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Assistenzsysteme im Test
Ist teuer wirklich besser?

Assistenzsysteme haben es inzwischen ja bis in die Kleinwagenklasse geschafft – auch durch einfachere Technik und geringere Funktionsfülle. Doch wie gut arbeiten die günstigen Systeme? Wir klären das anhand von fünf Paarungen im großen Praxistest.

Assistenzsysteme: Praxistest
Foto: Achim Hartmann

Wenn es hier so schön passt, beginnen wir dieses Mal doch mit einem kurzen Zitate-Quiz. Woher stammt der Satz: „Er hat mich in den Nordpol gekniffen“? Stammt das a) aus Billy Wilders 1959 gedrehter Komödie „Manche mögen’s heiß“, als Jack Lemmon als Daphne sich über das Benehmen seines Tanzpartners Osgood Fielding III empört? Oder stammt es b) aus dem ersten Test des Citroën C5 mit dem AFIL-Spurhaltesystem? Na klar, es stammt aus der Komödie. Wobei auch das 2005 präsentierte AFIL komödiantische Ansätze aufwies. Mittels sechs Infrarotsensoren ermittelte das System, ob das Auto unbeabsichtigt – also ohne zu blinken – die Mittel- oder Seitenlinie überfuhr. In einer Studie erarbeiteten die Techniker die optimale Art, den Fahrer dann zu warnen.

Unsere Highlights

Eine Einblendung im Cockpit erschien ungenügend, zu groß die Gefahr, der Fahrer könne sie übersehen. Ein Warnton könne auf Mitfahrer störend, ja gar verstörend wirken. Also entschieden sich die Entwickler für einen Vibrationsalarm im Sitzkissen. Den spüre nur der Fahrer, und er sei nicht misszuverstehen, schließlich kniff es je nachdem, auf welcher Seite das Auto über die Spur fuhr, in die linke oder in die rechte, tja nun, Seite des Nordpols. AFIL war eines der ersten Assistenzsysteme, die es bis hinunter in die Kompaktklasse schafften. Rückblickend können wir feststellen, dass selbst diese ungewöhnliche Methode, den Fahrer zu warnen, den Erfolg von Assistenzsystemen nicht verhintern konnte.

Inzwischen gibt es bis in die kleinste Autoklasse Assistenzsysteme – allerdings mit einfacherer Technik und reduziertem Funktionsumfang. Wie gut solche Systeme funktionieren, haben wir in einem großen Praxistest überprüft. Dabei sind wir nicht auf ein Testgelände gegangen, um dort nach einem festen Prozedere die Realität zu simulieren. Stattdessen haben wir die Systeme auf Hunderten Kilometern im echten Verkehr getestet: in der Stadt, auf Landstraßen und Autobahnen. Denn nur wenn sie im Verkehrsalltag zuverlässig funktionieren, werden sie genutzt und nicht ausgeschaltet.

Immer schön aktiv bleiben

Sicher kennen auch Sie Autofahrer, die nach eigener Aussage Assistenzsysteme wie den Spurhaltehelfer sofort deaktivieren, weil sie Eingriffe oder Warnungen als störend empfinden oder die Systeme Fehlalarme auslösen. Das reduziert nicht nur den Nutzen dieses einen Systems auf null, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Fahrer später noch einmal solch ein – dann womöglich ausgereifteres – System kauft.

Der Spurhalteassistent ist dabei einerseits das System, an dem sich die meisten Fahrer stören, erst recht, wenn er in die Lenkung eingreift. Andererseits erweist sich gerade der Spurhalter als eines der wichtigsten Systeme überhaupt, liegt die Ursache für rund ein Drittel aller Autounfälle auf deutschen Straßen doch im Abkommen von der Fahrbahn.

Mono oder Stereo

Bei BMW 5er und Nissan Micra haben wir die Spurhalter getestet. Um die Fahrspur zu detektieren, nutzt der BMW eine Stereokamera. Über korrigierende Lenkeingriffe hinaus beherrscht er auch die aktive Spurführung – er lenkt auf Wunsch des Fahrers also auch aktiv in Kurven ein und wechselt auf Autobahnen zum Überholen und Wiedereinscheren selbstständig die Spur. Schon ohne Spurführung kostet das System als Teil des Driving-Assist-Pakets 1.090 Euro, mit Spurführung 2.800 Euro.

Erheblich weniger – nur 500 Euro – verlangt Nissan beim Micra für das Safety Shield. Es funktioniert über eine Monokamera, die das System neben der Spur- auch für die Verkehrszeichenerkennung und das Notbremssystem mit Fußgängererkennung nutzt. Anders als beim BMW gibt es keinen Lenkeingriff, sondern eine kurze Vibration im Lenkrad als Warnung plus einen Bremseingriff, mit dem der Micra wieder auf seine Spur gezogen werden soll. Allerdings arbeitet das einfachere System im Alltag bei Weitem nicht so zuverlässig wie das des BMW.

