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GreenTeam - Formula Student
Von Null auf 100 in 1,461 Sekunden - Weltrekord

Ein Stuttgarter Studenten-Team schickt eine elektrische Carbon-Kugel ins Rennen um die Zukunft – auch fahrerlos – Codename E0711-12. Aktuell hält diese mit 1,461 Sekunden den absoluten Sprintrekord.

Formula Student
Foto: Achim Hartmann

Formula Student – noch nie gehört? Die studentische Rennserie gibt es schon seit mehr als zwei Jahrzehnten, doch es kennt sie längst noch nicht jeder. Dabei gilt sie als "die" Talentschmiede für den Motorsport, bei der es aber primär gar nicht um die Fahrerei geht. Vielmehr stehen Fahrzeug-Engineering und Teambuilding – also der Aufbau und die Finanzierung eines Rennteams sowie das gesamte Marketing samt Sponsoring drumherum – im Fokus. Eben alles, was bei der Rennerei im Hintergrund läuft. Klingt spannend? Ist es auch – sogar hoch spannend im Falle des E0711-12.

Unsere Highlights
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Achim Hartmann
Mit jugendlicher Leichtigkeit rangieren nur vier Studis den 185 Kilogramm leichten Monoposto.

Hinter der etwas sperrigen Bezeichnung steckt die Stuttgarter Vorwahl, denn das "GreenTeam" startet im Namen der Uni Stuttgart. Das E steht, richtig geraten: für "Elektro". Und die 12 für die Auto-Generation. So lange tritt das Team also schon im Formula-Student-Wettbewerb an. Wobei es "das Team" gar nicht gibt. In jeder Saison, die stets im September mit der Konstruktions- und Planungsphase startet, finden sich Studierende zusammen, um ein völlig neues Fahrzeug zu bauen. "Klar profitiert man von Erfahrungen der Vorgänger", erzählt der verantwortliche Chassis-Konstrukteur Jan Bauer. Hilfe oder gar Mitarbeit von Professoren und Ingenieuren aus der Industrie seien jedoch verboten.

Fast so wie im Motorsport

Denn das Ganze ist ein interdisziplinäres Projekt, bei dem parallel zur technischen Entwicklung ein tragfähiger Businessplan und ein Vermarktungskonzept für eine Kleinserienfertigung entstehen. Auch deren Vorstellung ist Teil des "scharfen Wettbewerbs". Insgesamt gilt es dabei in drei statischen und fünf dynamischen Disziplinen zu überzeugen: Bei den Fahrprüfungen wird in drei verschiedenen Klassen gestartet – "Combustion" mit Verbrennungsmotor, "Electric" mit rein elektrischem Antrieb und "Driverless", sprich automatisiertes Fahren.

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Achim Hartmann
Vier E-Motoren im Konservendosen-Format samt fahrradartigen Scheibenbremsen bewohnen die Radnaben – alles fast vollständig verdeckt von leichten Vollcarbonfelgen.

Ja, richtig gelesen: Der Carbon-Einbaum kann auch ohne Pilot schnell fahren. Natürlich nur auf abgesperrter Strecke und mit Pylonen zur Orientierung für das Lidar-System. Wie bitte? Das steht für "Light Detection and Ranging", ist also eine rein auf Laser gestützte Umfelderkennung, wie sie auch in Serienfahrzeugen zum Einsatz kommt, dort aber meist mit Kameras kombiniert wird. Die Technik versteckt sich hier in der kleinen Box vor dem Cockpit. "Theoretisch kann das Auto im Parcours dabei sogar schneller fahren als ohne den 55 bis 85 Kilogramm schweren Ballast, also den Fahrer", scherzt Matthias Poser, der für das Shooting im auto motor und sport-Studio schon mal ins Renn-Outfit schlüpft.

Muskelkraft statt E-Power

Damit der E-Renner sich im Fotostudio bewegt, ist jedoch erst mal Muskelkraft gefordert, wobei vier Studierende zum Anheben und Rangieren genügen: Der E0711-12 wiegt nur 185 Kilogramm. Rund 45 davon entfallen auf den Akku als schwerstes Bauteil: Die 300 Pouch-Zellen vom chinesischen Hersteller Melasta zum Stückpreis von 33 Euro wurden von den Studenten des Stuttgarter Teams qualitätsgeprüft, verdrahtet und verbunden – wie genau, das ist eines der vielen Betriebsgeheimnisse. Wer das Team unterstützen möchte, kann sogar eine Zellpatenschaft übernehmen (www.greenteam-stuttgart.de). Denn tatsächlich gehört die Mannschaft nicht direkt zur Universität, sondern ist ein eingetragener Verein und somit auf Spenden oder materielle Unterstützung sowie Kooperationen angewiesen, wie die zahlreichen Sponsorensticker bezeugen.

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Ab 95 km/h könnte das Flügelmonster theoretisch an der Decke fahren.

Aber zurück zur hoch spannenden 600-Volt-Technik: Nur 7,67 kWh beträgt die Kapazität der Batterie. "Mehr braucht man nicht für einen Long-Run", meint Matthias Poser, der auch einer der Akku-Spezialisten der Studenten-Equipe ist. Wobei besagte Langstrecke eine 22 Kilometer kurze Teildisziplin beschreibt. Zur Einordnung: Die Eigenbaubatterie entspricht dem Lithium-Ionen-Akku eines Plug-in-Hybrids. Dort wiegt das Paket aber meist schon so viel wie hier das ganze Fahrzeug. Ein Grund dafür: Die Zellen werden lediglich luft- statt wie üblich ölgekühlt. Das spart Gewicht, ist wartungsfreundlicher sowie weniger störanfällig und natürlich einfacher zu konstruieren. Denn wie beim Rest des Renners ist alles Marke Eigenbau.

Semesterpausen für den Erfolg

Klingt nach Bastelbude? Von wegen! Die Technik und auch das Chassis entstehen natürlich im PC als 3-D-Modell. Zudem dient hier alles nur einem Zweck: so schnell und leicht wie möglich zu sein. Logisch, schließlich besteht der nicht mal drei Meter kurze und knapp 1,20 Meter flache Monoposto größtenteils aus CFK: "Die Carbonteile im Zielflaggen-Design backen wir bei einem Partner selbst im Autoklav", erzählt Bauer stolz. Ja, so sammelt man Praxiserfahrung und steigert seinen eigenen Marktwert für den Job nach der Zeit des Studiums. Wobei an Studieren nebenbei kaum zu denken ist – viele Teammitglieder legen extra Semesterpausen dafür ein.

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Pushrod-Radaufhängung im Mountainbike-Format samt bleistiftdünnen Radaufhängungsstreben.

Statt für Prüfungen zu büffeln, wälzt man wie üblich im Motorsport ein hunderte Seiten starkes Reglement, das nicht nur die Abmessungen und Bauart regelt, sondern auch die Leistung beschränkt. So dürfen die vier eigenentwickelten Radnabenmotoren im Wettbewerb je nur 20 kW der theoretisch möglichen 40 kW bei 21.000/min leisten, können beim Verzögern aber mit voller Leistung rekuperieren. Die Bremsscheiben, die denen eines Fahrrads ähneln, kommen also nur selten zum Einsatz.

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Der Begriff „Sitzposition“ ist hier irreführend, das CFK-Lenkrad wiegt ohne das Quick-Release-System keine hundert Gramm.

Noch entscheidender als die gewaltigen 1.484 Newtonmeter Systemdrehmoment der wassergekühlten E-Maschinen samt selbst entwickeltem Planetengetriebe (12,37 : 1) ist aber die Software. Nur mit intelligenter Antriebsregelung samt radindividueller Traktionskontrolle und Torque Vectoring lassen sich Sprintzeiten (0 bis 100 km/h) von unter 2 Sekunden und über 2 g Querbeschleunigung realisieren. Das müssen Sie jetzt mit eigenen Augen sehen? Dann besuchen Sie doch einfach einen der Formula-Student-Läufe, die von Anfang Juli bis Ende August in fünf Events in ganz Europa ausgetragen werden.

Elektro-Renner mir Rekordpotenzial

Welches Spurtpotenzial im Elektro-Flitzer steckt, haben die Studenten bei einer Rekordfahrt für das Guinness Buch der Rekorde gezeigt. Aufgestellt wurde die Rekordzeit für den Sprint von null auf 100 km/h von einem Elektrofahrzeug in nur 1,461 Sekunden bereits am 23. September 2022 auf dem Bosch-Testgelände in Renningen bei Stuttgart. Bestätigt wurde die Rekordfahrt am 6. Oktober 2022 durch die Guinness-Redaktion. Angetreten war der Studentenrenner in einer 180 kW starken Konfiguration.

Die Rekordjagd ist für das GreenTeam kein Neuland. Bereits 2012 holte man mit einer Zeit von 2,681 den Weltrekord zum ersten Mal. Nachdem zwischenzeitlich Teams aus den Niederlanden und der Schweiz die Rekordmarke weiter verbesserten, holten sich die Stuttgarter 2015 den Rekord mit 1,779 Sekunden zurück. Die Schweiz konterte abermals mit 1,513 Sekunden im Jahr 2016. Jetzt liegt der absolute Spurtrekord wieder in Stuttgart.

Fazit

Seit 2009 nimmt das GreenTeam der Uni Stuttgart an der Formula Student teil – einer internationalen Rennserie rund um elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Wie potent die Elektrorenner sind, zeigen immer wieder eingefahrene Sprintrekorde. Jetzt schraubten die Stuttgarter den absoluten Null-auf-100-Wert auf wahnwitzige 1,461 Sekunden runter.

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AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

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