MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"22538878","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}

Ex-BMW-M-Chef Markus Flasch im Interview
„Eigenständiges M-Modell wird kommen“

Der Manager gab auto motor und sport sein erstes Interview als M-Chef, nun sein letztes, übernimmt dann die Verantwortung für die BMW-Mittel- und Oberklasse-Baureihen. Im Gespräch zieht er Bilanz und gewährt einen Ausblick.

Markus Flasch, CEO BMW M GmbH
Foto: BMW
Herr Flasch, nach drei Jahren BMW M GmbH: Was haben Sie gelernt?

Vor allem habe ich gelernt, dass wenn man für die Dinge kämpft, die einem wichtig sind und unbedingt gemacht gehören, sie auch umgesetzt bekommt. Wir haben einige Sachen sowohl auf der Produkt- als auch auf der Organisationsseite zum Positiven hin verändert, speziell die Zusammenführung von M und Motorsport. Da kam zusammen, was längst wieder zusammengehört hat. Ebenfalls war es großartig, bei M eine Fanbase vorzufinden, mit der man direkt kommunizieren kann und unmittelbare Rückmeldung bekommt. Das passiert so in der Autoindustrie sonst eher nicht.

Unsere Highlights
Und auf welche Erfahrung hätten Sie am liebsten verzichtet?

Ach, da gibt es nichts Gravierendes. Wenn man seine Social-Media-Aktivitäten so ausweitet, wie wir es getan haben, werden die Beiträge natürlich auch von notorischen Nörglern kommentiert. Da muss man drüberstehen.

Für welche Dinge, die Ihnen wichtig waren, mussten Sie besonders hart kämpfen?

Es war nicht allen im Unternehmen klar, dass auch der Weg der M GmbH in Richtung Teil- und Vollelektrifizierung geht, wenn die Technologie so weit ist. Da war schon viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Und auch über die Frage, ob Motorsport eine Zukunft hat und wenn ja, wie die aussehen könnte, wurde viel diskutiert. Da gab es im Konzern sehr gegensätzliche Ansichten. Doch hinter dem Programm, das letztlich verabschiedet wurde, stehen jetzt auch wirklich alle.

Für welches Modell mussten Sie besonders hart kämpfen?

Dazu zählt sicher der M3 Touring, denn der war nie Teil einer unternehmensweiten Strategie. Der ist von kreativen Köpfen in Garching konzipiert worden und auf einmal wie ein U-Boot aus der Werkstatt aufgetaucht. Und der war so überzeugend gemacht, dass wir sehr schnell eine Freigabe für die Serienfertigung bekommen haben. Das ist für mich auch ein Zeichen, dass die Organisation extrem gesund, engagiert und intrinsisch motiviert ist.

Nun, die Idee des M3 Touring ist nicht wirklich neu. Weshalb kommt er ausgerechnet jetzt?

Die Gegebenheiten waren noch nie so günstig, da bei der G20-Generation des 3ers die Hinterachsen von Limousine und Touring vom Konzept her identisch sind. Dazu kommt, dass wir die jüngste Generation M3/M4 erstmals optional mit unserem Allradsystem M xDrive anbieten, was im Segment der High-Performance-Kombis unabdingbar ist.

Jetzt, da Sie die Geschäftsführung der M GmbH übergeben, gibt es immerhin ein vollelektrisches M Performance-Modell, ein zweites folgt bald. Und wie sieht es mit einem High-Performance-Modell aus?

Jetzt haben wir erstmal den i40 M50 und den bald ein weiteres Performance-Modell auf Basis des neuen iX. Dann zeigen wir demnächst das Konzept eines elektrifizierten High-Performance-Modells. Und im Rahmen der Neuen Klasse folgt dann ein großer Aufschlag von High-Performance-BEVs.

Wie wichtig ist denn bei einem High Performance-Plug-In-Hybrid die rein elektrische Reichweite?

Unser Ansatz ist der, dass das Auto eine förderfähige elektrische Reichweite hat, damit es auch im innerstädtischen Betrieb einen Nutzen hat.

Gibt es da Synergien mit dem LMDh-Motorsport-Projekt, das Sie für 2023 angekündigt haben?

Der Verbrennermotor in der LMDh kann von jedem Hersteller selbst definiert werden, ebenso die Leistungselektronik, lediglich die Hybrid-Elektro-Hardware ist Einheitstechnik. Da gibt es durchaus Ähnlichkeiten mit dem High-Performance-Hybrid für kommende Straßenmodelle wie dem bereits erwähnten Konzept. Dieser Antrieb wäre auch für den nächsten M5 denkbar, Technik aus dem Langstrecken-Rennsport für unsere Langstrecken-Straßenmodelle sozusagen.

Bei der Zusammenführung der M GmbH und der Motorsport-Abteilung stand das Organisatorische im Vordergrund. Wann profitieren die ersten Produkte von diesem Schritt?

Dafür blieb mir ja nur ein Jahr Zeit, da ich zuvor mit M, der Einleitung der Transformation und der Vorbereitung der Produktionsanläufe beschäftigt war. Wir haben übrigens festgestellt, dass sich noch immer sehr viele junge Menschen für Motorsport begeistern. Das ist also nicht nur was für die älteren Generationen. Daher war die Integration von Motorsport sehr wichtig. Motorsport ist nun ein zentraler Anker der Marke BMW M. Das erste Auto, das unter diesem Einfluss entstand, ist der M4 GT3. Er ist auch das erste Rennfahrzeug seit dem DTM-M3 E30, das wieder in Garching gebaut wird, teilweise sogar von den gleichen Leuten. Nächstes Jahr folgt dann der M4 GT4. Und 2023 sind wir dann mit dem LMDh-Auto in Daytona am Start. Damit ist das Motorsport-Programm so stringent wie nur möglich.

