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Fahrdynamik-Technik
Die Zukunft des Torque Vectoring

Die Torque Vectoring-Technologie hob die Fahrdynamik sportlicher Autos auf ein neues Niveau. Auch E-Fahrzeuge können das Prinzip nutzen. Mit ganz unterschiedlichen technischen Mitteln, wie der neue Audi E-Tron S beweist.

TechnikProfi
Foto: TechnikProfi

Torque Vectoring-Systeme haben die Fahrdynamik sportlicher Autos auf ein neues Niveau gehoben. Die Technik erlaubt, einzelne Räder mit unterschiedlichen Drehmomenten zu versorgen, um die Kurvenfahrt zu unterstützen oder zu unterdrücken. Das funktioniert gegenteilig zum ESP: Während beim elektronischen Stabilitätsprogramm Räder gezielt abgebremst werden, werden sie hier mit zusätzlicher Antriebskraft versorgt.

Überlagerungsstufe im Differenzial

Zu diesem Zweck ist das Differenzial, das sowohl offen als auch sperrend ausgeführt sein kann, mit einer Überlagerungsstufe ausgestattet. Diese dreht sich etwa zehn Prozent schneller als die Antriebswelle. Sobald eine Lamellenkupplung Kraftschluss zwischen der Stufe und der Welle herstellt, zwingt sie dem Rad stufenlos die höhere Drehzahl der Überlagerungsstufe auf. Dadurch erhält das kurvenäußere Rad ein höheres Drehmoment, während dieses dem kurveninneren Rad entzogen wird, im Extremfall bis zu 100 Prozent. Geregelt wird das Ganze elektronisch in Abhängigkeit von Lenkwinkel, Gierwinkel, Querbeschleunigung, Geschwindigkeit und weiteren Informationen, und zwar immer wieder neu im Hundertstel-Sekunden-Takt. Dadurch wird das Auto stärker in die Kurve gedrückt und die Tendenz zum Unter- oder Übersteuern unterdrückt.

Unsere Highlights
11/2019, Audi S6 im Schnee BorgWarner
BorgWarner
Torque Vectoring per Differenzial gibt es etwa seit Mitte der Neunzigerjahre.

Die zunehmende Verbreitung von Hybridsystemen eröffnet der Technik neue Möglichkeiten. BorgWarner zum Beispiel stellte 2017 ein elektrisches Heckantriebsmodul (eRDM) vor, das die Möglichkeiten eines 48-Volt-Bordnetzes nutzt. Das über eine klassische Kardanwelle mit dem vorderen Verbrennungsmotor gekoppelte Modul beinhaltet einen kleinen Elektromotor, der am Getriebeausgang sitzt und zwei Planetenradsätze antreibt. Die eRDM-Technik kann so einen Allradantrieb darstellen, für kurze Strecken einen rein elektrischen Hinterradantrieb erzeugen sowie die üblichen Hybridfunktionen wie Rekuperation, elektrisches Segeln oder das Aufladen der Batterie gewährleisten.

Genauer, schneller und besser steuerbar

Oder eben ein Torque Vectoring mit bis zu 1.200 Newtonmeter Drehmoment umsetzen. Das eRDM-System soll zudem einige Vorteile gegenüber den bekannten kupplungsbasierten Torque-Vectoring-Differenzialen bieten. BorgWarner nennt eine genauere Drehmomentverteilung, eine schnellere Reaktionszeit und eine bessere Steuerbarkeit als Trümpfe. Außerdem erzeugen die bisher bekannten Systeme durch die Drehzahldifferenz zwischen Überlagerungsstufe und Antriebswelle Schlepp- und Leistungs- sowie Energieverluste, die zu einem höheren Spritverbrauch führen, aber beim elektrischen System nicht auftreten sollen.

11/2019, 48-Volt-Torque Vectoring von BorgWarner
BorgWarner
Die eRDM-Technik kombiniert einen E-Motor mit zwei Planetenradsätzen.

