Liqui-Moly-Marketingleiter Marco Esser im Interview

Liqui-Moly-Marketingchef Marco Esser im Interview
„Mit Verbrennern gehe ich in Rente“

Veröffentlicht am 01.02.2025
Marco Esser Liqui Moly
Foto: Liqui Moly
Nachhaltigkeit ist überall ein Riesenthema. Wie wirkt sich das bei Liqui Moly aus?

Zunächst einmal ist natürlich jedes Auto, das nicht produziert wird, nachhaltig. Mit unseren Produkten zielen wir auf den Werterhalt und eine lange Lebensdauer von Fahrzeugen. Aber auch das Thema Motorsauberkeit und Kraftstoffeffizienz gehen wir mit unseren Produkten an, denn so lassen sich Schadstoffemissionen eindämmen. Was unsere Produktion und Logistik angeht, setzen wir auf einen bewussten Umgang mit Energie und Ressourcen. Wir wollen unseren CO2-Fußabdruck weiter minimieren. Das betrifft im Übrigen unsere ganze Lieferkette, wir stellen hier klare Anforderungen an unsere Partner, die wir jährlich begutachten. Umweltschutz muss am Beginn der Lieferkette umgesetzt werden.

Welche Herausforderungen birgt die Entwicklung nachhaltiger Produkte im Hinblick auf Leistung und Umweltverträglichkeit?

Nachhaltige Produkte sollten ja generell umweltverträglicher sein, per Definition. Das ist kein Widerspruch, keine Herausforderung. Auch in puncto Leistung gibt es da bereits Möglichkeiten, nachhaltige Rohstoffe ohne nennenswerte Qualitätseinbußen zu verwenden. Was uns angeht, so setzen wir weiterhin auf die Erfüllung von Spezifikationen der Automobilindustrie als höchsten Qualitätsansatz. Es ist wie so oft alles eine Frage der Kosten. Nachhaltige Rohstoffe sind um ein Vielfaches teurer, weil sie (noch) schwieriger verfügbar sind. Das heißt, in großen Mengen könnten wir das derzeit gar nicht produzieren. Aus meiner Sicht sind beispielsweise Motoröle aus Pflanzenölen bisher reine Marketinginstrumente, die meiner Meinung nach mehr in Richtung Greenwashing zu sehen sind. Aber sie sind noch nichts für den Massenmarkt.

Gab es dennoch ernste Überlegungen, solche Schmierstoffe anzubieten?

Wir hatten in der Vergangenheit ein Motoröl aus Recycling-Öl, das war allerdings ein Ladenhüter. Wir haben uns ernsthaft damit beschäftigt, den Plan aber für den Moment verworfen, weil es nicht wirtschaftlich produzierbar ist. Wir bleiben aber natürlich an Entwicklungen im Bereich erneuerbarer und biogener Rohstoffe dran.

Wie gelingt es dann, die Produkte in einem so ressourcenintensiven Industriezweig nachhaltiger zu machen?

In der Industrie ist alles ressourcenintensiv. Die graue Energie, die in allen Produkten steckt, findet insgesamt zu wenig Beachtung in der Gesellschaft. Einzelne Produkte rauszupicken, ist aus meiner Sicht zu einfach. Als Unternehmen tun wir alles, um unseren CO2-Fußabdruck kleinzuhalten. Das geht nur so gut wie auch die Infrastruktur der Volkswirtschaften insgesamt ist. Wir produzieren beispielsweise mit 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien. Wir sehen zu, dass wir so viele Rohstoffe wie möglich über den Schifffahrtsweg erhalten, weil es Ressourcen schont. Um nur wenige Beispiele zu nennen.

Und welche weiteren Maßnahmen werden in der Produktion ergriffen, um Energie zu sparen und Emissionen zu reduzieren?

Zu den beiden genannten Punkten kommen unsere modernen Produktionsanlagen hinzu, die wenig Energie verbrauchen. Auch den Einsatz von Spülflüssigkeiten für die Zwischenreinigung der Rohrleitungen in der Produktion haben wir durch den Einsatz der Molchtechnik drastisch reduziert. Insgesamt ist es das Ziel, so effizient wie möglich zu produzieren, gerade auch im Hinblick auf Verpackung, Logistik und Co..

Verpackung ist ein gutes Stichwort. Welche Lösungen haben Sie da parat?

Einwegverpackungen kosten Geld und müssen teuer entsorgt werden. Deshalb bieten wir unseren Kunden verschiedene Konzepte wie zum Beispiel eine Befüllstation zum Abfüllen von gebräuchlichen Werkstattprodukten oder auch wiederbefüllbare Ölfässer, die zwischen uns und den Kunden im Umlauf bleiben. Im vergangenen Jahr haben wir zudem das Verpackungssystem Bag-in Box für unsere Öle eingeführt, das aus einer Kartonage und einem Kunststoffbeutel besteht. Es ist eine Alternative zum gängigen 20-Liter-Kunststoffkanister.

