MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"28343972","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}

Karosserietechnik
Effizienz durch Leichtbau

Je leichter ein Fahrzeug ist, desto weniger Energie benötigt es, um sich zu bewegen. Der Leichtbau spielt deshalb eine essenzielle Rolle – bei Effizienz und Dynamik. Ein Blick auf die Geschichte der Technik.

TechnikProfi_2023_12_01_11
Foto: ETH Zürich, Porsche, Renault Alpine, Küster

Ein Fahrzeug besonders leicht zu machen, hat in Sachen Fahrdynamik und Effizienz viele Vorteile. Ob Serienfahrzeug, Rennwagen, Versuchs- oder Rekordauto – die Reduzierung der Masse ist meist der Schlüssel zum Erfolg. Weniger Masse bedeutet weniger Arbeit für Antrieb, Fahrwerk und Reifen. Ein extremes Beispiel für Leichtbau ist der Porsche 909 Bergspyder aus dem Jahr 1968.

TechnikProfi_2023_12_01_1
ETH Zürich, Porsche, Renault Alpine, Küster

Extremen Leichtbau demonstrierte der Rennwagen Porsche 909 Bergspyder aus dem Jahr 1968. Er ging vollgetankt mit unfassbar leichten 384 Kilogramm Gewicht an den Start

Unsere Highlights

Gewicht runter, schneller rauf

Der letzte Porsche der erfolgreichen Bergrennwagen-Ära ging vollgetankt mit unfassbar leichten 384 Kilogramm Gewicht an den Start. Mit dieser Entwicklung machte sich Ferdinand Piëch als Ingenieur bei Porsche einen Namen, lange bevor er Audi- und dann Volkswagen-Boss werden sollte. Bei diesem Fahrzeug wurde wirklich alles technisch Mögliche durch leichte Werkstoffe ersetzt. Aluminium, Titan und sogar sündhaft teures Beryllium wurde hier verbaut: Die Gewichtsersparnis durch Werkstoffe wie Beryllium ist enorm. Beispiel Bremsscheiben: Nur 850 Gramm wog eine Bremsscheibe des 909, während die identische Version aus Stahl 3,2 Kilogramm auf die Waage brachte.

TechnikProfi_2023_12_01_2
ETH Zürich, Porsche, Renault Alpine, Küster

Superleicht auch der mit einer hauch-dünnen Aluminiumhaut beklebte Gitterrohrrahmen. Die Bremsscheiben in leichten Titansätteln waren aus unfassbar teurem Beryllium und wogen nur 850 Gramm.

An Bauteilen wurden festere und schwerere Werkstoffe, wo sie unvermeidlich waren, durch Bohrungen an unkritischen Stellen abgespeckt, sodass im Fahrzeug regelrecht perforierte Stahlteile verbaut wurden. Diese Radikaldiät brachte die Ingenieure sogar dazu, ganze Baugruppen wegzulassen. Benzinpumpe und Tank wurden beispielsweise durch eine Titankugel mit einer darin liegenden Treibstoffblase ersetzt, der Zwischenraum wurde mit Stickstoff unter Druck gesetzt. Der Stickstoff presste den Treibstoff zur Vergaseranlage des Boxermotors. Auch die Lichtmaschine wurde durch eine leichtere Silber-Batterie ersetzt, die ausreichend Zündfunken für eine kurze Sprintdistanz lieferte. Die offene Karosserie des Fahrzeugs bestand aus hauchdünnem GFK und wurde auf das Stahlrohrrahmen-Chassis geklebt.

TechnikProfi_2023_12_01_3
ETH Zürich, Porsche, Renault Alpine, Küster

Auf Kraftstoffpumpe, Generator und übliche Bleibatterie wurde verzichtet. Der Kraftstoff etwa wurde aus einer mit Stickstoff unter Druck gesetzten Blase zu den Vergasern befördert.

Ganze zehn Kilogramm brachte die Karosserie auf die Waage. Die Fahrleistungen des Fahrzeugs sind beeindruckend: Der 275 PS starke Zweiliter-Achtzylinder-Boxermotor katapultierte den Bergspyder in 2,4 Sekunden auf 100 km/h – Beschleunigungswerte, für die heutige Hypercars 1000 PS und mehr benötigen.

