Die Anwendung von KI in der Automobilindustrie ist umfassend und findet auch nicht erst seit dem Hype rund um ChatGPT statt. Automobilhersteller haben schon früh damit begonnen, Machine Learning und andere Modelle einzusetzen. KI-Anwendungen sind in der gesamten Wertschöpfungskette zu finden, angefangen von der Entwicklung, über Produktion bis hin zu KI im Fahrzeug. Bekannte Beispiele sind der KI-Einsatz für die Sprachassistenten im Fahrzeug oder die Nutzung Künstlicher Intelligenz in der Produktion, um Maschinenfehler und Qualitätsprobleme frühzeitig zu erkennen. Auch Fahrerassistenzsysteme können nur dank KI ermöglicht werden. In den letzten zwei bis drei Jahren hat sich gerade bei diesen Anwendungen viel getan.
Die Verbreitung von KI wird fortlaufend zunehmen. Es wird keinen Bereich geben, der nicht von KI unterstützt werden wird. Wir befinden uns am Anfang des nächsten Plattformwechsels. Ähnlich wie beim Wechsel zu Cloud-Diensten oder Software as a Service werden wir über die nächsten Jahre eine Flut an KI-Anwendungen sehen und das über die gesamte Wertschöpfung in der Automobilindustrie.
Wir werden beides sehen. Es wird zu Revolutionen kommen, z.B. beim Automatisierten Fahren oder bei der Bedienung im Digitalen Cockpit. Die Kombination von modernen KI-Modellen, leistungsfähigen Computern im Fahrzeug, Sensorik und Kapital sorgen dafür, dass neue Funktionen zu günstigen Preisen ermöglicht werden, die eine schnelle Verbreitung ermöglichen. Viele Prozesse in Unternehmen werden durch den Einsatz von KI effizienter, da würde ich eher von einer Evolution sprechen. Das beginnt bei KI-unterstützter Software-Entwicklung, reicht über KI-Anwendungen in der Forschung und endet bei der optimierten Kundenansprache. Durch den Einsatz lassen sich große Datenmengen verknüpfen und auswerten, und das mit geringeren Kosten und besseren Ergebnissen.
Es ist noch schwer absehbar, welche Bereiche am meisten profitieren werden. Klar ist aber, dass die KI-Revolution sowohl Kunden als auch Mitarbeitern zugutekommen wird. Alle datengetriebenen Bereiche sind prädestiniert für den Einsatz von KI-Anwendungen.
Ich würde keinen Bereich ausschließen, sondern eher unterscheiden, ob KI aktiv oder indirekt eingeführt wird. In manchen Bereichen macht es absolut Sinn, die Entwicklung und den Einsatz von KI voranzutreiben, etwa bei der Software-Entwicklung, der Cybersicherheit, den Assistenzsystemen und dem Automatisierten Fahren. Andere Bereiche, wie z.B. das Personalwesen oder Marketing werden indirekt mit KI-Anwendungen konfrontiert, da sie Software nutzen, die KI-Elemente enthalten.
Hier müssen wir definitiv unterscheiden und eine unserer Handlungsempfehlungen ist es, dass Anwendungsfälle, Ziele und das Geschäftsmodell zuerst beschrieben und dann bewertet werden, bevor die Umsetzung startet. KI darf kein Selbstzweck sein und KI ist nicht die Lösung für alles. KI kann auf der einen Seite für mehr direkten Umsatz sorgen, auf der anderen Seite können mit KI auch Kosten eingespart werden.
Teilweise fehlt es noch an Grundlagen wie der konsequenten Digitalisierung von Prozessen oder der Verfügbarkeit von Daten. Diese Herausforderungen müssen schnell behoben werden, um KI-Anwendungen erfolgreich zu ermöglichen. Teils fehlt aus meiner Sicht auch noch das Verständnis für KI-Anwendungen und deren Möglichkeiten bzw. Grenzen. Diese Wissenslücken sollten abgebaut werden. Die existierende Systemlandschaft, die meist sehr heterogen und komplex ist, ist definitiv eine weitere Herausforderung für den Einsatz von KI.
Der Einsatz von KI ist nur sinnvoll und nachhaltig möglich, wenn die Datenbasis gegeben ist. KI ohne Daten funktioniert nicht. KI kann auch bei der Datenanalyse helfen, da spezialisierte Modelle darauf trainiert sind, unstrukturierte Daten und riesige Datenmengen zu analysieren. KI-Modelle sind auch in der Lage, eigenständig bestimmte Muster zu erkennen oder relevante Ergebnisse fortlaufend zu erstellen. Unternehmen in der Automobilindustrie erzeugen und besitzen Daten, die sehr wichtig für das Trainieren der KI-Modelle sind. Das sollte besser verstanden und genutzt werden.