Sie bieten auch ein breites Spektrum an Additiven. Wie tragen sie zur Nachhaltigkeit von Verbrennungsmotoren bei?

Additive schützen vor Verschleiß und Schäden und erhöhen somit die Lebensdauer von Bauteilen und dem Fahrzeug insgesamt. Durch ihre reinigende Wirkung kann zudem der Kraftstoffverbrauch gesenkt werden: Saubere Motoren verbrennen Kraftstoff effizienter, die darin enthaltene Energie wird optimal ausgenutzt. Im Vergleich zu einem mit Ablagerungen verschmutzten Motor verbrauchen sie weniger Kraftstoff, was zu einer Verringerung des CO2-Ausstoßes beiträgt.

Wie lange spielen die Verbrenner Ihrer Meinung nach überhaupt noch eine Rolle?

Das Bild wird – glaube ich – immer verzerrt. In allen Medien sieht, hört und liest man nur noch von E-Mobilität. Das trifft aus meiner Sicht überhaupt nicht den Kernmarkt. Nur ein kleiner, privilegierter Teil der Weltbevölkerung fährt elektrisch. Der Großteil – über 90 Prozent oder noch mehr – fährt Verbrenner und wird weiterhin Verbrenner fahren. Ich wage die Prognose, dass ich mit Verbrennern in Rente gehe. Wie hoch mein Renteneintrittsalter sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Aber das dauert zum jetzigen Zeitpunkt noch ein paar Jahrzehnte.

In welchem Bereich unterstützt Liqui Moly die E-Mobilität, und welche speziellen Produkte haben Sie für Elektro- und Hybridfahrzeuge im Angebot?

Unser Sortiment für Elektro- und Hybridfahrzeuge umfasst spezielle Getriebeöle, eine Bremsflüssigkeit, eine Batteriekühlflüssigkeit, einen Kühlerfrostschutz und ein Hybrid-Additiv. Zudem bieten wir ein Kühlmittel speziell für Brennstoffzellenfahrzeuge an. Dieses Angebot wollen wir sukzessive erweitern.

Welche anderen technologischen Trends, zum Beispiel E-Fuels oder Wasserstoffantriebe, halten Sie für zukunftsweisend?

Ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft einen Mix aus allen Antriebsarten haben werden. Aber das kommt natürlich auch auf die politische Zielsetzung an. Global werden konventionelle Antriebe aus meiner Sicht jedenfalls noch bis weit ins Jahrhundert hinein dominant bleiben.

Und wo sehen Sie sich in den nächsten Jahren bei dieser Entwicklung?

Wir internationalisieren uns stetig. Im Export erzielen wir mit Abstand den größten Umsatz, und wir wachsen stark im Ausland. Die wichtigsten Märkte sind hier die USA, Südamerika, Asien und Afrika. Wir werden immer ein Motoröl- und Additivhersteller bleiben. Das ist unser Kerngeschäft, das wir mit anderen Produkten ergänzen. Alle Prognosen sagen, dass der Schmierstoffmarkt in den nächsten Jahrzehnten weiter wächst. Ganz einfach, weil der Fahrzeugmarkt immer weiter wächst und Fahrzeuge insgesamt länger in Betrieb bleiben. Von diesem Trend profitieren wir: Wir haben im Jahr 2024 die Milliarde Umsatz geschafft. Wachsen wir weiter so stark wie in den letzten Jahren – und danach sieht‘s aus –, wissen Sie, wo die Reise für uns hingeht.

Inwiefern beeinflussen gesetzliche Anforderungen zur Nachhaltigkeit Ihr tägliches Geschäft?

Beeinflussen klingt in diesem Zusammenhang meistens negativ. Wir müssen als Gesellschaft insgesamt nachhaltiger werden, das ist doch klar. Ohne Gesetze und Regeln geht das nicht. Diese Gesetze befolgen wir – und wo immer möglich, gehen wir als Unternehmen noch einen Schritt weiter.

Wie lässt sich Ihr Bestreben zu mehr Nachhaltigkeit in Zahlen festhalten?

Mehr Nachhaltigkeit kostet in der Regel mehr Geld. Egal, ob es Ökostrom, recycelter Kunststoff, eine effiziente, nachhaltige Logistik oder aber faire Löhne sind – die eben auch einen Teil von Nachhaltigkeit darstellen. Wenn man Liqui Moly kauft, dann kauft man das Komplettpaket. Wir stehen nach wie vor und auch in Zukunft für ausgezeichnete Qualität und höchste Standards.

Vita

Marco Esser ist seit dem 1. Januar 2025 Marketingleiter der Liqui Moly GmbH. Zuvor war er stellvertretender Marketingleiter und bis März 2024 Leiter der Unternehmenskommunikation des Ulmer Schmierstoffspezialisten, der im letzten Jahr zum ersten Mal die Marke einer Milliarde Euro Umsatz erreicht hat. In seiner neuen Rolle verantwortet er nun alle globalen Marketingaktivitäten des Unternehmens.