Klein und effizient – der VW XL1

Auch bei Serien- beziehungsweise Kleinserienfahrzeugen zeigt sich, wie effizient Leichtbau sein kann. Hier war es wieder Ferdinand Piëch – in der Zwischenzeit Vorstandsvorsitzender von Volkswagen –, der mit dem VW XL1 ein Fahrzeug bauen wollte, das mit weniger als einem Liter Diesel auf 100 Kilometer auskam.

TechnikProfi_2023_12_01_4
ETH Zürich, Porsche, Renault Alpine, Küster

Auch das Sparwunder Volkswagen XL1 setzte auf extremen Leichtbau. Der angestrebte Verbrauch von unter einem Liter Diesel pro 100 km wurde in der Praxis nur knapp verfehlt.

Das an den Heinkel Kabinenroller erinnernde Fahrzeug wog in der Prototypenversion Studie 1L aus dem Jahr 2002 ganze 390 Kilogramm und erreichte einen cW-Wert von 0,159. Die Prototypenflunder schaffte tatsächlich einen Verbrauch von 0,89 Litern Diesel auf 100 Kilometer.

Die spätere, alltagstauglichere Kleinserien-Variante wog dann aber 795 Kilogramm und realisierte als Plug-in-Hybrid einen Verbrauch von 1,84 Litern Diesel.

TechnikProfi_2023_12_01_5
ETH Zürich, Porsche, Renault Alpine, Küster

Carbon-Leichtbau, Dieselhybrid, extreme Leichtlaufeigenschaften und niedrigster Luftwiderstand waren das Geheimnis der Wolfsburger Sparflunder.

Weltrekorde mit Extremleichtbau

Noch extremer geht es bei den reinen Versuchsfahrzeugen zu, die beim regelmäßig stattfindenden Shell Eco-Marathon antreten, um Rekorde in Sachen Treibstoff- und Energieeffizienz aufzustellen.

TechnikProfi_2023_12_01_6
ETH Zürich, Porsche, Renault Alpine, Küster

Extremer Leichtbau, kleinster Strömungsquerschnitt und superleicht rollende Räder erlauben Weltrekordfahrzeugen wie dem PAC 2 der ETH Zürich Reichweiten über 5000 Kilometer aus einem Liter Kraftstoff.

Das Experimentalfahrzeug PAC-Car 2 der Schweizer Universität ETH Zürich stellte im Jahr 2005 im französischen Clermont-Ferrand den Weltrekord von 5385 Kilometern mit dem Energieäquivalent von einem Liter Kraftstoff auf. Praxistauglich ist dieses Fahrzeug sicher nicht, aber es zeigt, was in Sachen Effizienz möglich ist.

Das per Brennstoffzelle angetriebene Carbon-Fahrzeug brachte ganze 32 Kilogramm auf die Waage. Natürlich sind diese Fahrzeuge weit weg von Alltagstauglichkeit: Allein die Reifen sind mit einem Rollwiderstand von 0,002 kg/t so widerstandsarm, dass vermutlich die Feuchtigkeit des Morgennebels ausreicht, um das Fahrzeug ins Rutschen zu bringen. Und auch der Fahrer war in dieses Fahrzeug integriert wie ein Akkuschrauber in den werksseitigen Werkzeugkoffer.

TechnikProfi_2023_12_01_7
ETH Zürich, Porsche, Renault Alpine, Küster

Wie ein Maßanzug umschließt die nur 10 Kilo schwere Karosse des Weltrekordfahrzeugs den Fahrer. Gute Rundumsicht, Komfort oder ein Kofferraum standen nicht im Lastenheft.

Trotzdem ist es sicher faszinierend, was – wenn auch nur unter Laborbedingungen und hochgerechnet – derzeit allein über Gewichtsreduzierung möglich ist.

Einige aktuelle Serienfahrzeughersteller bewegen sich schon gegen den Trend, Pkw mit zwei Tonnen und mehr auf die Straßen zu schicken. Das Ergebnis sind Leichtgewichte, denen vor allem die konsequente Schlankheitskur zu viel Fahrspaß und Effizienz verhilft. Was lange das Erfolgskonzept des ehemals britischen Sportwagenherstellers Lotus war, hat der französische Autokonzern Renault beispielsweise mit der Neuauflage der Alpine A110 konsequent umgesetzt. Das vollgetankt und mit allen modernen Sicherheitsfeatures an Bord knapp unter 1200 kg leichte Fahrzeug begeistert viele fahraktive Autofahrer, obwohl die Motorisierung weit weg von den aktuellen PS-Orgien einiger Sportwagenhersteller liegt.

