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Porsche-Chef Oliver Blume über E-Autos
„1.000 Kilometer Reichweite und CO2-neutral“

Interview

Porsche-Chef Oliver Blume über die Bedeutung des neuen Elektro-Sportlers Taycan für die gesamte Marke, die Kritik an SUV, die Zukunft des 911 und die Frage, ob Porsche jetzt sogar cooler ist als Tesla.

Oliver Blume
Foto: Picture Alliance
Tesla-Chef Elon Musk will ja gegen Ihren Elektro-Sportler Taycan antreten, der seinem Model S gerade ein bisschen die Show stiehlt. Werden Sie also demnächst auf dem Nürburgring gegen Musk fahren?

Das ist schon eine etwas verrückte Geschichte, die gerade durchs Netz geht. Der Taycan weckt überall Interesse. Aber im Ernst, ich habe großen Respekt vor dem, was Tesla-Gründer Elon Musk geleistet hat. Er hat mit Innovationen die Elektromobilität ein Stück weit in Gang gebracht. Wir bei Porsche sind Sportler, die von der Rennstrecke kommen, und schätzen jeden Wettbewerb.

Unsere Highlights
Haben Sie mal direkten Kontakt mit Elon Musk gehabt?

Wir haben uns einmal kurz in Berlin gesehen. Vielleicht treffen wir uns im Herbst bei der Los Angeles Auto Show.

Haben Sie den Taycan gegen das Modell S von Tesla positioniert?

Nein, das Model S war noch nicht so sehr im Bewusstsein, als wir vor vier Jahren mit dem Projekt Taycan begonnen haben. Unser Auto ist ganz anders positioniert. Wir sind die Company, die den 911 macht. Ein Taycan muss sich vor allem sportlich wie ein Elfer fahren.

Die Kritik am SUV wächst, vor allem nach dem Unfall in Berlin mit einem Porsche Macan, bei dem mehrere Fußgänger getötet wurden. Was sagen Sie dazu?

Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer. Ich verstehe aber nicht, dass man diesen schrecklichen Unfall zum Anlass nimmt, um eine generelle Diskussion über SUV zu führen. Mit kritischen Stimmen muss man sich auseinandersetzen. Ich finde es problematisch, immer gegen alles zu sein, ohne eine bessere Lösung zu haben.

Was heißt das konkret, bezogen auf den SUV?

Ich halte wenig von Regulierungen. Man muss das Thema weltweit sehen. Vor allem in Regionen wie Nordamerika und China genießen SUV großen Zuspruch der Kunden. Dort gelten die deutschen SUV sogar eher als klein. Letztlich sind es verschiedene Gründe, die den Ausschlag für die Wahl eines SUV geben. Es gibt Kunden, die die höhere Sitzposition mögen und sich dadurch sicherer fühlen. Ältere Menschen steigen bequem in SUV ein. Und es gibt Fahrer, die einfach viel zu transportieren haben, und deshalb ein geräumiges Fahrzeug kaufen.

Wie groß ist ihre Angst, dass politisch gegen den SUV vorgegangen wird? Strafsteuern sind schon im Gespräch, Innenstadt-Verbote für SUV auch.

Ich vertraue darauf, dass die Politik nicht jedem Ball hinterherläuft, der ins Spiel gebracht wird. Ich finde es vielmehr kritisch, welche Diskussionskultur wir mittlerweile in Deutschland haben.

Was nervt Sie?

Mein Eindruck ist, dass es häufig nur noch gegen etwas geht, anstatt zusammen konstruktiv nach Lösungen zu suchen. Vielleicht gehören auch verkehrsfreie Innenstädte dazu. In Stuttgart leben wir auch in einer Stadt, die vom Verkehr gebeutelt ist und unter vielen Baustellen leidet. Aber einen einzelnen Punkt heraus zu picken, bringt herzlich wenig.

Was kann Porsche in diesem Zusammenhang leisten?

Nachhaltigkeit ist für uns wichtig. Dabei betrachten wir die gesamte Prozesskette im Unternehmen, von der Entwicklung und der Beschaffung über die Produktion bis hin zum Recycling. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, CO2-neutral zu werden. In der Produktion haben wir den CO2-Verbrauch pro Fahrzeug bereits um 75 Prozent reduziert. Unsere neu errichtete Taycan-Fabrik ist bereits komplett CO2-neutral.

Der Taycan ist ein Elektroauto. Bei ihren Modellbezeichnungen bleiben sie aber extrem konservativ: Turbo und Turbo S, obwohl dieses Auto keinen Turbolader hat. Warum?

Unsere Kunden wissen, dass der Turbo S immer die stärkste Porsche-Version ist. Danach kommen die Turbo-, GTS- und S-Modelle. Auch beim Taycan bleiben wir bei dieser bewährten Nomenklatur. Die Diskussionen im Internet darüber habe ich verfolgt. Wenn ein Leichtathlet auf die Zielgerade einbiegt, sagt man auch, er schaltet jetzt den Turbo ein. Das darf man also ruhig etwas lockerer sehen.

Zeigt der Taycan, dass Ferrari, Lamborghini, McLaren oder Mercedes-AMG eine Chance verpasst haben, sich mit einem E-Sportler neu zu positionieren?

Unser Taycan zeigt, dass es möglich ist, eine Sportwagenmarke elektrisch zu positionieren. Auch ein Porsche-Elektrosportwagen ist 100 Prozent Porsche. Das macht unser Unternehmen aus: Nur, weil wir uns stets verändert haben, ist Porsche immer Porsche geblieben. Trotzdem sehe ich den Taycan erst als Anfang, es gibt noch viel Potenzial. Wir bringen nun hoch attraktive vollelektrische Produkte auf den Markt.

Wird Porsche jetzt cooler als Tesla?

Ich vergleiche lieber Porsche mit Porsche. Wir werden ganz sicher immer wieder ein Stück cooler. Ich finde sowieso, dass der Begriff cool zu Porsche passt – cool, aber auch sympathisch.

Haben Sie es als Sportwagenhersteller sogar leichter, in die Elektromobilität zu gehen, weil Ihre Kundschaft ohnehin nie große Reichweiten gewohnt war?

Ja sicher, das Thema Reichweite hat bei Sportwagen-Fans noch nie eine tragende Rolle gespielt. Ich habe jedenfalls noch keinen 911 GT3-Kunden getroffen, der mich gefragt hat, wie weit er mit dem Auto kommt.

Sie haben über 30.000 Taycan-Vorbestellungen. Und Sie verdoppeln die geplante Produktionszahl auf 40.000 pro Jahr. Damit ist die Stuttgarter Fabrik voll ausgelastet. Was machen Sie, wenn der Run auf den Taycan noch größer wird?

Das wäre ein Grund zur Freude. Im Moment konzentrieren wir uns darauf, die Taycan-Produktion planmäßig hochzufahren. Ende dieses Jahres wollen wir die ersten Fahrzeuge an unsere Kunden in den USA ausliefern. Anfang nächsten Jahres geht es dann in China und Deutschland los.

Beim VW ID.3 gibt es immer wieder Gerüchte über Schwierigkeiten bei Entwicklung und Produktanlauf. Schließen Sie das für den Taycan aus?

Beim Auto selbst sind wir sehr weit. Trotzdem ist das ein ganz besonderer Produktanlauf für uns, der eine neue Fabrik, ein neues Auto und eine neue Antriebstechnik gleichzeitig beinhaltet. Das ist nicht ohne. Aber solche Herausforderungen zu meistern, ist unser Job.

Wo geht‘s hin mit der Elektromobilität, wie sehen Sie die Zukunft?

Meine Vorstellung ist, dass die Fahrzeuge in zehn Jahren rund 1.000 Kilometer Reichweite haben und das Nachladen so schnell geht wie heute das Tanken. Weiterhin sollten die Fahrzeuge zu 100 Prozent recyclingfähig sein. Die Versorgung erfolgt aus regenerativem Strom. Und die Fahrzeuge werden CO2-neutral gefertigt.

Wie wird der künftige elektrische Macan vom Taycan profitieren können?

Der neue Macan wird ein völlig eigenständiges Porsche-Produkt sein, das wir für die Elektromobilität neu konzipieren. Er wird sicherlich von unserer Erfahrung mit dem Taycan profitieren. Auch weiterentwickelte Taycan-Komponenten werden wir im Macan sehen.

Woher kommen die Kunden für den Taycan?

Der Taycan-Kunde ist Marken-affin, legt Wert auf einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und ist ein Tech-Fan. Etwa die Hälfte der Kaufinteressenten besitzen bisher noch keinen Porsche. Viele leben im urbanen Umfeld, in China beispielsweise kommt die Hälfte der Kunden aus den fünf größten Städten des Landes.

Welche Märkte sind besonders stark beim Taycan?

China, Nordamerika und Deutschland, unsere Top-3-Märkte, werden auch beim Taycan einen Großteil der Käuferschaft ausmachen. Länder wie Norwegen, die heute schon einen hohen Anteil von elektrischen Fahrzeugen an der PkW-Flotte haben, werden mit dem Taycan an Bedeutung gewinnen.

Wie geht es bei den Plug-in-Hybriden weiter?

Plug-in-Hybride sind eine sehr attraktive Technologie, bei der wir in der Zukunft noch größere elektrische Reichweiten erzielen werden. Unsere Plug-in-Hybrid-Modelle sind echte Performance-Autos. Beim Panamera entscheiden sich bereits mehr als 60 Prozent der Kunden in Europa für einen Plug-in-Hybrid. Für die kommenden zehn bis 15 Jahre stellen wir uns aber auf einen Dreiklang bei den Antriebskonzepten ein. Porsche wird neben attraktiven Plug-in-Hybrid-Modellen Autos mit optimierten Verbrennungsmotoren und rein elektrisch betriebene Sportwagen parallel anbieten.

Wenn die Euro7-Norm kommt, könnten größere Hubräume beim Erreichen der Grenzwerte helfen. Bedeutet dies das Ende für den Vierzylinder-Boxermotor im Porsche 718 Boxster und Cayman?

Auch das muss man sich weltweit anschauen. Der Vierzylinder hat eine sehr hohe Akzeptanz in China. China ist unser stärkster 718-Markt überhaupt. Den Cayman GT4 haben wir vor Kurzem mit einem Sechszylinder auf den Markt gebracht. Es gibt durchaus Ideen, das Sechszylinder-Projekt noch weiterzuführen.

Wie geht es beim 911 weiter? Wird es da eine Elektroversion geben?

Elektrisch sehe ich den Elfer nicht, weil er dafür einfach nicht konzipiert ist. Der 911 ist die Ikone der Marke Porsche und eine feste Größe in der Produktpalette. Er wird noch lange mit einem Verbrennungsmotor unterwegs sein. Wir haben seine Plattform aber so konzipiert, dass wir einen Hybrid draufsetzen können. Wir warten noch eine Evolutionsstufe bei den Batterien ab, dann wird ein 911 Hybrid eine absolute Speerspitze sein. Das System kann man so sportlich ausprägen, wie wir es beim 919 Hybrid gemacht haben.

Wann wird das sein?

Bis dahin sind es schon noch drei bis vier Jahre hin. Ich möchte den 911 zudem als Verbrenner so lange durchfahren, wie es möglich ist.

Dann gilt diese Aussage für diese und für die nächste Generation des 911?

Ja.

Wird auch das Heckmotorprinzip so lange bleiben?

Ja. Solange wir im 911 Verbrenner einbauen, wird es beim Heckmotor bleiben.

Vermissen viele Ihrer Kunden den Diesel?

Das Thema ist für uns abgeschlossen. Für uns war es auch eine Frage der Priorisierung. Der Wechsel ausschließlich auf Benziner, Hybride und den vollelektrischen Taycan hat das Profil von Porsche noch einmal geschärft.

Wie wird es mit der IAA weitergehen, nach den vielen Hersteller-Absagen?

Ich halte Messen nach wie vor für wichtig, da sie einen guten Überblick über die gesamte Branche geben. Allerdings würde ich am Konzept etwas ändern. Es geht darum, wie man junge Zielgruppen besser erreicht. Da gibt es viele Möglichkeiten. Bei Porsche hatten wir in diesem Jahr an unserem IAA-Stand eine Art Kinoformat. Dort konnte man sich hinsetzen, sich zu verschiedenen Themen informieren und unterhalten lassen. Das ist sehr gut aufgenommen worden.

In der kritischen Diskussion rund ums Auto: Hat Porsche da eine besondere Rolle?

Wir haben sicher eine Vorbildfunktion. Allerdings merken wir auch, dass die Kritik eine sehr deutsche Diskussion ist. Meine Kollegen aus dem Ausland fragen mich immer, warum ausgerechnet hier unsere stärkste Industrie infrage gestellt wird. Mit der Automobilindustrie ist Deutschland groß geworden. Sie hat viel zu unserem heutigen Wohlstand beigetragen. Für Leute von außerhalb ist es unverständlich, was gerade in Deutschland passiert. Wir als Hersteller haben jetzt aber auch große Chancen. Bei Porsche haben wir uns bewusst entschieden, den Taycan in Deutschland zu bauen. Dafür haben wir in Zuffenhausen einen gewaltigen Umbau unseres Stammwerks erfolgreich durchgeführt. Wir haben 1.500 qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen. Zudem hat man als kleineres Unternehmen mehr Möglichkeiten, Nachhaltigkeitsprogramme schneller und konsequent umzusetzen. Das sind Erfolge, die dem Staat und dem Gemeinwohl zugutekommen.

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