Autohersteller sind auf funktionierende Lieferketten angewiesen – schließlich hat beispielsweise die aktuelle Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 zum Ausfall einiger Automobil-Zulieferer geführt, und schon standen in vielen Werken die Bänder still. Abseits von solchen extremen Beispielen können optimierte Lieferketten helfen, Zeit und Kosten zu sparen. BMW geht es dabei um eine Optimierung in Echtzeit – die Verbesserungen greifen also unmittelbar im laufenden Betrieb.
Über den Einsatz von Quantencomputern möchte BMW beispielsweise ermitteln, welche Zulieferteile ein entsprechender Lieferant zu einem bestimmten Zeitpunkt günstig liefern kann. Dabei soll der Rechner verschiedenste Optionen und Unteroptionen abschätzen.
Großflächiger Einsatz erst in der Zukunft
BMW kann sich den Einsatz der ultramodernen Quantencomputer zwar auch für die Berechnungen bei der Batterie-Chemie für Elektroautos, bei der Verteilung von Ladestationen oder von Anforderungen für Sicherheit, Aerodynamik, Design und Fertigung vorstellen, ist sich aber bewusst, dass es bis zu einem regelmäßigen Einsatz noch Jahre dauert, da die sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindlichen Rechner noch nicht für einen großindustriellen Einsatz geeignet sind. Mercedes setzt Quantencomputer allerdings bereits für die Berechnung von Molekülen für Elektroauto-Batterien ein und hat jetzt einen Durchbruch bei der Optimierung der dafür notwendigen Hamiltonian-Funktion erzielt.
Rechner von Honeywell
Für die testweisen Berechnungen nutzt BMW den Quantencomputer H0 des US-Herstellers Honeywell, später möchten die Bayern auch das Modell H1 testen. Während der H0 mit sechs Qbits arbeitet, sind es beim H1 bereits zehn – die besten Quantencomputer arbeiten aktuell mit bis zu 70 Qbits. Auf seiner Internetseite verkauft Honeywell Rechenzeit auf den beiden Systemen auch an andere interessierte Unternehmen.
Permanenter Ergebnis-Abgleich mit PC-Werten
Während des testweisen Einsatzes der Quanten-Rechner vergleicht BMW permanent die Rechengeschwindigkeit und die Genauigkeit der Berechnungen mit den Werten, die bekannte Hochleistungs-PC-Systeme bei gleichen Anforderungen liefern. BMW-Experten gehen davon aus, dass die Quantenrechner in ein bis zwei Jahren Probleme lösen können, die mit der bisherigen PC-Technik nicht lösbar ist.
Algorithmen vom Dienstleister
Für die Erstellung der komplizierten Quantencomputer-Algorithmen hat sich BMW mit Entropica Labs zusammengetan. Die Experten des Dienstleisters aus Singapur haben sich auf Modelle, Software Tools und Algorithmen für Quantencomputer spezialisiert. Ihr für die BMW-Lieferketten entwickeltes Modell scheint nach ersten Test zu herkömmlichen PC-Algorithmen konkurrenzfähig zu sein.
Fazit
Die Autoindustrie war schon immer an Computern mit einer immensen Rechenleistung interessiert. So berechnete beispielsweise Porsche seit 1983 Crashsimulationen auf dem legendären Supercomputer Cray-1, von dem die Universität Stuttgart ein Exemplar betrieb – 1986 übernahm eine Cray-2 die Rechenarbeit. An die Berechnung von Molekülen oder von Echtzeit-Eingriffen in Lieferketten war damals noch nicht zu denken.
Quantencomputer scheinen eine Möglichkeit zu sein, die Rechengrenzen von aktuellen PC-Systemen zu sprengen. Deshalb probiert BMW bereits jetzt, in einem Stadium, in dem funktionierende Quantencomputer noch in ihren Anfängen stecken, die Technik und die Methoden aus. Hersteller, die von Anfang an bei Hochtechnologien dabei sind, können später aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse gegenüber ihrer Konkurrenz möglicherweise enorme Vorteile aufbauen.