Besser einfach als gar nicht

Das liegt nicht an mangelndem Können der Entwickler, sondern an der geringeren Finanzkraft der Käufer. Gerade bei Klein- und Kompaktwagen sind die Kunden so preissensibel, dass sich die üppigen Aufpreise für hochwertigere Systeme nicht durchsetzen ließen. Selbst die günstigeren Systeme werden nur selten gekauft. Das ist auch der Grund, warum viele Hersteller versuchen, bei kleineren Autos ohnehin vorhandene Sensorik für weitere Assistenzsysteme zu nutzen. Die Frontkamera kann die Daten für Verkehrszeichenerkennung, Abstands- und Kollisionswarnung sowie den Spurhalter liefern. Wie schon Opel bei Adam und Corsa nutzt Renault die Ultraschall-Parksensoren am Heck für den Totwinkelwarner.

So clever das zunächst klingt – in diesem Fall genügt die Qualität der Sensoren nicht, beschränkt sich ihre Reichweite doch auf maximal zehn Meter. Der Heckradar des Audi A6 dagegen erkennt herannahende Autos schon, wenn sie noch 70 Meter entfernt sind – genug auch für Fahrsituationen mit hohen Differenzgeschwindigkeiten, mit denen das Renault-System überfordert ist. Auf der Autobahn leuchtet dessen Warnlampe im Außenspiegel oft erst auf, wenn das andere Auto schon bis auf die Höhe der B-Säule herangekommen ist. Verlässt sich der Fahrer dann auf dieses System, kann es gerade dadurch zu Gefahrensituationen kommen. Das bedeutet aber nicht, dass man besser komplett auf ein einfacheres System verzichten sollte. Im Stadtverkehr und bei niedrigerem Tempo auf mehrspurigen Landstraßen etwa funktioniert der Totwinkelwarner des Mégane ordentlich. Allerdings gilt für viele der einfacheren Systeme grundsätzlich noch mehr als für die teuren, dass sie eben assistieren, nicht aber dem Fahrer die Verantwortung und Umsicht abnehmen.

Noch lange nicht autonom

Selbst die besten Systeme arbeiten nicht zu 100 Prozent fehlerfrei. So erkannten Abstandstempomaten mit aktiver Tempolimit-Übernahme nicht die korrekten Geschwindigkeitsbegrenzungen. Spurhaltesysteme verloren die Spur, und Abstandstempomaten stiegen aus. Noch immer be- einträchtigen Starkregen oder Schnee die Sensorik.

Schon deswegen muss an den Funktionen zum autonomen Fahren noch sehr intensiv weitergearbeitet werden – und es wird noch sehr lange dauern, bis die Technik wirklich in der Lage sein wird, so etwas Hochkomplexes wie den Straßenverkehr zu durchschauen. Oder gar vorauszuahnen, dass dieses Auto da vorne gleich ohne zu blinken und mit Tempo 100 auf unsere Spur wechselt. Die beste Assistenz haben wir Autofahrer noch immer zwischen den Ohren. Und gerade die dürfen wir nie abschalten.

Die Systeme

Totwinkelwarner: Audi A6 gegen Renault Mégane

Totwinkelwarner: Audi A6 gegen Renault Mégane
Achim Hartmann

Audi A6: Audi Side Assist; ab 15 km/h aktiv; Radarsensoren; 700 Euro
Renault Mégane: Toter-Winkel-Warner; 30–140 km/h; Ultraschallsensoren; Easy-Parking-Paket, 890 Euro

Um aufzuzeigen, wie groß der Unterschied zwischen den beiden Systemen ist, machen wir uns die Marktkirche von Hameln zunutze. Deren Turm nämlich ragt 60 Meter hoch. Etwa so viel weiter reicht die Überwachungsweite der beiden Radarsensoren am Heck des Audi im Vergleich zum Mégane. Dessen vier Ultraschallsensoren erkennen Autos erst, wenn sie höchstens zehn Meter vom Heck entfernt sind. Bei Stadttempo blinkt das Warnlicht im Außenspiegel rechtzeitig auf, wenn das herannahende Auto noch rund eine Wagenlänge zurück ist. Auf der Autobahn genügt die Reichweite nicht. Bei den dort höheren Differenzgeschwindigkeiten erfolgt die Warnung viel zu spät – teils erst, wenn das andere Auto bereits auf gleicher Höhe ist. Dagegen warnt der Audi in der Stadt wie auf der Autobahn frühzeitig. Überholt man selbst, gibt er zum Wiedereinscheren erst das Okay, wenn die Lücke groß genug ist. Zudem erkennt seine Sensorik Querverkehr beim Rückwärtsausparken sowie Radfahrer, die beim Abbiegen im toten Winkel sind, und warnt beim Aussteigen, falls ein Auto von hinten naht.

Ergebnis
Audi – Funktion: 5 von 5 Sterne, Preis: 4 von 5 Sterne
Renault – Funktion: 2 von 5 Sterne, Preis: 4 von 5 Sterne

Spurhalteassistent: BMW 5er gegen Nissan Micra

Spurhalteassistent: BMW 5er gegen Nissan Micra
Achim Hartmann

BMW 5er: Lenk- und Spurführungssystem; Stereokamera; Driving Assist Plus, 2.800 Euro
Nissan Micra: Intelligenter Spurhalteassistent mit Bremseingriff; Monokamera; Safety Shield, 500 Euro

Es gibt da noch die ein oder andere Baustelle – im übertragenen Sinn wie auf den Straßen. Wenn sich dort gelbe und weiße Fahrbahnmarkierungen überschneiden, kommen beide Spurhaltesysteme damit nicht immer zurecht. Dem 5er mit seiner Stereokamera gelingt das aber deutlich besser als dem Micra, der die gelben Markierungen teils ignoriert und falschen Alarm schlägt, wenn man ihnen statt den weißen folgt. Auch von Bitumenstreifen oder Schatten lässt sich der Nissan irritieren, verblasste Markierungen erkennt er oft nicht. An sich sollte sich der Micra per Bremseingriff selbstständig zurück auf die Spur bremsen, im Test allerdings warnte er ausschließlich per Vibration im Lenkrad. Der BMW greift in die Lenkung ein. Er bleibt souveräner in der Spur, übernimmt die Führung auch allein. Dann muss der Fahrer nur die Hände am Lenkrad halten – wobei der Wagen erstaunlich lange weiterfährt, wenn man die Hände wegnimmt. Andererseits steigt die aktive Spurführung ohne Vorwarnzeit aus. Dann muss der Fahrer sofort übernehmen – und davor den kleinen Warnhinweis rechtzeitig erkennen.

Ergebnis
BMW – Funktion: 4 von 5 Sterne, Preis: 2 von 5 Sterne
Nissan – Funktion: 3 von 5 Sterne, Preis: 5 von 5 Sterne

Abstandstempomat: Subaru Outback gegen Ford Fiesta

Abstandstempomat: Subaru Outback gegen Ford Fiesta
Achim Hartmann

Subaru Outback: Eyesight; Stereokamera; 30–180 km/h; Serie
Ford Fiesta: Adaptive Geschwindigkeitsregelanlage; Radar; 50–200 km/h; 550 Euro

In diesem Test ist nicht das System des Subaru teurer, sondern der Subaru. Den Abstandstempomaten dagegen gibt es im Outback serienmäßig. Im Gegensatz zu den meisten anderen Systemen – auch dem des Fiesta – nutzt er keine Radarsensoren, sondern eine Stereokamera. Auf ihr basiert die gesamte Assistenzarmada des Eyesight-Systems, liefert sie doch auch die Daten für Spurhalter, Kollisionswarner und Notbremssystem. Der Subaru erkennt stehende Fahrzeuge, bremst bis zum Stillstand (er hat ein stufenloses CVT-Getriebe). Zudem beherrscht er Stop-and-go-Betrieb, hält allerdings einen etwas zu knappen Mindestabstand und beschleunigt nach einer Bremsung eher beschaulich auf das Ursprungstempo zurück. Der Fiesta gibt in solchen Situationen etwas beherzter Gas. Auch er erkennt stehende Autos, verfügt aber wegen des manuellen Getriebes über keine Stop-and-go-Funktion und kann nur bis etwa 30 km/h herunterbremsen. Dann mahnt ein Warnton den Fahrer, zu übernehmen. Klasse: Das gut funktionierende System gibt es für alle Modell- und Motorversionen für 550 Euro.

Ergebnis
Subaru – Funktion: 4 von 5 Sterne, Preis: 5 von 5 Sterne
Ford – Funktion: 3 von 5 Sterne, Preis: 5 von 5 Sterne

LED-Scheinwerfer: Mercedes C-Klasse gegen Kia Ceed

LED-Scheinwerfer: Mercedes C-Klasse gegen Kia Ceed
Achim Hartmann

Mercedes C-Klasse: Multibeam LED; Adaptiv- und Ultra-Range-LED; High-End-Lichtpaket, 1.964 Euro
Kia Ceed: LED-Scheinwerfer; Voll-LED-Scheinwerfer, statisches Abbiegelicht; Serie ab Spirit

Egal ob günstig oder teuer: Besseres Licht ist das sinnvollste aller Sicherheitsextras. Die LED-Technik hat gutes Licht auch für Kompakt- und Kleinwagen bezahlbar gemacht. Beim Ceed sind Voll-LED-Scheinwerfer mit Fernlichtassistent ab Spirit (ab 23.690 Euro) Serie, darunter allerdings nicht lieferbar. Außer statischem Abbiegelicht über die Nebelscheinwerfer bietet das Licht keine Adaptivfunktion. Es ist sehr hell, teils so grell, dass Reflexionen von Verkehrsschildern blenden. Der Fernlichtassistent blendet spät auf und ab. Dennoch ist das LED-Licht der Halogenversion klar überlegen. Mit dem Multibeam-LED des Mercedes kann es aber nicht mithalten. Das passt die Lichtverteilung der Streckenführung und Umgebung (Stadt, Landstraße, Autobahn) an, kann Gegenverkehr und Vorausfahrende ausblenden, da sich jede der 84 LEDs pro Scheinwerfer einzeln ansteuern lässt. Im Ultrarange-Modus schlagen die Scheinwerfer eine 600 Meter tiefe Lichtschneise in die Nacht. Wollte man etwas am brillanten Multibeam kritisieren, dann, dass die großen Lichtspiele mitunter ablenken. Und dass es teuer ist.

Ergebnis
Mercedes – Funktion: 5 von 5 Sterne, Preis: 3 von 5 Sterne
Kia – Funktion: 4 von 5 Sterne, Preis: 4 von 5 Sterne

Aktive Tempolimit-Übernahme: Audi A6 gegen Volvo V90

Aktive Tempolimit-Übernahme: Audi A6 gegen Volvo V90
Achim Hartmann

Audi A6: Adaptiver Fahrassistent; Bremsen und Beschleunigen; Assistenzpaket Tour, 1.890 Euro
Volvo V90: Pilot Assist; Abbremsen, aber kein Beschleunigen; Serie

Bei Volvo ist die aktive Geschwindigkeitsanpassung Teil des serienmäßigen Pilot-Assist-Pakets, das spurgeführtes Fahren bis 130 km/h erlaubt. Es greift auf Frontkamera sowie Mittel- und Langwellenradar-Sensoren zurück. Der Tempolimitassistent lässt sich nicht mit dem Abstandstempomaten (ACC) nutzen, weil Volvo nicht will, dass ein Auto selbst beschleunigt, wie es bei Aufhebung eines Limits mit aktiviertem ACC der Fall wäre. Daher bremst der V90 nur automatisch auf ein erkanntes Limit ab. Der Fahrer kann das System per Kick-down oder Bremse überregeln. Muss er auch, da der V90 Schilder gelegentlich nicht oder falsch erkennt. Audis System mit Kamera, Radar- und Ultraschallsensoren verzögert und beschleunigt selbst, lässt den A6 früh in Tempolimits hineinrollen, statt hart abzubremsen, und funktioniert auch in der Stadt gut. Mitunter erkennt es Limits auf Leuchtschildern nicht korrekt, oder es wählt Schilder, die für andere Spuren gelten. In Kombination mit ACC und aktiver Spurführung kommt das der Idee des teilautonomen Reisens aber nahe – ohne dabei besser zu fahren als ein aufmerksamer Fahrer.

Ergebnis
Audi – Funktion: 4 von 5 Sterne, Preis: 3 von 5 Sterne
Volvo – Funktion: 3 von 5 Sterne, Preis: 5 von 5 Sterne

Fazit

Das Wichtigste zuerst: Wenn es darum geht, Geld für Extras auszugeben, ist es für ein Assistenzsystem immer besser ausgegeben als für größere, schickere Räder, Ledersitze oder ein fescheres Infotainment. Denn selbst die einfachsten Systeme machen das Fahren sicher – allerdings nicht in jeder Situation. Wer etwa den Totwinkelwarner des Renault Mégane nutzt, muss wissen, dass der auf der Autobahn mit hohen Differenzgeschwindigkeiten überfordert ist. Jedes der teuren Systeme war im Test besser als das günstigere. Doch trotz des höheren technischen Aufwands arbeitete keines der Assistenzsysteme absolut fehlerfrei. Anders dagegen bei den Matrix-LED-Scheinwerfern des Mercedes. Die funktionieren perfekt – sie sind die Glanzlichter in diesem Systemtest.

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