P3 Charging Index für E-Autos: Lotus lädt schneller als Porsche

P3 Charging Index - Ladegeschwindigkeit E-Autos
Nur einer lädt schneller als der Taycan

Veröffentlicht am 19.12.2024

Beim Beschleunigen und auf der Rennstrecke macht dem Porsche Taycan kaum ein anderes Elektroauto etwas vor. Speziell, seitdem die Schwaben ihren E-Sportler beim kürzlich erfolgten Facelift stark verbessert haben. Doch die Modellauffrischung hat ihn auch in einem anderen Punkt eine starke Performance beschert: beim besonders schnellen Laden der Batterie. In der jüngsten Ausgabe des Charging Index der Stuttgarter Beratungsagentur P3 Group (P3CI) ist an der Ladesäule kein Konkurrent schneller als der Taycan. Es ist bereits sein zweiter Sieg beim P3CI nach 2019, als der Index erstmals erhoben wurde.

Nur der Emeya lädt schneller als der Taycan

Der Fortschritt des Taycan (siehe Video unter diesem Absatz) ist beeindruckend. Innerhalb von 20 Minuten lädt er 383 Kilometer Extra-Reichweite nach; vor fünf Jahren waren es lediglich 216 Kilometer. Damit erreicht er einen P3CI von 1,28. Der viertürige E-Sportwagen lädt nicht nur im absoluten Peak besonders schnell (maximal 325 kW), sondern hält das hohe Niveau auch über eine große Spanne aufrecht. Im Bereich zwischen zehn und 80 Prozent SoC ("State of Charge", also Batteriefüllstand) lädt er mit durchschnittlich 282 kW. Ein starker Wert, wobei der Taycan sein Plateau bis fast zur 65-Prozent-Marke aufrechterhält. Erst danach sackt die Ladeleistung auf 200 kW ab, bevor sie ab etwa 75 Prozent weiter einknickt.

Für den Gesamtsieg beim Charging Index der P3 Group reicht es für den Taycan allerdings nicht. Den absoluten Spitzenplatz besetzt weiterhin der Lotus Emeya. Die chinesisch-britische Elektro-Limousine war bei der letzten Index-Ermittlung im Frühjahr 2024, als der Fokus auf asiatischen Modellen lag, nicht zu schlagen. Mit seinen 458 nachgeladenen Reichweiten-Kilometern zwischen zehn und 80 Prozent SoC erreichte der ebenfalls mit 800-Volt-Technik ausgerüstete Emeya den bis heute gültigen Rekord-P3CI von 1,53. Unerreicht sind auch seine durchschnittliche Ladeleistung von 331 kW zwischen zehn und 80 Prozent SoC sowie sein Lade-Peak von 402 kW, den er – abgesehen von einer kurzen Delle im 25-prozentigen SoC-Bereich – erstaunlich lange aufrechterhalten kann.

Direkt vergleichen lassen sich Taycan und Lotus laut P3 zwar nicht, da die Autos in der Asien-Auswertung nach ihren WLTP-Werten beurteilt wurden und nicht nach den ADAC-Ecotest-Ergebnissen wie ihre europäischen Pendants. Dennoch ist das Ergebnis des Emeya so stark und der Vorsprung so groß, dass er auch nach den strengeren Europa-Richtlinien vor dem schwäbischen Konkurrenten liegen dürfte.

E-Autos laden immer schneller

Generell dokumentiert der P3 Charging Index die Fortschritte, die Elektroautos beim Schnellladen machen. 2022 war der Kia EV6 das erste Modell, das den Schwellenwert von 1,0 knacken konnte (1,03). Ein Jahr später folgte der Lucid Air Grand Touring, der sogar einen P3CI von 1,04 erreichte. Bei der Auswertung der asiatischen Modelle im Frühjahr 2024 landeten gleich sieben E-Autos über dem kritischen Wert, wobei sich hier der Mercedes EQS 450+ ins Testfeld schmuggelte und mit einem P3CI von 1,24 (372 Kilometer in 20 Minuten) einen starken zweiten Platz erreichte. In der aktuellen Ausgabe springen neben dem Taycan nur der Hyundai Ioniq 6 (1,15) und erneut der Kia EV6, der seinen Wert von 1,03 bestätigen kann, über die Hürde.

Der Index wird errechnet, indem P3 den Quotienten aus der real in einem Zeitraum von 20 Minuten nachgeladenen Reichweite zu einem Zielwert von 300 Kilometern (in Europa; 200 Meilen beziehungsweise 322 Kilometer in den USA) ermittelt. Wer genau diese Bedingung erfüllt, erreicht einen P3CI von 1,0. Für eine bessere Vergleichbarkeit werden alle Kontrahenten an Schnellladesäulen desselben Herstellers gemessen. Die Ausnahme bilden Tesla-Modelle, die nur an den firmeneigenen Superchargern ihre optimale Ladeleistung erreichen.

