Den allermeisten aktuellen Elektroautos reicht ein einzelnes Übersetzungsverhältnis, um gleichermaßen flott und energieeffizient vorwärtszukommen, da ihre Motoren viel Power über ein breites Drehzahlband liefern können. Doch immer mehr Hersteller setzen bei E-Autos Zweigang-Getriebe ein, zum Beispiel Porsche beim Taycan und Audi beim weitgehend baugleichen E-Tron GT. Mercedes hat ebenfalls einige Vorteile eines zweistufigen Getriebes bei Elektroautos identifiziert, weshalb der neue CLA (siehe Video nach dem zweiten Absatz) über ein solches verfügt. Hinzu kommen eher exotische E-Modelle wie der Lotus Eletre und der MG Marvel R. Obendrein hat sich Lucid kürzlich ein Zweigang-Getriebe für künftige Elektro-Modelle patentieren lassen.
Drei Gänge, vier Kupplungen
Stellantis scheinen zwei Fahrstufen jedoch nicht genug zu sein. Der europäisch-amerikanische Autokonzern hat sich nämlich ein Dreigang-Getriebe für Elektroautos beim US-Patent- und Markenrechtsamt "United States Patent & Trademark Office" (USPTO) patentieren lassen. Beantragt wurde der Schutz bereits im Oktober 2023; nun erteilte das USPTO seinen offiziellen Segen für die "Dreigang-Getriebebaugruppe für ein elektrisches Antriebsmodul (EDM)".
Diese wird direkt mit der Ausgangswelle des Elektromotors verbunden und lässt sich so konfigurieren, dass sie entweder die Vorder- oder die Hinterachse antreibt. Natürlich geht auch beides in Kombination, also Allradantrieb.
Kriechgang fürs E-Auto
Die Stellantis-Lösung, die insgesamt vier Kupplungen umfasst, verfolgt jedoch ein anderes Ziel als die zweistufigen Pendants der Konkurrenz. Diese sollen eher die Fahrleistungen optimieren. Ein kürzer übersetzter erster Gang kann das Sprintvermögen verbessern, während der lange zweite Gang theoretisch die Höchstgeschwindigkeit pushen kann. Da Letzteres bei E-Autos eine eher untergeordnete Rolle spielt, dient die Verdoppelung der Fahrstufen – wie beim CLA – eher der Energieeffizienz. Denn im Zusammenspiel können die beiden Gänge die E-Maschine(n) länger im effizientesten Wirkungsbereich arbeiten lassen, was den Stromverbrauch reduziert.
Die drei Übersetzungsverhältnisse des Stellantis-Patents zielen eher darauf ab, elektrisch angetriebenen Geländewagen die nötigen Offroad-Eigenschaften zu implementieren. Das ergibt Sinn für einen Autokonzern, zu dessen Markenimperium die Offroad-Spezialisten von Jeep und die Pick-up-Experten von Ram gehören. Folgerichtig spielt der niedrigste Gang so etwas wie die Rolle einer Getriebeuntersetzung. Mit ihr kann das Auto zwar nur langsam fahren, allerdings wird gleichzeitig das Drehmoment stark erhöht. Das kann beim Kraxeln helfen, aber auch in tiefem Sand oder Schnee sowie beim Ziehen eines Anhängers.
Theoretisch das Beste aus drei Welten
Die mittlere Übersetzung dürfte im Alltag meistens zum Einsatz kommen, denn sie bietet unter normalen Fahrbedingungen den besten Kompromiss aus Kraft und Energieeffizienz. Der dritte Gang, der je nach Situation automatisch eingelegt wird, ist dagegen im Verhältnis 1:1 übersetzt und dient damit als Direktantrieb. Er soll bei Autobahntempo zu einer maximalen Energieeffizienz führen. Damit erlaubt das Dreigang-Getriebe dem Auto theoretisch ein breiteres Einsatzspektrum, wobei es den oder die Elektromotoren stets im für die jeweilige Situation optimalen Arbeitsbereich hält. Zumal es sich laut Patent mit einem offenen oder sperrenden, mechanischen oder elektronischen Differenzial koppeln lässt und somit einen besonders breit gefächerten Anwendungsbereich erlaubt.
Wie immer gilt: Ein erteiltes Patent ist längst keine Garantie dafür, dass eine Technologie irgendwann bei Serienautos zum Einsatz kommt. Denn in diesem Fall wird sie komplexer und benötigt mehr Komponenten als die bisherige Eingang-Standardlösung, weshalb das Dreigang-Getriebe teurer und auch fehleranfälliger ein solches sein dürfte. Dennoch erscheint es durchaus realistisch, dass es für die Serie adaptiert wird, denn künftige Elektro-Jeeps wie den bereits vorgestellten Recon (siehe Fotoshow über dem Artikel) oder passende Ram-Modelle könnten stark davon profitieren.