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Die Streichliste des Volkswagen-Konzerns
VW streicht 60 Prozent der Verbrenner-Modelle

Der Wolfsburger Konzern will künftig nicht mehr den Absatz maximieren, sondern die Rendite. Mit der Elektro-Umstellung fallen bis 2030 Dutzende Verbrenner-Modelle aus dem Programm.

VW Verbrenner Modelle Streichliste 2022 Zukunft
Foto: VW / Patrick Lang

Volkswagen-Konzern-Finanzvorstand Arno Antlitz sagte der Financial Times "wir konzentrieren uns stärker auf Qualität und Rendite als Volumen und Marktanteile”. Das könne bedeuten, der Konzern werde sein Portfolio an Dieseln und Benzinern, das über die zahlreichen Marken hinweg aktuell aus rund 100 Modellen besteht, bis 2030 um 60 Prozent reduzieren.

Mit dieser Strategie liegt Volkswagen im Trend: Die Branche versucht generell, Rabatte zu reduzieren, was die real erzielten Preise und damit die Marge in den letzten Jahren spürbar erhöht hat. Bestes Beispiel ist Mercedes, wo Ola Källenius schon länger die Rendite klar über Absatzziele stellt. Die Lieferengpässe der Chipkrise im letzten Jahr hat aber auch bei BMW beispielsweise zu sinkenden Verkaufszahlen, aber steigenden Profiten geführt – beide Premiumhersteller verbuchten Rekord-Gewinne.

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VW wird nicht mehr größter Autohersteller der Welt

Volkswagen hatte sich im Jahr 2020 weltweit die Stückzahlkrone aufsetzen können, 2021 holte sich Toyota diese zurück und laut Antlitz haben die Wolfsburger keine Ambitionen, dagegen anzukämpfen. Man habe mittlerweile eine deutlich niedrigere Fixkostenbasis und sei dadurch weniger abhängig von Volumen und Wachstum. Dem Konzern sei es gelungen, die Fixkosten von 41 Milliarden Euro im Jahr 2019 früher als geplant um 10 Prozent zu senken und gleichzeitig in die Entwicklung von Software und neuen Produkten zu investieren.

Selbst die 52 Milliarden, die VW in die Entwicklung von Elektroautos pumpt, die größten Investitionen in der Geschichte des Unternehmens, würde nicht zur Erhöhung des Absatzes führen, so Antlitz. "Wir bauen kein Volumen auf, sondern überarbeiten Fabrik für Fabrik", sagte der Finanzchef mit Blick auf Zwickau, wo der Konzern die Produktion auf Elektroautos umgestellt hat und die Mitarbeiter für den neuen Antrieb qualifiziert hat. Als nächstes ist das Werk in Emden dran.

Antlitz gibt aber zu, dass Berechnungen, die die Herstellung von E-Autos als genauso profitabel erachten wie die von Verbrennern, zuletzt wegen steigender Rohstoffpreise ins Wanken geraten sind: "50.000 Dollar für eine Tonne Nickel (beispielsweise) seien hier nicht mit eingepreist gewesen", so der Vorstand. Man hoffe aber auf ein baldiges Ende des Krieges in der Ukraine und dass die Rohstoffpreise dann zumindest wieder ein Stück weit sinken. Auf lange Sicht erwartet der Finanzchef dennoch, dass die Batteriepreise dank neuer Technologien fallen.

Welche Verbrenner-Baureihen stehen auf der Streichliste?

Modelle, die perspektivisch aus dem Programm der VW-Konzernmarken fallen, hat Antlitz nicht spezifiziert, Streichungen zahlreicher Baureihen sind aber teils schon länger absehbar: Der VW Golf Sportsvan sowie die großen Vans VW Sharan und Seat Alhambra sind bereits eingestellt und der Touran wird keinen Nachfolger bekommen. Am anderen Ende des Portfolios werden die Kleinwagen der so genannten New Small Family (VW Up, Seat Mii, Skoda Citigo) 2023 das Zeitliche segnen – ihre Plattform ist nicht mehr entwicklungsfähig und wird an neuen Crahsvorschriften scheitern. Audi wiederum hat schon bestätigt, dass es weder für A1 noch für Q2 einen Nachfolger geben wird.

Ab 2025 plant der Konzern die ersten Modelle auf dem MEB small mit Frontantrieb (VW ID.2, ein etwas größerer Skoda-Ableger und die Serienversion des Cupra Urbanrebel, sowie etwas später die VW-Entsprechung ID.1). Die neue kleine E-Auto-Familie könnte selbst Klassikern wie dem Polo gefährlich werden oder gar dem T-Cross, der sich aktuell sehr gut verkauft. Warum? Im Kleinwagensegment mit relativ großen Volumina tun die vergleichsweise hohen CO2-Emissionen der Low-Budget-Verbrenner-Technik dem Flottenverbrauch besonders weh, hohe Strafzahlungen an die EU drohen, aufwendige PHEV-Antrieb wären zu teuer. Würde der T-Cross den kleinen Stromern zum Opfer fallen, könnte das perspektivisch auch das Ende für Skoda Kamiq und Seat Arona sein, die im gleichen Segment unterwegs sind.