Wichtig ist, dass die Verantwortlichkeiten in der Organisationsstruktur klar verankert sind. Wenn keiner die Verantwortung trägt, wird es auch schwierig, das richtige Setup zu finden. Eine fachspezifische Verantwortung ist aus meiner Sicht auch hilfreich, da die Fachbereiche ihre Anforderungen am besten kennen. Wichtig ist auch, dass man sich ausführlich mit den verschiedenen Anwendungsfällen, Applikationen und Partnern auseinandersetzt, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Da der Bereich von KI-Anwendungen äußerst dynamisch und komplex ist, muss man dauerhaft am Ball bleiben, um die richtigen Schlüsse ziehen zu können.
Grundsätzlich ist Regulierung erforderlich, da sind sich alle einig. Auch andere Wirtschaftsräume haben entsprechende Richtlinien erlassen oder sind im Prozess, diese zu erlassen. Ich mache mir eher Gedanken über das fehlende Know-how in Europa und der schwierige Zugang zu Kapital. Ein Großteil der relevanten Köpfe sitzt in den USA oder in China. Das meiste Geld wird auch bei KI wieder in diesen Regionen investiert.
Ich würde es nicht als Problem bezeichnen. Die Automobilwirtschaft arbeitet spätestens seit der Cloud-Revolution mit den großen amerikanischen und chinesischen Software-Konzernen zusammen. Nach Startschwierigkeiten kommt man mittlerweile gut zurecht. Bedauerlich ist eher, dass die Wertschöpfung mit den auf KI spezialisierten Firmen wie bei der Cloud weniger in Europa stattfinden wird. Die Unternehmen werden auch weiterhin zwei Systeme aufbauen müssen, eins für China und das andere für den Rest der Welt.
KI kann dazu beitragen, dass die tägliche Arbeit effizienter wird. Arbeitskräfte können sich mehr und mehr auf die wichtigen Aufgaben konzentrieren, Routinen werden von KI unterstützt. Durch KI werden auch neue Berufsbilder in der Automobilindustrie und darüber hinaus entstehen, viele kennen wir noch gar nicht. Klar ist auch, dass der Einzug von KI in den Unternehmensbereichen langsam und kontinuierlich geschieht. Unternehmen und Mitarbeitende, die vor dem Einsatz von KI absehen, werden langfristig einen Wettbewerbsnachteil haben.
Während sich die technologischen Möglichkeiten immer rasanter weiterentwickeln, fühlen sich Mitarbeitende zunehmend überholt von der raschen Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Folglich können geplante und angedachte Effizienzpotentiale bei Weitem nicht gehoben werden, weil entweder der Sinn und damit die Möglichkeiten der implementierten Lösung nicht klar ist oder das Verständnis und die Akzeptanz für die Lösung nicht vorhanden ist. Denn eine ganzheitliche Implementierung einer KI-Lösung kann die Unternehmens- und Arbeitswelt als auch den Alltag vieler Menschen grundlegend verändern. Es braucht daher einen ganzheitlichen Ansatz zum Umgang mit KI. Das beginnt bei der Führungsebene, die Einstellung zu KI muss von den Führungskräften geformt und gelebt werden. Eine klare Strategie hilft dabei, Verantwortlichkeiten und Ziele klar zu definieren. Wie schon angesprochen: Die Mitarbeitenden müssen auf die Reise mitgenommen werden, um Ängste zu lindern und um Potenziale aufzuzeigen.
Wie bei anderen technischen Innovationen gibt es auch bei der Einführung von KI Fragestellungen, die bearbeitet werden müssen. Einige Hersteller und Zulieferer haben KI-Richtlinien veröffentlicht, um eine ethische Implementierung zu gewährleisten. Die Berücksichtigung ethischer Prinzipien ist wichtig, um das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen und um die Akzeptanz zu erhöhen. Relevante Aspekte sind in den Bereichen Transparenz und Erklärbarkeit, Sicherheit und Verantwortung, Datenschutz, menschliche Kontrolle oder gesellschaftliche Auswirkungen.
KI macht keinen Halt vor der Unternehmensgröße. Ich sehe sogar einige Vorteile bei kleinen und mittleren Unternehmen. Entscheidungen werden schneller getroffen und die Umsetzung kann flexibler erfolgen. Die Unternehmen sind nicht selten einem unheimlichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt, die sinnvolle Anwendung von KI kann ein Lösungsbaustein sein.
Vita
Augustin Friedel, Senior Manager bei der Management- und IT-Beratung MHP, ist einer der führenden Branchen-Experten in Bezug auf Software Defined Vehicles, autonomes Fahren und Mobility Services – mit mehr als 42.000 Followern auf LinkedIn. Mit seinem Team unterstützt Augustin Kunden aus verschiedenen Industrien, wie Automobilhersteller, Zulieferer oder innovative Start-ups. Die Kunden werden dabei unterstützt, relevante Marktentwicklungen und Trends zu verstehen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen und entstehende Chancen nutzen zu können. Augustin hat Maschinenbau und Management an der TUM studiert und danach für bekannte Start-ups, wie Uber, Blacklane oder Rocket Internet, gearbeitet. Vor dem Wechsel zu MHP war er für Volkswagen in verschiedenen strategischen Positionen tätig und hat unter anderem die Intermodality-Services-Strategie und die Unternehmensstrategie mitentwickelt.