Doch auch reine Elektroantriebe können von Torque Vectoring profitieren. Dies bedingt im Normalfall zwei Elektromotoren an der Hinterachse, wie beispielsweise beim neuen Audi E-Tron S. Die beiden Maschinen haben zwar einen gemeinsamen Kühlkreislauf und sind in einem Gehäuse untergebracht, aber ansonsten nicht mechanisch verbunden. Dank dieses Layouts lassen sich bis zu 2.100 Newtonmeter radselektiv verteilen, das kurvenäußere Rad erhält bei Bedarf bis zu 220 Newtonmeter mehr als das kurveninnere. Das lässt natürlich Spielereien zu: Statt auf maximale Traktion kann ein solches System auch auf höchstmöglichen Drift-Spaß programmiert werden.

Torque Vectoring mit radnah verbauten E-Motoren

Das Problem dieses Ansatzes: Er ist vergleichsweise schwer, aufwändig und deshalb teuer. Wiederum BorgWarner hat eine einfachere Lösung im Regal: Eine Doppelkupplung, die mit nur einem E-Motor funktioniert und das bisher verwendete Differenzial ersetzt. Die Technik sitzt ebenfalls an der Hinterachse und verteilt das Drehmoment dynamisch und unabhängig auf die beiden Räder. Sie kann pro Kupplung bis zu 2.600 Newtonmeter übertragen. Aber auch überschüssiges Drehmoment minimieren oder die Hinterachse komplett abkoppeln, wenn sie nicht benötigt wird. In der ersten Jahreshälfte 2020 soll das System, das Gewicht, Bauraum und Energie sparen soll, erstmals in einem Elektroauto eines großen, weltweit agierenden Autoherstellers zum Einsatz kommen.

Audi AI:Trail Quattro
Audi AG
Wenn an jedem Rad ein Motor sitzt wie bei der Audi-Studie AI:Trail, eröffnet das für's Torque Vectoring ganz neue Möglichkeiten.

Die Elektromobilität bietet aber auch das Potenzial, Torque Vectoring ganz ohne Differenziale, Sperren und Kupplungen zu realisieren. Dann nämlich, wenn ein Auto über radnah verbaute E-Motoren verfügt. Audi hat auf der letzten IAA mit dem AI:Trail gezeigt, wie man dieses Potenzial nutzen kann. Allein über ihre Leistungselektronik ist die Konzeptstudie in der Lage, jedem einzelnen Rad das perfekt passende Drehmoment zur Verfügung zu stellen. Oder andersherum: überschüssige Power zu drosseln. Oder ein Rad automatisiert mit genau dem richtigen Verhältnis aus Drehmoment und Schlupf zu versorgen, damit es im Gelände die nötige Traktion aufbauen kann.

Auch Mitsubishis letztjährige Tokio-Studie Mi-Tech besitzt an jeder Achse zwei Elektromotoren. Dieses Layout lässt eine Spielerei zu, die im Alltag recht praktisch sein könnte: Die Maschinen sorgen dafür, dass das Auto auf der Stelle wendet. Dazu müssen sie nur in Gegenrotation geschaltet werden: Während eine Seite quasi vorwärts fährt, fährt die andere rückwärts – und das Auto dreht sich.

Umfrage
Benötigt ein sportliches Auto unbedingt Torque Vectoring?
988 Mal abgestimmt
Ja klar. Nur so lassen sich die letzten fahrdynamischen Reserven mobilisieren.Nein. Zusatzgewicht, -reibung und andere Nachteile wiegen die Vorteile auf.

Fazit

Beim Torque Vectoring zeigt sich ein bekanntes Phänomen: Was bei Verbrenner-Antrieben nur aufwändig und mit viel Technikeinsatz realisiert werden kann, geht mit elektrischer Antriebstechnik um einiges simpler. Das wiederum könnte dazu führen, dass E-Autos trotz tendenziell höheren Gewichts fahrdynamisch das Niveau aktueller Sportler nicht nur erreichen, sondern sogar übertreffen können.

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