Wie lange lebt der Golf noch?

2026 wäre ein Golf 9 fällig. Vor geraumer Zeit hieß es, der Nachfolger für die achte Generation des Kompaktklassikers ist klar gesetzt; aber eine elektrische Entsprechung gibt es ja in Form des ID.3 bereits. Einen Ableger hat allerdings nur Cupra mit dem Born im Angebot, Skoda deutet einen elektrischen Octavia Combi in fernerer Zukunft an, Audi will dem A3 bis zu dessen Laufzeit-Ende 2027 keinen A3 E-Tron zur Seite stellen.

Die Serienversion eines Passat mit E-Antrieb (ID.Aero) will Volkswagen dieses Jahr auf der Auto China in Peking zeigen und für 2026 verspricht Volkswagen zudem das Mittelklasse-E-Auto Trinity, das etwa 35.000 Euro kosten soll. Seine modifizierte MEB-Plattform mit komplett neuer Elektronik-Architektur (SSP) und Software könnte auch die Basis für neue kompakte E-Autos werden.

VW Passat und Skoda Superb – nur noch bis 2030?

Aber zunächst stellt sich die Frage, wie lange der Passat mit Verbrenner zumindest in Europa noch gefragt ist. Das US-Modell hat VW ja bereits zugunsten des ID.4 (und des Atlas) eingestellt. Das 2014 vorgestellte Europa-Modell erfuhr 2019 ein Facelift. Seit Anfang 2022 gibt es in Europa die Limousine ebenfalls nicht mehr, der Variante ist im 8. Modelljahr, nach traditionellen Zyklen ist er damit bereits ein Jahr überfällig. 2023 kommt dann aber doch der von Skoda weiterentwickelt Nachfolger (B9), weiterhin auf Basis des Modularen Querbaukastens (MQB). Wie das Schwestermodell Skoda Superb läuft der neue in Bratislava vom Band statt in Emden, wo eben der ID.Aero oder Aero B entstehen soll. Mit dem Neuerscheinungsjahr 2023 könnte der Passat mit Verbrenner also noch bis 2030 weiterleben, mit seinem Laufzeit-Ende 2030 aber zu den 60 Prozent Modellreduktion beitragen.

Für Tiguan und Co. gibt es Elektro-Ersatz

Denn SUV und Elektro – das sind die alles überstrahlenden Trends, die der Volkswagen-Konzern bedienen muss. Daher könnte der VW-Bestseller Tiguan vielleicht eher länger leben, als der Passat. Andererseits gibt es in Form des ID.4 bereits jetzt eine gefragte Elektro-Entsprechung, der ID.6 aus China mit bis zu sieben Sitzen könnte ihn selbst in Europa noch ergänzen. Ein Tiguan-Nachfolger kommt aber 2023, für ihn wäre also ebenfalls 2030 die reguläre Laufzeit zu Ende und dann könnte der Verbrenner-Tiguan denselben Weg nehmen wie der Passat. Mit den beiden VWs wären dann wohl auch Skoda Superb und Kodiaq am Ende. Damit käme der Konzern den 60 Prozent Modellreduktion bis 2030 wieder ein Stück näher.

Skoda Concep Car modern solid
Skoda
Modern Solid: So stellt sich Skoda die Zukunft seiner E-SUVs vor. Das Concept Car wollen die Tschechen noch 2022 enthüllen.

Vielleicht bleiben eher VW T-Roc (neu für 2024) und Skoda Karoq (Generationsende eigentlich 2023) im Programm – oder die Konzernstrategen halten sie für durch die MEB-Small-Modelle für ersetzbar, weil die dank der Packaging-Vorteile des E-Antriebs trotz etwas knapperer Außenabmessungen ähnlich viel Platz bieten dürften. Man sieht schon: Bei 100 Modellen ist die Reduktion auf 40 beliebig komplex.

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Fazit

Für die Zukunftsplanung eines großen Konzerns braucht es einen besonders großen Rechenschieber, um zu ermitteln, welches Verbrennermodell ersetzbar ist, weil es viele Faktoren zu berücksichtigen gilt: Große Stückzahlen sind einerseits ein Pro-Argument, gerade deshalb aber ein Nachteil bei der Berechnung des CO2-Limits.

Gleichzeitig spielen die Schwestermodelle der anderen Konzernmarken eine Rolle für die Stückzahl – und deren Strategien: Bei Audi und VW etwa entsteht derzeit eine Parallelwelt aus reinen Elektrobaureihen mit eigener technischer Basis neben der Verbrenner-Palette. Beispiele sind Audi A6 und A6 E-Tron, VW ID.3 und Golf oder ID.5 und Tiguan. Seat wird zur Verbrennermarke, die E-Autos erscheinen unter dem Label Cupra, Skoda denkt Elektro aktuell vor allem in SUVs und perspektivisch als Kombi.

Über den Entfall eines Verbrenner-Modells dürfte am Ende der reguläre Modellzyklus mitentscheiden (siehe Bildergalerie) – aber bis 2030 ist es immerhin noch ein paar Jahre hin.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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