Tesla Model 3 nur Durchschnitt

Die P3 Group erhebt den Index, damit Käuferinnen und Käufer sich nicht von der maximalen Ladeleistung eines E-Autos blenden lassen müssen. Wie irreführend das sein kann, zeigt das Tesla Model 3 im Zuge der aktuellen P3CI-Ermittlung. Seine maximale Ladeleistung liegt bei 255 kW. Allerdings nur am Anfang, denn sie beginnt sofort zu sinken und fällt im weiteren Verlauf bis 80 Prozent SoC immer weiter ab. Letztlich schafft das Musk-Mobil nur eine durchschnittliche Ladeleistung von 135 kW und lädt 253 Kilometer in 20 Minuten (P3CI = 0,84) – beides beim Charging Index der P3 Group eher durchschnittliche Werte.

Knapp unterhalb des P3CI von 1,0 liegen bei der aktuellen Auswertung der Nio ET5 Touring und Kia EV9 (jeweils 0,98), der Xpeng G9 (0,96), der Polestar 2 (0,93) und die Mercedes-Elektriker EQS (0,92) sowie EQE SUV (0,90). Eher enttäuschend ist die Lade-Performance der BMW-Modelle i5 eDrive40 (0,87) und i7 xDrive60 (0,82) und speziell des Audi Q8 55 E-Tron, der lediglich auf einen P3CI von 0,71 kommt. Damit ist er deutlich schwächer als der Konzernbruder VW ID.7 Pro mit seinem 0,86er-P3CI. Am schlechtesten schneiden die Kompaktmodelle Smart #1 Pro+ (0,59) und Opel Astra Electric (0,56) ab.

Auch Energieverbräuche werden immer besser

In ihrer Auswertung betrachtet die P3 Group zudem ein Phänomen, dass sich bereits bei Verbrenner-Fahrzeugen als Dauer-Ärgernis erwiesen hat: die Diskrepanz zwischen dem Normverbrauchswert und dem tatsächlichen Energieverbrauch. Für diese Auswertung zieht die Beratungsgesellschaft einerseits den WLTP-Wert und andererseits den tatsächlichen Stromverbrauch laut ADAC-Ecotest (in den USA: EPA-Verbrauchsmessung) heran.

Hier zeigen sich ebenfalls deutliche Fortschritte im Vergleich zu früheren P3CI-Auswertungen. Klarer Verbrauchs-Champion ist der Hyundai Ioniq 6 mit einem durchschnittlichen Energieverbrauch von 15,5 kWh pro 100 Kilometer; damit liegt der tatsächliche Verbrauch bei ihm nur acht Prozent über der offiziellen WLTP-Angabe. Andere Modelle wie der Mercedes EQE SUV, der Nio ET5 Touring, der Kia EV9 und der MG4 Luxury bleiben in der Realität ebenfalls im einstelligen Plusbereich im Vergleich zur WLTP-Angabe, steigen aber mit einem höheren Normwert ein.

Mit einem absolut gesehen geringen Energieverbrauch überzeugen ferner das Tesla Model 3 sowie der Opel Astra Electric und Polestar 2; das Trio schlüpft unter der 18-kWh-Marke. In der Luxuskategorie liegen die Werte naturgemäß höher und ausnahmslos über der 19-kWh-Schwelle. Der BMW i5 eDrive 40 (19,1) und der Mercedes EQE SUV (19,2) zeigen, dass selbst vergleichsweise schwere Oberklasse-Elektriker von deutschen Herstellern effiziente Antriebe haben können. Der Verbrauch des dynamischen Taycan (19,7 kWh) kann sich ebenfalls sehen lassen. Schwach schneiden in dieser Kategorie dagegen der Xpeng 9 (24,5 kWh) und der Audi Q8 55 E-Tron ab (24,0). Der Vier-Ringe-Stromer fiel bereits in früheren P3CI-Ausgaben mit seinem hohen Verbrauch auf. Gut, dass das Modell inzwischen Platz für den Nachfolger Q6 E-Tron gemacht hat, der auf der frischen PPE-Elektro-Plattform des VW-Konzerns basiert.

Hinweis: Eine dezidierte Auswertung des aktuellen P3 Charging Index und die Asien-Auswertung aus dem Frühjahr 2024 mit vielen Grafiken und Bildern zeigen wir Ihnen in der Fotoshow über dem Artikel.

Rückblick auf 2023

Bei der 2023er-Ausgabe des Charging Index standen für die P3 Group in den USA angebotene Modelle im Mittelpunkt. Seinerzeit konnte das Start-up Lucid Motors mit seiner Elektro-Limousine Air in der Modellversion Grand Touring mit 1,04 einen neuen P3CI-Bestwert setzen. Damals standen neben bislang nur in Nordamerika erhältlichen Elektrikern wie den Pick-ups Ford F-150 Lightning und dem Rivian R1T auch Modelle auf dem Prüfstand, die in Europa erhältlich sind; der Lucid Air wird hierzulande ebenfalls angeboten.

