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Opel-Chef Michael Lohscheller im Interview
„Eine Million Ladestationen reichen nicht“

Der Opel-Chef spricht über die Relevanz der Brennstoffzelle, das nach wie vor große Interesse der Kunden am Diesel sowie die Infrastruktur für Elektro-Aus.

Opel-Chef Michael Lohscheller
Foto: Opel
Herr Lohscheller, bei Opel ist nicht alles Elektro, auch wenn man bei Ihnen gerade den Eindruck gewinnen könnte. Sie sind aber auch ein Fan der Brennstoffzelle. Wann wird es denn da konkret?

Opel wird elektrisch. Bis 2024 wird unser komplettes Portfolio elektrifiziert sein, kommendes Jahr schon neun Modelle. Aber auch die Brennstoffzelle ist für uns ein wichtiges Thema. Wir werden es in nicht allzu ferner Zukunft im Vivaro und vielleicht auch im Zafira Life fortsetzen – zunächst mit einer kleinen Flotte, die auch an Kunden gehen wird. Wir haben in der Vergangenheit schon viele Erfahrungen bei dem Thema gesammelt; hier wurden vier Generation des Opel HydroGen entwickelt. Allein mit der vierten Generation haben wir mehr als fünf Millionen Kilometer Erfahrung im Alltag gesammelt. Daher wurde das Entwicklungszentrum hier in Rüsselsheim auch zum Kompetenzzentrum Brennstoffzelle für die gesamte Groupe PSA ernannt.

Unsere Highlights
Können Sie eine verlässliche Voraussage zu dem Thema geben?

Innovationen sind so wie Popcorn. Es braucht eine Zeit, aber dann poppen sie schnell hoch. Die Chancen für die Brennstoffzelle sind vor allem bei schwereren Fahrzeugen groß. Schnelles Nachtanken und die CO2-Bilanz sprechen dafür. Es gibt aber natürlich auch noch offene Fragen – wie die Bereitschaft der Kunden, den noch höheren Anschaffungspreis zu zahlen. Auch der Ausbau des Tankstellennetzes und die Versorgung mit regenerativem Wasserstoff bleiben wichtige Themen.

Und wer finanziert die Infrastruktur – für Wasserstoff- und für Elektroautos?

Klimaschutz kostet Geld. Aber die Elektromobilität macht durch die Investitionen gerade einen richtigen Sprung. Wenn wir an die künftigen Klimaziele erreichen wollen, muss der Anteil elektrischer Autos deutlich steigen. Experten erwarten, dass 2030 weltweit erstmals mehr Autos mit Elektroantrieb als mit klassischer Verbrenner-Technik verkauft werden. Da werden eine Million Ladestationen in Deutschland nicht reichen. Letztlich hängt es davon ab, ob jemand das Geschäftsmodell betreiben und damit Geld verdienen will. Wir müssten eigentlich tausende Projekte zum Aufbau flächendeckender Versorgung haben – so wie wir in Rüsselsheim, der Opel Stadt, die bald auch zurecht den Namen Electric City trägt.

Wenn 2030 mehr als 50 Prozent der neuzugelassenen Autos rein elektrisch fahren, heißt das, wir beschäftigen uns auch noch eine ganze Zeit mit dem Verbrennungsmotor. Wie sieht da die Opel-Strategie aus? Wird es nochmal eine komplett neue Motorengeneration geben?

Ja – und das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim hat die Entwicklungsverantwortung für die nächste Vierzylinder-Benzinmotoren-Familie der Groupe PSA gewonnen. Generell stellen wir uns flexibel und technologieoffen auf, auch wenn sich die Elektromobilität gerade sehr stark entwickelt. Dabei hilft natürlich auch die staatliche Förderung. Sie hilft vielen Kunden bei der Kaufentscheidung. Trotzdem ist klar, dass wir effiziente Verbrennungsmotoren weiterhin brauchen. Schon heute haben wir 15 Diesel und Benziner mit unter 100 Gramm CO2 pro Kilometer im Angebot, sogar acht unter 95 Gramm, zwei davon also Plug-in Hybrid. Zudem bieten wir 17 vollelektrische Modellvarianten mit 0 Gramm CO2 für Corsa-e, Mokka-e sowie unsere beiden Vans Zafira-e Life und Vivaro-e an. Das ist ein Pfund. Das hilft uns ungemein, die CO2-Ziele zu erreichen. Und das sehen wir auch als ethische Verpflichtung.

Opel-Chef Michael Lohscheller
Opel
Grün ist die Hoffnung: Opel-Chef Lohscheller (r.) zeigt den auto motor und sport-Redakteuren Thomas (vorn) und Dralle gern den neuen Mokka-e, der sich sowohl auf das Image als auch auf den Absatz der Marke positiv auswirken soll.
Bekommen Sie die aktuellen Generationen fit für Euro7?

Klar ist, dass wir – wie in Vergangenheit – alle Anforderungen erfüllen werden. Aber es wird immer schwieriger und teurer. Und es müssen viele Faktoren zusammenkommen.

Also Motoren in allen Größen, mit Diesel, Benziner, Hybrid?

Wir werden uns weiterhin effizient und gleichzeitig technologieoffen aufstellen. Beim Diesel etwa haben wir aktuell eine Einbaurate von 20 bis zu deutlich über 30 Prozent je nach Modell. Der Diesel hat klare Vorteile beim CO2-Ausstoß und wird von vielen Kunden nachgefragt. Und das, obwohl wir ja keine riesengroßen SUV mit entsprechendem Diesel-Anteil im Programm haben. Die Schwarzweiß-Diskussion ist mit dem Kunden nicht zu machen und auch nicht zielführend.

Lässt sich unter den aktuellen strengen Vorgaben ein Diesel-Corsa überhaupt noch gewinnbringend verkaufen?

Klar, sonst hätten wir ihn nicht gemacht. Und insbesondere in Frankreich, Spanien und Italien verkaufen sich kleine Diesel immer noch sehr gut. Wir profitieren dabei von Skaleneffekten in der Groupe PSA.

In Deutschland lebt der E-Auto-Verkauf sehr stark von Zuschüssen. Sehen Sie es vorwiegend als Subventions-Geschäft oder läuft es unter anderem dank eigener Batterieproduktion auch ohne Förderung?

Momentan ist ein Elektroauto besonders attraktiv für den Kunden. Es braucht manchmal einen solchen Anschub, um Erfahrungen zu sammeln. Die Förderung hat großen Einfluss auf die Kaufentscheidung und dann zeigt sich für den Kunden, ob es wirklich passt. Ich erwarte aber, dass die E-Mobilität bald auch aus natürlicher Kraft wachsen wird. Bei uns muss jedes Auto Geld verdienen, was zu klaren strategischen Entscheidungen führt. Eine eigene Batteriezellenfertigung zu bauen, war die wichtigste Investitionsentscheidung der letzten zwei, drei Jahre. Wir setzten auf das Thema, und wir müssen es selbst machen, gemeinsam mit Partnern, die das entsprechende Know-how haben. Allein in unserer Gigafactory in Kaiserslautern werden wir rund 2000 Menschen beschäftigen, zwei Milliarden Euro investieren und Batteriezellen für 500.000 Fahrzeuge jährlich produzieren. Es geht darum, es auf Weltklasseniveau mit neuester Technologie zu machen.

Wann sehen Sie den nächsten Sprung bei der Effizienzsteigerung der Batteriezelle?

Wir starten in Kaiserlautern 2024 mit dem ersten Abschnitt; noch vor dem Jahr 2030 sollen insgesamt drei Blöcke mit jeweils acht Gigawattstunden Kapazität stehen. Und wir werden künftig auch Zellen für Feststoffbatterien fertigen. Das wird ein weiterer wichtiger Schritt sein.

Wie weit in die Zukunft können Sie überhaupt schauen, nach was richten Sie sich aus?

Spätestens dieses Jahr hat gezeigt, dass die Dinge manchmal anders kommen, als man denkt. Keiner hat die größte Gesundheits- und Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten vorausgesagt. Deswegen muss man sich möglichst breit aufstellen, flexibel und effizient. Deswegen haben wir in den vergangenen drei Jahren so viele Veränderungen umgesetzt – und Opel komplett neu aufgestellt. Wir sind die Effizienzweltmeister. Das zeigt unsere Bilanz in den vergangenen fünf Halbjahren. Diese finanzielle Stärke ist wichtig. Denn niemand kann eine genaue Planung für die nächsten fünf Jahre geben. Natürlich arbeiten wir mit Szenarien, aber die Unsicherheit ist groß. Deshalb setzen wir Prioritäten.

Sie haben gesagt, einen großen SUV wird es mit Opel nicht geben. Doch die klassische Mittelklasse tut sich immer schwerer und Crossover funktionieren auch nicht immer. Oder ist das Thema großes Auto für Opel ganz durch?

Was ist Ihre Definition von "großes Auto"? Der Grandland X hat schon eine ordentliche Größe – und als Hybrid 300 PS Systemleistung und e-Allradantrieb. Ein Tick größer ginge noch, aber wir werden mit Sicherheit keinen Geländewagen mit einer Länge von deutlich über fünf Metern auf den Markt bringen. Das passt nicht in die Zeit, und es passt nicht zu Opel. Mit dem Insignia haben wir zudem ein starkes Flaggschiff, das wir gerade erst überarbeitet haben. Ich bin davon überzeugt, eine deutsche Marke braucht ein Flaggschiff, wie auch immer es aussieht. Wie lange reden wir schon über SUV? 20, 30 Jahre. Sicher seit unserem Frontera, der 1991 auf den Markt kam. Aber es wird ja auch irgendwann etwas danach geben. SUV werden sicher nicht die nächsten 50 Jahre dominieren. Es wird innovative Karosserieformen geben. Wie sehen die aus? An solchen Fragen sind wir dran. Im Kleinwagensegment haben wir mit Corsa und Mokka zwei hervorragende Modelle. Doch gibt es darunter noch was?

Eigentlich hatten Sie doch mal gesagt, unterhalb von Corsa und Mokka wollen wir nicht mehr sein…

Richtig ist, dass wir unprofitable Modelle aus dem Programm genommen haben, die uns bei unserer CO2-Bilanz nicht geholfen haben. Aber die Frage nach der Mobilität in Metropolen schauen wir uns nach wie vor genau an.

Mit rein elektrischen Antrieben?

Ja, definitiv. Da wird der Bedarf auch groß sein.

Kommt doch der Rak-e?

(Lacht) Lassen Sie sich überraschen!

Sie geben dem Individualverkehr mit dem eigenen Auto in der Stadt also noch eine Chance?

Absolut, das Auto hat in der Stadt wieder an Stellenwert gewonnen. Im Moment auch, weil es eine sichere Art der Fortbewegung ist. Wenn man das intelligent umsetzt, dann kann es funktionieren, denn es hat eine besondere Qualität.

Dann müsste Ihnen der Citroën Ami gefallen?

Ja, ich persönlich finde auch dieses Konzept durchaus interessant, und ich habe mich auch über das positive Feedback zum Auto gefreut.

Opel hat innerhalb PSA seine Position gefunden, doch wo positioniert man sich im zusätzlichen Verbund mit FCA, also im Riesenkonzern Stellantis?

Unsere Position als deutsche Marke ist genau richtig. Wir werden sie auch in Zukunft weiterleben. Unsere neuen Modelle wie der Corsa, Mokka und Grandland X zeigen, dass der Weg richtig ist. Die Differenzierung im Konzern funktioniert hervorragend. Wir werden uns auf diesem Weg weiterentwickeln. Auch global, wie unsere neue Märkte Russland oder Japan zeigen. Bis 2022 werden wir in mehr als 20 neue Märkte einsteigen. Opel wird global!

In Deutschland sinkt seit längerem der Marktanteil. Wie wollen Sie das stoppen?

Wir haben Fortschritte bei der Wirtschaftlichkeit und der Attraktivität gemacht. Jetzt werden wir mit dem Mokka auch beim Absatz wieder auf Angriff schalten. Unsere Elektro-Offensive wird uns auch zusätzlichen Schwung geben.

Nächstes Jahr geht es weiter mit dem Astra. Wird es ihn mit dem kompletten Antriebsvielfalt bringen?

