des Porsche Mobil 1 Supercup mit dem in Chile produzierten E-Fuel – schließlich sollen im Anlaufjahr 2023 zirka 130.000 Liter E-Fuel in der Anlage entstehen, von denen mit 65.000 Liter die Hälfte für die Rennserie vorgesehen ist. Jetzt, wo die ersten Liter E-Fuel aus den Leitungen fließen, interessieren sich übrigens auch andere VW-Marken für den nachhaltigen Kraftstoff und lassen sich permanent über den Entwicklungsstand unterrichten.

Umfrage
E-Fuels sind ...
6540 Mal abgestimmt
... so ineffizient, dass sie nur dort zum Einsatz kommen sollten, wo es keine Alternativen gibt.... eine weitere Möglichkeit, den Verkehr umweltfreundlicher zu machen.

Fazit

In Europa hat sich die Diskussion um klimaneutrale E-Fuels bisher sehr auf den Wirkungsgrad dieser synthetischen Kraftstoffe fokussiert – und in Sachen Wirkungsgrad können E-Fuel-Antriebe nun mal nicht mit reinen Elektroantrieben mithalten. Allerdings gehört zu einem realistischen Blick auf die gegenwärtige Verkehrs-Situation auch, dass weltweit 1,2 Milliarden Verbrennungsmotor-Fahrzeuge unterwegs sind – und bis 2035 werden es wohl 1,3 Milliarden sein. Diese Autos könnten dann noch zirka 18 Jahre fahren. E-Fuels könnten deren CO2-Ausstoß theoretisch reduzieren – wenn denn genügend nachhaltig gewonnene Energie für ihre Produktion zur Verfügung steht. Zweifel daran sind wegen des enormen Energiebedarfs berechtigt. Zudem bräuchten andere Verkehrssektoren und die chemische Industrie sehr viel dringender synthetische Kraftstoffe, weil es dort kaum praktikable Alternativen gibt. Für die Fahrer klassischer Sportwagen wird Porsche wohl immer genug E-Fuels anbieten können – dass die gerade entstehende E-Fuel-Industrie mittelfristig die komplette Verbrenner-Bestandsflotte versorgen kann, wirkt unwahrscheinlich.

Den größten Einfluss hätten E-Fuels beim Einsatz in der chemischen Industrie, der Schwerindustrie, bei der Schifffahrt und im Luftverkehr. Selbst wenn Deutschland zu 100 Prozent nachhaltige Energie zur Stromerzeugung nutzte, müsste es immer noch dreiviertel seiner Energie importieren – und E-Fuels lassen sich gut speichern sowie transportieren, wobei Methanol hier gegenüber dem Vorprodukt Wasserstoff deutlich im Vorteil ist.

Porsche hat zusammen mit Partnern die E-Fuel-Produktion mittels per Windkraft gewonnener Energie in seiner Pilotanlage im chilenischen Punta Arenas gestartet. Die anfänglich produzierten Mengen verbraucht Porsche komplett selbst. Der Entwicklung von E-Mobilität schadet die E-Fuel-Produktion wohl nicht – in deren Weiterentwicklung investiert Porsche nach wie vor den mit großem Abstand größten Teil seines Forschungs-Budgets.

E-Fuels werden kein "Weiter-wie-bisher"-Kraftstoff, bei dem sich für Autofahrer und Werkstätten nichts ändert. Im Pkw-Verkehrssektor könnten sie helfen, die Bestandsflotte umweltfreundlicher fahren zu lassen, etwa durch Beimischung – für einen begrenzten Zeitraum. Und Klassik-Liebhaber können ihre Fahrzeuge mit E-Fuels jahrzehntelang oder länger betreiben.

Der Bau weiterer E-Fuel-Anlagen in den USA, in Kanada, Australien und Nordafrika sowie im Mittleren Osten ist bereits geplant. Damit E-Fuels in Europa klassisch aus Erdöl gewonnenen Sprit verdrängen können, sind allerdings massive Förderregelungen nötig. In dieser Hinsicht sind die USA mit ihrem Inflation Reduction Act weit vorgeprescht.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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