Ins 13 Modelle umfassende US-Testfeld nahm die P3 Group nur E-Autos mit einem CCS-Schnellladeanschluss auf – plus Tesla mit dem markeneigenen Ladestandard. Interessant: Mit dem Porsche Taycan GTS, Kia EV6 LR RWD und Tesla Model S Plaid erreichten drei Modelle einen schlechteren P3CI als der Lucid, obwohl sie beim SoC zwischen zehn und 80 Prozent eine deutlich höhere durchschnittliche Ladeleistung aufwiesen. Dass der Kalifornier trotzdem vorn lag, hatte er seiner großen Batterie (112 kWh) und seinem geringen Energieverbrauch von 26 kWh auf 100 Meilen (161 Kilometer) zu verdanken, der beim P3CI ins Verhältnis zu den Fähigkeiten beim Schnellladen gesetzt wird. Der Taycan geriet mit seinem 83,7-kWh-Akku und seinem Verbrauch von 41 kWh auf 100 Meilen in dieser Hinsicht zu stark ins Hintertreffen. Deshalb belegte er mit einem P3CI von 0,77 nur den Gesamtrang sechs – trotz höchster Spitzen- (270 kW, derselbe Wert wie beim Lucid) und Dauer-Ladeleistung (223 kW).

Knapp hinter dem Tesla Model S Plaid (P3CI von 0,97) landete der Kia EV6 LR RWD mit 74-kWh-Akku und Heckantrieb auf dem dritten Platz. Dass sein US-P3CI mit 0,96 niedriger lag als in der letztjährigen Europa-Auswertung (1,03), hatte mit den strengeren Parametern zu tun: Die Kilometerzahl pro 20-Minuten-Ladung lag höher und der Energieverbrauch ging auf Basis der Messungen der US-Umweltbehörde EPA statt des ADAC-Ecotests in die Berechnung ein. Die Einzelwerte – 308 beziehungsweise 309 nachgeladene Reichweiten-Kilometer in 20 Minuten – waren jedoch absolut vergleichbar.

Rückblick auf 2021 und 2022

Bei der 2021er-Ausgabe des P3 Charging Index lag noch der Mercedes EQS 580 vorne. Ein Jahr später fiel der Schwabe auf den zweiten Platz zurück, was aber nicht daran lag, dass dieses Mal die Modellversion 450+ in die Wertung kam. Diese schaffte sogar einen besseren Wert: 2021 reichte ein P3CI von 0,88 beziehungsweise 266 Kilometern zum Sieg für den Elektriker mit Stern. 2022 schaffte der EQS 450+ sogar einen Charging Index von 0,92 respektive 275 Kilometern – und wurde doch nur Zweiter.

Dass es zu diesem Zeitpunkt einige neue, sehr schnell ladende Elektroautos gab, zeigt ein Blick auf das weitere Ranking der 2022er-Auswertung. Der BMW iX xDrive 50 (P3CI von 0,91 respektive 273 Kilometern), der Hyundai Ioniq 5 2WD (0,91 oder 272 km) und der Porsche Taycan GTS Sport Turismo (0,90 bzw. 271 km) folgten alle dicht hinter dem Mercedes und erreichten Werte, die im Jahr zuvor noch zum Sieg gereicht hätten.

Dass E-Modelle aus dem Hyundai-Konzern kontinuierlich stark abschneiden, überrascht nicht: Sie nutzen eine 800-Volt-Bordnetz-Architektur und kommen dem 2023er-Champion Lucid Air (900 Volt) damit sehr nahe. Wie die Ladekurve des P3 Charging Index 2022 zeigt, sind sie damit in der Lage, beim Nachtanken von Strom ihren anfänglichen Mega-Energy-Boost lange beizubehalten. Gleiches gilt für den Porsche Taycan und den Lotus Emeya, die beide ebenfalls mit 800-Volt-Technik antreten. Lediglich die großen Mercedes-EQ-Modelle schafften es in der P3CI-Historie, mit lediglich 400 Volt einigermaßen mitzuhalten.

Erstmals ermittelte die P3 Group 2022 den P3CI in drei verschiedenen Klassen: Kompakt- (BAFA-Nettolistenpreis bis zu 35.000 Euro), Mittel- (35.000 bis 65.000 Euro) und Oberklasse (ab 65.000 Euro). Dass teurere Elektroautos offenbar die bessere Ladetechnik aufweisen, zeigte das im Vergleich eher maue Abschneiden der Kompaktklasse-Fahrzeuge. Das beste Unter-35.000-Euro-E-Auto, der VW ID.3 mit 58-Kilowattstunden-Batterie, schaffte gerade einmal einen P3CI von 0,51 und lud in 20 Minuten 153 Kilometer nach. Dass es das Modell grundsätzlich besser kann, zeigte die 2021er-Performance der Modellversion ID.3 Pro S mit 0,73 oder 220 Kilometern. Das reichte damals noch zum dritten Gesamtplatz.