TechnikProfi_2023_12_01_8
ETH Zürich, Porsche, Renault Alpine, Küster

Das Geheimnis der überaus sportlichen Längs- und Kurvendynamik der aktuellen Renault Alpine A110 ist ihr – dank konsequentem Leichtbau – niedriges Gewicht.

Leichtbau-Sportler Renault Alpine

Angetrieben wird der Sportwagen von einem 252 PS leistenden 1,8-Liter-Turbo-Mittelmotor, der die Alpine via schnell schaltendem 7G-Doppelkupplungsgetriebe in knapp 4,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h katapultiert. Wesentlichen Anteil am Leichtgewicht des Fahrzeugs hat die Karosserie. Sie besteht zu 96 Prozent aus Aluminium.

TechnikProfi_2023_12_01_9
ETH Zürich, Porsche, Renault Alpine, Küster

Die Karosserie der Alpine ist über- wiegend aus Aluminium gefertigt. Zusätzlich kommen in den Längsträgern hochfeste Stahlbleche – Tailored Blanks – zum Einsatz.

Soll es für den Renneinsatz noch etwas leichter werden, kommen in einer nochmals gewichtsoptimierten Alpine-Version, der radikalen A110 R, teils auch hochfeste Carbon-Teile zum Einsatz. So ist die Fronthaube hier komplett aus leichtem Kohlefaser-Verbundwerkstoff, ebenso die Schwellerleisten. Aerodynamikteile wie der Diffusor am Heck sind aus Kohle- und Glasfaser gefertigt. Statt der Heckscheibe des Straßenmodells gibt es nun nur noch eine ultraleichte Carbon-Abdeckung mit zwei kleinen Lufteinlässen für den Motor, der Innenspiegel wird gar nicht erst eingebaut.

Rotierende Masse – effizient und leichter mit Carbon

Da Gewichtseinsparung bei rotierenden und ungefederten Massen besonders viel Wirkung zeigt, wurden für die A110 R gemeinsam mit dem Rennprototypen-Hersteller Duqueine extra leichte Räder entwickelt. Die schicken 18-Zöller bestehen aus Carbon und sind pro Rad rund 3,2 Kilo leichter als die Standard-Alufelge der Alpine A110 S. Da in einem für die Rennstrecke optimierten Auto Dämmmaterial jeglicher Art nichts verloren hat, lassen es die Ingenieure aus Dieppe einfach weg.

TechnikProfi_2023_12_01_10
ETH Zürich, Porsche, Renault Alpine, Küster

Fertigungsroboter im Alpine-Werk im französischen Dieppe verbinden Elemente der Rahmenstruktur der Fahrgastzelle. Ansatzweise ist die komplexe Struktur der Längsträger zu erkennen.

Die Türöffner werden durch Zugschlaufen ersetzt. Mit Sitzschalen aus Carbon, Sechspunkt-Hosenträgergurten aus dem Rennsport und einer verstärkten und erleichterten Bremsanlage erreicht die A110 R ein Startgewicht von lediglich 1082 Kilogramm. Das sind 34 Kilogramm weniger als die ohnehin schon vorbildlich leichte Standard-Alpine A110 S. Mit dem in diesem Fall auf 300 PS leistungsgesteigerten Motor fällt das Leistungsgewicht so auf nur noch 3,9 Kilo pro PS. Leicht macht flink, auf Tempo 100 sprintet der flache Franzose bei aktiviertem Launch-Control-Start in beeindruckenden 3,9 Sekunden – eine Beschleunigungszeit, für die viele Supersport-Boliden weit mehr PS an den Start bringen müssen.

Umfrage
Kann ein auf Leichtbau spezialisierter Hersteller im Elektrozeitalter bestehen?
7444 Mal abgestimmt
Ja - ultimativen Leichtbau werden sich doch die meisten Hersteller gar nicht leisten wollen.Nein - Traktionsbatterien werden noch über Jahre ausgesprochen schwer sein.

Fazit

Die Formel "Gewicht runter, Effizienz rauf" ist zwar alles andere als neu, sie wird aber sicherlich in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Vor allem die eingesetzten Materialien werden dabei immer wichtiger werden, gerade weil im Elektrozeitalter jede Kilowattstunde zählt.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 15 / 2024

Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten