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Keine Chance für billige elektrische Kleinwagen
Warum kleine Marken mit kleinen Autos scheitern

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Günstige Kleinwagen mit E-Antrieb – die Nachfrage wäre riesig. Aber immer wieder scheitern E-Auto-Start-ups, die sowas bauen wollen, krachend an den eigenen Ansprüchen und den Kundenerwartungen. Wieso?

06/2021, e.GO Life Next im Stadtverkehr
Foto: Next.E.Go Mobile SE

Einfach alles besser machen, die Großen bekommen es ja doch nicht hin. Dieser Leitsatz steht vermutlich vor den meisten Start-up-Gründungen. Egal, ob es dabei um Shampoo-, Bio-Kaffee- oder E-Auto-Start-ups geht. In den meisten Fällen treten ihre Gründer mit keinem geringeren Anspruch an, als die bekannte Welt zu revolutionieren und ihre Erfindung für jeden erschwinglich verfügbar zu machen – und stellen dabei immer wieder fest: Das ist alles gar nicht so einfach.

Unsere Highlights
Uniti One Elektroauto Schweden Startup Concept
Uniti
Den Uniti One wollte das schwedische Startup 300.000 Mal verkaufen. Am Ende hat das Start-up um Louise Horne deutlich zu viel versprochen.

Es muss für diese Erkenntnis aber nicht immer so spektakulär laufen wie beim schwedischen E-Auto-Start-up Uniti. Das versprach einst 300.000 Einheiten pro Jahr, sammelte viele Millionen Euro ein und kündigte einen unschlagbaren Preis von 15.100 britischen Pfund an (rund 17.000 Euro). Sogar Media Markt zog das junge Unternehmen in seinen Bann, das ein Elektroauto für jedermann bauen wollte und kurz nach der Gründung 2017 mit der Elektronikmarkt-Kette kooperierte. Doch dann kam alles anders, wie das schwedische Magazin Filter recherchierte. Die vollautomatisierte Fabrik in Schweden hat es offenbar nie gegeben, ebenso die Produktion in Silverstone, die der Uniti-Firmengründer Lewis Horne in Aussicht gestellt hatte. Als den Investoren zuletzt nicht der revolutionäre Dreisitzer Uniti One mit seinem innovativen Bedienkonzept und 300 Kilometern Reichweite vorgestellt wurde, sondern sich das stattdessen gezeigte Auto, der Uniti Zero, nur als eine leicht modifizierte Variante des chinesischen Billig-Stromers Zhidou D3 entpuppte, zogen die Geldgeber Anfang 2022 die Reißleine.

Autos entwickeln und bauen kostet sehr viel Geld

Wie schwer es ist, ein günstiges Auto zu bauen, zeigt auch das einstige deutsche Vorzeige-Start-up E.Go. Das wurde unter anderem vom Aachener Professor Günter Schuh mitgegründet und wollte alles anders machen als die Großen. Kein Lack, sondern gefärbter Kunststoff, ein günstiger Preis, eine einfache, skalierbare Produktion. Alles, was den großen Herstellern scheinbar nicht gelingt, wie Schuh auch im MO/OVE Podcast (Episode 13) einmal erklärte. Unter 20.000 Euro hätte der Wagen kosten sollen, abzüglich E-Auto-Prämie. Weil es bei der Produktion, der Qualität und der Technik hakte, musste das Unternehmen auch in Folge der Corona-Pandemie Mitte 2020 Insolvenz anmelden und konnte die Produktion erst im vergangenen Juli durch den Einstieg eines neuen Investors langsam wieder aufnehmen. Der plant jetzt einen Börsengang, um weiteres Geld in die Kassen zu spülen, das scheinbar dringend nötig ist.

Ob das wirklich hilft, bleibt abzuwarten. Denn auch das Münchner Start-up Sono Motors, das seit 2016 am Solar-Auto Sion entwickelt, ging nach mehreren verschobenen Produktionsstartterminen, Crowd-Funding-Finanzierungsrunden und technischen Rückschlägen Ende 2021 an die Börse. Der Schritt war offensichtlich nötig, obwohl Anfang 2020 schon über eine spektakuläre Crowd-Funding-Kampagne 53 Millionen Euro von mehr als 10.000 Unterstützern eingesammelt wurden und Ende 2020 noch einmal 45 Millionen Euro von Investoren akquiriert werden konnten. Während die Aktien zu Beginn bei einem Wert von 15 Euro gehandelt wurde, fiel der Kurs in kurzer Zeit auf rund 5 Euro und steht heute auf weniger als 3 Euro. Die Anleger sind also skeptisch, ob der Sion mit seinen 248 Solarzellen für 28.500 Euro tatsächlich 2023 den Weg auf die Straße findet.

Erst hoch gelobt, danach insolvent

Insolvenz musste kürzlich das andere Münchner E-Auto-Start-up ACM (Adaptive City Mobility) anmelden, dessen City One noch auf der IAA 2021 präsentiert und von den Besuchern gefeiert wurde. Nach Differenzen mit den Investoren und offenen Forderungen in Höhe eines knapp zweistelligen Millionenbetrages wurden Anfang Februar alle Mitarbeiter entlassen, sodass das kleine E-Auto mit Tausch-Akkus im Kofferraum nun doch nicht bei Magna Steyr gebaut werden kann, die einen Großteil der Entwicklungsarbeit übernommen haben.

Aber warum ist es denn so schwer, ein Auto zu bauen? Weil ein Automobil – selbst mit vermeintlich simplem E-Antrieb – eines der komplexesten Produkte ist, die man kaufen kann. Allein die ingenieurstechnischen Herausforderungen sind enorm. Schließlich will niemand ein Auto kaufen, das sich fährt wie ein Einkaufswagen. Hinzu kommen die rechtlichen Hürden. Neben Arznei- und Lebensmitteln gibt es wohl kein stärker reguliertes Produkt auf der Welt. Angefangen bei Materialverträglichkeitsüberprüfungen über die Crashsicherheit bis hin zu verpflichtenden Regelsystemen wie ABS, ESP oder neuerdings eingeführten Tempolimitanzeigen. So wurden beispielsweise die ersten E.Go-Modelle über eine Sonderregelung ohne ESP ausgeliefert und deshalb auch ohne Rekuperationsfunktion – ein No-Go für ein Elektroauto.

Bei Tesla hat es auch geklappt

Einfache Autos mit vier Rädern, einem Lenkrad und ein paar Sitzen gibt es so nicht mehr. Es sei denn, man greift auf die L7e-Regelung zurück, wie der Opel Rocks-e, der Micolino oder der Kybruz eRod. Die beschreibt ein Leichtkraftfahrzeug mit maximal 15 kW Nennleistung, das anders als die reguläre M1-Homologation für normale Pkw bis 3,5 Tonnen deutlich weniger aufwendig ist – und damit günstiger in der Entwicklung. Da die meisten Start-up-Gründer aber nicht nur vom Erfindergeist, sondern auch vom Idealismus getrieben werden, wandern sie fast alle früher oder später vom L7e-Konzept in die automobile Königsklasse M1 ab und wollen ein echtes, vollwertiges Auto für die breite Masse bauen. Wie auch der E.Go vom L7e zum M1-Fahrzeug gewandelt wurde. Getreu dem Motto: Bei Tesla hat es ja auch geklappt.

Kyburz eRod, Exterieur
Rossen Gargolov
Die L7e muss nicht nur vernünftig sein. Da das Akku-Gewicht nicht zur Gesamtmasse zählt und sich das Leistungslimit von 15 kW auf die Dauerleistung bezieht, sind auch sportliche Fahrzeuge wie der Kyburz eRod umsetzbar.

Oft vergessen wird dabei ein entscheidender Fakt: Tesla-Chef Elon Musk startete nicht mit einem billigen Budget-Car, das die E-Mobilität für jeden bezahlbar machen sollte, sondern mit einem exklusiven Sportwagen, dem Tesla Roadster für rund 100.000 Euro. Dann baute er eine teure Luxus-Limousine (Model S), worauf das ebenfalls teure Model X folgte. Erst 2017 kam das Model 3. Das wiederum war das erste Großserienfahrzeug und das erste Auto der Amerikaner, das für vergleichsweise günstige 35.000 Euro zu haben war. Echte Gewinne konnte das Unternehmen trotzdem erst 2020 verzeichnen. Wobei das eigentliche Tesla Budgetcar in der Kompaktklasse zum Preis von unter 25.000 Euro noch immer auf sich warten lässt.

Auch der Twizy war ein Flop

Doch zurück zur L7e: Gerade für den Stadtverkehr wäre sie nach Meinung vieler Experten der Schlüssel für die Kurzstreckenmobilität im urbanen Umfeld. So setzte das erste Konzept des ACM City beispielsweise auch auf die Leichtkraftfahrzeug-Zulassung, ebenso der elektrische Isetta-Klon Microlino. Der kleine Microlino blieb nach langem Hin und Her seinem Konzept treu, die Autos sollen nach mehrmalig verschobenem Produktionsstart nun tatsächlich noch in diesem Jahr für rund 12.000 Euro ausgeliefert werden.

ACM hat sein Leichtbau-Konzept dagegen hinter sich gelassen. Denn das auf der IAA 2021 vorgestellte Model City One kommt auf ein Leergewicht von stolzen 950 Kilo, der Akku dürfte bei rund 120 Kilo liegen. Für einen normalen Pkw der Klasse M1 wäre das ein mustergültiger Wert, für die L7e sind das aber knapp 400 Kilo zu viel. Die Batterien nicht mit eingerechnet dürfen die Autos nicht mehr als 450 Kilo auf die Waage bringen; bis zu 600 Kilo, wenn sie zum Gütertransport eingesetzt werden sollen. Was im ersten Moment effizient und ideal für E-Autos in der Stadt klingt, wird in der Praxis dann oft zum Rotstiftprojekt – und dadurch unattraktiv.

Denn aufwendig gepolsterte Sitze, ein üppiges Infotainment, Klimaanlagen, Komfortassistenten oder Sicherheitssysteme wie ESP und viele Airbags, die für viele Käufer von modernen Autos so obligatorisch sind wie die vier Räder und das Lenkrad, machen das Auto schwer – und damit zu schwer. Das beweist auch der bescheidene Erfolg des spartanischen Renault Twizy, der als bekanntester Vertreter der L7e-Kategorie gilt und trotz großem Hersteller im Hintergrund kein Kassenschlager wurde.

Fazit

Will der enthusiastische Gründer also wie die großen Hersteller volle fünf Sterne beim Euro NACP-Crash-Test abräumen und in der Gunst der Käufer punkten, muss er sich mit all den anderen Regularien der M1-Homologation auseinandersetzen. Und damit die sich lohnt, braucht es in der Regel eine große Stückzahl samt einer Serienproduktion.

Denn hohe Gewinnmargen bescheren den Autoherstellern vor allem große und teure Autos. Die kleinen Fahrzeuge sind nur durch hohe Stückzahlen und effiziente Produktionen im Großserienmaßstab rentabel. Wie schwer die zu erreichen ist, unterstreicht wieder einmal Elon Musk. Der sprach beim Anlauf des Tesla Model 3 von nicht weniger als der "Produktionshölle". Die Sache mit dem Autobauen ist eben alles andere als einfach.

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