Ja, basierend auf der hervorragenden Multi-Energy-Plattform. Die Entwicklung und die Designsprache kommen hier aus Rüsselsheim. Der neue Astra wird auf der größeren EMP2-Plattform stehen und damit auch als Plug-In-Hybrid ins Angebot kommen. Der klare Vorteil für unser Stammwerk in Rüsselsheim ist, dass wir dann mehr Fahrzeuge produzieren – inklusive einem Modell unserer Premium-Schwestermarke DS Automobile.

Der Astra ist klares Bekenntnis zur Kompaktklasse, oder?

Ja. Der Astra ist und bleibt das Herz der Marke Opel. Mit der nächsten Generation werden wir ein Statement setzen.

Wie hat sich der durchschnittliche Verkaufspreis eines Opel entwickelt?

Da haben wir seit 2017 rund fünf Prozentpunkte zum Benchmark aufgeschlossen. Unsere Kunden bestellen größere Modelle und geben mehr Geld für hochwertige Ausstattungspakete aus. Wir haben die starke Rabattierung abgeschafft und konzentrieren uns auf rentable Vertriebskanäle, das kostet zwar Volumen, ist aber der richtige Weg.

Werden Sie die Komplexität bei den Ausstattungen und Varianten weiter reduzieren?

Da sind wir jetzt schon weit gekommen, der größte Schritt ist gemacht, aber es geht mit Sicherheit noch weiter. Bei neuen Modellen geht das einfacher. Zum Vorteil unserer Kunden.

Sehen Sie bei der Entwicklung neuer Modelle noch Potenzial, die Entwicklungszeit signifikant zu verkürzen, um sich flexibler an den Markt oder Innovationen anpassen zu können?

Grundsätzlich wollen wir alles optimieren. Der Trend geht dahin, ein Auto während der Produktionszeit deutlich zu verbessern und an die Wünsche der Kunden anzupassen. Und: Wir haben mit dem Corsa in der Rekordzeit von 18 Monaten auf Basis der CMP-Plattform einen echten Opel entwickelt. So wie sich unsere Kunden einen kleinen Opel vorstellen – mit hoher Qualität und viele Innovationen, wie dem LED-Matrixlicht.

Wird es nochmal OPC-Modelle, wird es Opel-Sportler geben?

Wir haben gerade den neuen Insignia GSi vorgestellt und sind sehr stolz darauf. Wir werden die GSi-Linie weiterverfolgen. Wir wollen auch das Thema Sportlichkeit in die Zukunft übertragen. Unabhängig davon, wie es dann heißen wird. Klar ist: Mobilität muss Spaß machen, sie muss das Herz und nicht nur das Hirn ansprechen. Das gilt erst recht für die Elektromobilität.

PSA hat jüngst angekündigt, von 2023 bis 2025 eine breite Auswahl an elektrischen Fahrzeugen im C- und D-Segment auf der eVMP-Plattform zu bringen – mit elektrischen Reichweiten von bis zu 650 km. Was dürfen wir hier von Opel erwarten?

Spannendes Thema. Aber bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen heute noch keinen solchen Ausblick auf unsere Produktzukunft geben kann.

Nach unseren Informationen planen Sie die Wiederauferstehung des Monza als Crossover?

Interessante Spekulation, die ich natürlich nicht kommentiere. Nur soviel: Der Monza ist eine Ikone unserer Geschichte. Er war ein wunderschönes Sportcoupé; insbesondere in seiner höchsten Ausstattungslinie GSE. Denken Sie nur an die digitalen Anzeigeninstrumente! Damit hat Opel schon 1983 ein Statement gesetzt. Auch das Concept Car aus dem Jahr 2013 hat zurecht großes Aufsehen erregt. Es wundert mich nicht, dass da viele Menschen ins Schwärmen kommen.

Vita

Geboren 1968 in Osnabrück, hält Michael Lohscheller einen Abschluss als Diplomkaufmann und einen Master in europäischem Marketing-Management. Nach diversen Positionen bei Jungheinrich, Mitsubishi, Daimler und Volkswagen wechselt er 2012 zu Opel, steigt im Juni 2017 zum Geschäftsführer auf, sitzt überdies seit Juli 2019 im PSA-Vorstand.

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