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Kooperation von Easyrain, Bosch und Italdesign
Nie mehr Aquaplaning

Unter dem Label Easyrain entsteht gerade ein neues Assistenzsystem, das Aquaplaning verhindern soll. Auch Bosch und Italdesign mischen mit.

Easyrain AIS Anti Aquaplaning System Bosch Italdesign
Foto: Easyrain

Leider ist so gut wie jedes Auto in der Lage zu schwimmen. Allerdings nicht im örtlichen Badesee, sondern über Pfützen hinweg. Das Problem kennen Sie alle: Aquaplaning. Dabei bildet sich ein Wasserkeil unter dem Reifen, mit der Konsequenz, dass die Haftung flöten geht. Weder Lenk- noch Bremsimpulse kommen in diesem Moment auf der Fahrbahn an. Das Phänomen tritt bei Geschwindigkeiten ab etwa 80 km/h auf und ist damit besonders gefährlich. Im schlechtesten Fall gerät das Fahrzeug ins Schleudern, und wo das eventuell endet, können Sie sich ausmalen. ABS oder ESP sind machtlos, doch Rettung naht – aus Italien.

Unsere Highlights

So funktioniert AIS

Unter dem Label "Easyrain" arbeitet dort eine Kooperationsgruppe unter Beteiligung von Bosch und Italdesign an einem neuen Assistenzsysem namens "Aquaplaning Intelligent Solution" (AIS). Auch, weil laut EU-Beschluss (von Februar 2019) ab 2022 alle Neuwagen mit mindestens 30 Assistenzsystemen ausgerüstet sein müssen. Auf Anhieb klingt die Lösung denkbar simpel. Die Ingenieure bringen vor den Vorderrädern jeweils eine Düse an, die mit einem gezielten Sprühstoß die Oberflächenspannung einer Pfütze durchbrechen und so Aquaplaning verhindern. Bleibt die Frage, woher die Düse wissen soll, wann genau ihr Einsatz gefragt ist. Und hier kommt 5G ins Spiel.

Easyrain AIS Anti Aquaplaning System Bosch Italdesign
Easyrain
Eine Düse vor dem Vorderrad "zersprüht" die Oberfläche der Pfütze.

Der neue Mobilfunkstandard hat schon lange den Ruf, das moderne Leben zu revolutionieren, was vor allem der geringen Latenz geschuldet ist, die bei 5G unter einer Millisekunde liegt. Zum Vergleich: Bei 4G sind es bis zu 98 Millisekunden. Was hilft uns das? Nun, die Übertragung von Daten in Echtzeit darf man damit quasi wörtlich verstehen. Auch Netzarchitektur und Zelldichte unterscheiden sich, aber sprechen wir lieber wieder über Autos.

Das digitale Gehirn DAI

Im vorliegenden Fall nutzt Easyrain ein Modul namens "Digital Aquaplaning Information" (DAI). Das Gehirn des ganzen Systems, oder im automobilen Kontext: das Steuergerät. Hier laufen Informationen zusammen, die vom Fahrzeug und dessen Sensorik selbst, von den Reifen und von der Fahrbahn kommen. Dafür nutzt das DAI die bestehende Informations-Infrastruktur des Autos, denn es handelt sich um einen rein virtuellen Sensor, sprich ein Upgrade der Software. So kann das System auch eine drahtlose Vernetzung via 5G-Datennetz herstellen, um beispielsweise über künftige Netzwerke in Smart Cities andere Fahrzeuge vor Gefahrenstellen zu warnen.

Easyrain AIS Anti Aquaplaning System Bosch Italdesign
Easyrain
Im "DAI" laufen alle notwendigen Daten zusammen.

