Strahlungsexperte Geschwentner: "Auch Verbrenner erzeugen Magnetfelder"

Dirk Geschwentner vom Bundesamt für Strahlenschutz
„Auch Verbrenner-Fahrzeuge erzeugen Magnetfelder“

Veröffentlicht am 12.04.2025

Ist die Strahlung von Elektroautos gefährlich für die Insassen?

Nein, dafür gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte. Vom Antriebsstrang eines Elektroautos gehen vor allem nieder- und zwischenfrequente Magnetfelder aus. In der vom BfS beauftragten Studie "Bestimmung von Expositionen gegenüber elektromagnetischen Feldern der Elektromobilität", die gerade erschienen ist, wurden in allen untersuchten Fahrzeugen die allgemein zum Schutz der Gesundheit empfohlenen Expositionshöchstwerte eingehalten. Magnetfelder mit Frequenzen bis hinauf zu mehreren zehn Kilohertz erzeugen im menschlichen Körper elektrische Felder und Ströme, die sich mit den körpereigenen Feldern und Strömen überlagern. Die empfohlenen Expositionshöchstwerte begrenzen diese zusätzlichen Felder und Ströme auf ein unschädliches Maß deutlich unterhalb der Schwellen, ab denen gesundheitsrelevante Wirkungen nachgewiesen sind.

Wo und wann im Auto entsteht die meiste Strahlung?

In der von uns beauftragten Untersuchung traten beim Beschleunigen oder Bremsen durchgehend höhere Magnetfeldexpositionen auf als bei konstanten Fahrgeschwindigkeiten. Die stärksten Magnetfelder entstehen dabei vor allem lokal begrenzt im Fuß- und Unterschenkelbereich vor den Sitzen. Im Rumpf- und Kopfbereich sind die Werte hingegen meistens niedrig. Beim Beschleunigen wurde der höchste Expositionswert während des automatischen Zuschaltens des Verbrennungsmotors in einem Plug-in-Hybrid beobachtet. Der insgesamt höchste Wert trat allerdings beim Einschalten des Fahrzeugs im Stillstand auf, und zwar ebenfalls im Raumbereich vor den Vordersitzen. Auch in mehreren anderen Fahrzeugen wurden beim Einschalten überraschend hohe Feldstärken gemessen. Beim Laden lagen die Expositionswerte in den untersuchten Fahrzeugen insgesamt niedriger als während des Fahrens.

Strahlen auch Autos mit Verbrennungsmotor?

Auch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor erzeugen Magnetfelder, die zum Beispiel beim Einschalten auftreten oder durch elektrische Bauteile wie Sitzheizungen, Lüfter oder Fensterheber entstehen. Zum Vergleich mit den Expositionen in Elektroautos hatten wir in unserer Studie auch ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor untersucht. Bezogen auf die beim Fahren ermittelten Spitzenwerte lag das Fahrzeug innerhalb der Spannbreite der in den untersuchten Elektroautos gefundenen Werte, d.h. es gab sowohl Elektrofahrzeuge mit höheren Spitzenwerten und welche mit niedrigeren.

Was können Hersteller vor diesem Hintergrund tun, um den Schutz der Insassen zu verbessern?

Magnetfelder entstehen, wenn Ströme fließen. Mit zunehmendem Abstand von der Quelle werden Magnetfelder allerdings schnell schwächer. Außerdem erzeugen gegensinnig fließende Ströme in nahe beieinander liegenden Kabeln gegensinnig gerichtete Magnetfelder, die sich überlagern und somit gegenseitig abschwächen. Hersteller können deshalb die Position von Batterie, Kabeln und Leistungselektronik so wählen, dass Fahrzeuginsassen möglichst geringen Feldstärken ausgesetzt sind. Zweckmäßigerweise sollte dies bereits in der Konzeptphase, d.h. möglichst früh im Fahrzeugentwicklungsprozess berücksichtigt werden.

Wenn Magnetfelder sich schnell ändern, führt das in der Regel zu höheren Expositionen als bei langsamen Änderungen. Mindestens bei Fahrzeugkomponenten wie zum Beispiel elektrischen Sitzheizungen sind schnelle Stromstärkeänderungen für die Funktion nicht essenziell und können deshalb vermieden werden. Auch damit gehen dann geringere Expositionen einher. Die Spannbreite der in unserer Studie gefundenen Spitzenwerte zeigt jedenfalls, dass niedrige Expositionswerte technisch möglich sind und keine Frage der reinen Antriebsleistung sein müssen. Mit einem intelligenten Fahrzeug-Design haben es die Hersteller in der Hand, lokale Spitzenwerte zu senken und Durchschnittswerte niedrig zu halten.

Grenzwerte für elektromagnetische Strahlung im Auto gibt es bislang nicht. Wären diese aus Sicht des BfS wünschenswert und warum?

Unter Strahlenschutzaspekten sind an Fahrzeuge dieselben Anforderungen zu stellen wie an andere Verbraucherprodukte, nämlich dass betriebsbedingte elektrische und magnetische Felder kein Gesundheitsrisiko darstellen. Die in den Richtlinien der Internationalen Kommission zum Schutz vor Nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) und in der EU-Ratsempfehlung 1999/519/EU empfohlenen Expositionshöchstwerte sind dafür die Bewertungsgrundlage. Einzelne Produkte sollten die empfohlenen Expositionshöchstwerte allerdings nicht nur einhalten, sondern möglichst deutlich unterschreiten, um Spielraum für eventuelle Beiträge weiterer Quellen zu behalten.

Den Bedarf einer Weiterentwicklung sieht das BfS bei den bestehenden Normen zur Messung von Magnetfeldern in Fahrzeugen. Die derzeitigen Verfahren erfassen noch nicht alle ungünstigen Fälle. Beispielsweise wurden kurzzeitig auftretende Feldstärken in der von uns beauftragten Studie mit untersucht. In den geltenden Normen sind sie von einer Bewertung aktuell aber noch ausgenommen. Ziel sollte die Sicherstellung eines angemessenen Schutzes in allen Betriebszuständen sein.

Kurzvita Dirk Geschwentner

Dirk Geschwentner ist beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) für die Erfassung und Bewertung von Expositionen gegenüber elektromagnetischen Feldern zuständig. Der 55-Jährige betreut externe Forschungsvorhaben und arbeitet in einschlägigen Normierungsgremien mit. Der Elektroingenieur arbeitet seit 2004 für das BfS.