Wenn man bedenkt, wie genau der exakte Moment passen muss, in dem die Düsen den äußeren Rand einer Pfütze "wegpusten" sollen, kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass das Zeitfenster dafür recht klein ist. Nochmal: Das Auto wird, um von Aquaplaning gefährdet zu sein, mindestens 80 km/h schnell fahren. Entsprechend ist eine Highspeed-Datenübertragung eine der Grundvoraussetzungen für die Funktionalität der ganzen Idee. Dieses virtuelle Steuergerät namens DAI hat das Easyrain-Team mittlerweile fertig programmiert und patentiert. Es lässt sich in quasi allen modernen Autos nachrüsten und arbeitet dann auch mit bestehenden Assistenzsystemen zusammen. Ist der Fahrer beispielsweise auf nasser Straße mit aktiviertem adaptivem Abstandstempomaten unterwegs, kann das DAI die Geschwindigkeit der Fahrbahnbeschaffenheit anpassen.

Picasso Automotive PS-01 Schweiz Sportwagen
Picasso Automotive
Als erstes Auto ist der Schweizer Sportwagen Picasso PS-01 mit dem virtuellen Sensor D.A.I. unterwegs.

Über eine konstante Erfassung verschiedener Faktoren, wie Schlupf und g-Kräfte, kann das DAI in mehreren Stufen warnen, bevor eine Unfallgefahr akut wird. Diese Spreizung der Stufen kann jeder Automobilhersteller selbst definieren, denn das System von Easyrain ist nicht für Endkunden gedacht, sondern für einen Einbau ab Werk. Die Italiener verkaufen an die Autohersteller, die dann individuelle Anpassungen in der Funktionalität vornehmen können. Danach kann die Software über Hersteller-App-Stores per Drahtlos-Update angeboten werden. Weitergesponnen ermöglicht ein flächendeckender Einsatz von AIS und DAI auch die Herstellung von Reifen mit geringerem Rollwiderstand, weil es dank des neuen Assistenzsystems gar nicht mehr zur Gefahrenbremsung oder sonstigen kritischen Traktions-Situation kommen soll. Das steigert die Effizienz und dürfte künftig auch für den Betrieb autonomer Fahrzeuge interessant sein.

Erste Tests erfolgreich

Anders als das DAI ist das AIS durchaus eine Hardwarekomponente, aber mit kompaktem Aufbau. Laut Easyrain lässt sich das AIS in jeden Fahrzeugtyp einbauen. Die Düsen sitzen in der Frontschürze und bedienen sich am Wasservorrat der Scheibenwischanlage. Aktuell ist das Forschungsteam mit einem Audi A6 als Versuchsfahrzeug unterwegs.

Easyrain AIS Anti Aquaplaning System Bosch Italdesign
Easyrain
Das Team um Easyrain-Gründer Giovanni Blandina (2ter v.r.) ist seit Januar mit einem Audi A6 als Versuchsfahrzeug unterwegs.

Die ersten Tests (Januar 2021) zeigen: Das AIS funktioniert in einem herkömmlichen Serienmodell mit signifikantem Erfolg. Bei Geschwindigkeiten von 60 bis 110 km/h reduziert das System den Schlupf in Kurven und auf Geraden auf bis zu fünf Prozent. Nun soll der Aquaplaning-Retter im großen Stil ausgerollt werden und bis 2024 die Marktreife erlangen. Seit 2013 arbeitet Easyrain-Gründer Giovanni Blandina bereits an dem System, seit 2020 sind Bosch und Italdesign mit an Bord. Blandinas Motivation für die AIS-Entwicklung: Leben retten. Audi, Fiat-Chrysler, Renault und McLaren haben bereits Interesse angemeldet. Neuster Partner ist die junge Sportwagenmarke Picasso Automotive, die den virtuellen Sensor D.A.I. in ihrem PS-01 verbaut. Zum Jahresende 2021 hat Easyrain nun das Firmenkapital über Investoren um fünf Millionen Euro aufgestockt, um den Kampf gegen das Aquaplaning weiter voranzutreiben.

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Fazit

Aquaplaning ist eine gefährliche Situation, die jeden Autofahrer treffen kann. Das Assistenzsystem von Easyrain ist vielversprechend und könnte dabei helfen, die Zahl der Unfälle bei Nässe drastisch zu reduzieren.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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