Zurück auf die Straße: Bei unserem ersten Interview vor drei Jahren sagten Sie, dass ein eigenständiges M-Modell nicht zwangsläufig ein Sportwagen sein muss. Das angesprochene Konzept mit PHEV geht nach unseren Informationen in die Crossover-Richtung. Ist das also das erste eigenständige M-Modell seit dem M1?

Nun, es wird auf jeden Fall wieder ein eigenständiges M-Modell geben.

BMW M1, Frontansicht
Hans-Dieter Seufert
Der M1 soll als eigenständiges Auto der M GmbH nun endlich beerbt werden.
Womöglich doch ein Sportwagen?

Unser Markenkern ist nach wie vor Rennsport und High Performance auf der Straße. Allerdings wollen wir auch Kunden an uns binden, die auf expressiven Luxus stehen. Mit dem M8 und seinen Derivaten ist das zum Teil schon gelungen, doch da gibt’s ein Segment, in dem richtig viel los ist und in dem wir noch nicht vertreten sind. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Sie sagten damals auch, dass Sie für eine Reihe emotionaler Sondermodelle sorgen werden. Mit M2 CS und M5 CS haben Sie bereits geliefert. Können Sie nun einen M4 CSL bestätigen? Man sieht da ja Prototypen herumfahren…

So gesehen ist das Auto ein offenes Geheimnis. Im Gegensatz zu den beiden anderen von Ihnen genannten Modellen spielt dabei die Viersitzigkeit übrigens keine Rolle. Das Auto wird deutlich entschlackter und zugespitzter als ein CS.

Wir dürfen also mit einer Gewichtsersparnis im gut dreistelligen Bereich rechnen?

Ja, wir streben eine Gewichtsersparnis im dreistelligen Bereich an.

…und es ist definitiv ein unelektrifiziertes Modell. Wie bekommen Sie denn die M-Verbrennungsmotoren fit für die Euro7-Abgasnorm?

Keine Sorge, wir haben technische Lösungen gefunden, um unseren Reihensechszylinder-Verbrennungsmotor noch mindestens bis Ende des Jahrzehnts im Angebot behalten zu können – sowohl für Straßen- als auch für Rennsport-Fahrzeuge.

Wie sehen diese Lösungen aus?

Da kann ich nicht ins Detail gehen. Wir haben uns jedenfalls intensiv mit dem Brennverfahren auseinandergesetzt, um auf platz- und gewichtstreibende Nebenaggregate verzichten zu können. Egal, wie scharf EU7 wird: Wir wissen, dass unser Ansatz funktioniert. Das gilt übrigens auch für unseren V8-Motor.

Demnach ist auch kein Downsizing mehr nötig, beispielsweise in Form eines elektrifizierten Vierzylinder-Triebwerks?

Im High-Performance-Bereich beschäftigen wir uns aktuell nicht damit.

Sie sprachen vorhin den direkten Draht zu den Kunden an. Wenn Sie das betrachten, wie weit ist M dann heute noch von einem rein elektrischen Modellangebot entfernt? 15, 20, 25 Jahre oder gar noch länger?

Uns geht’s nicht darum, eine kategorische Antwort auf so eine Frage zu geben. Wir wollen und müssen handlungsfähig bleiben. Vollelektrisches Fahren ist auch für BMW M die Zukunft. Aber wann? Das ist derzeit nicht klar, auch weil der Verbrennungsmotor im Kunden- und Spitzen-Motorsport noch sehr lange eine große Rolle spielt. Allein deshalb braucht es ein Angebot im Serienbereich. Ich kann aber versprechen: Ab der zweiten Hälfte des Jahrzehnts, haben wir alle Antriebsarten im Angebot, also Verbrenner, High-Performance-Hybrid und rein elektrisch, die sich hervorragend ergänzen.

Aber ein elektrischer Tourenwagen ist noch nicht in Sicht?

Der Köder muss dem Fisch schmecken. Ich halte nichts davon, jemand etwas aufzudrücken, von dem nur wir glauben, dass es richtig ist. Aktuell sehen wir weder den Bedarf noch die Bereitschaft der Teams, so ein Auto einzusetzen. Ich möchte den Rennsport nicht missbrauchen, um eine künstliche Begeisterung zu erzeugen. Man kann niemand zur Begeisterung zwingen. Dafür gibt’s im Motorsport ja auch Belege.

Also noch nicht einmal ein Markenpokal mit E-Fahrzeugen?

Für uns ist der M2 CS Racing-Cup im Rahmen der DTM in erster Linie ein Instrument zur Nachwuchsförderung. Es ergibt keinen Sinn, junge Talente in ein elektrisches Auto zu setzen, nur um eine Technologie zu propagieren, und die Fahrer können das dort gelernte in den nächsten Stufen ihrer Karriere nicht anwenden, weil dort die Fahrzeuge völlig anders sind. Mir ist im Motorsport sehr an der Ausbildung gelegen, deshalb haben wir ja auch wieder das BMW Junior Team etabliert, für das Jochen Neerpasch die Rolle des Mentors übernommen hat. Das trägt auch dazu bei, dass die Community größer wird und erweckt nicht den Anschein, dass wir künstlich Begeisterung generieren wollen.

Fürs Junior Team sind Sie schon ein paar Tage zu alt, haben aber dieses Jahr die ersten Schritte im Auto-Rennsport unternommen. Wie war das?

Als ich den Motorsport-Bereich übernommen habe, war klar, dass ich auch mal selbst Rennen fahren muss, um das Thema zu verstehen. Dabei habe ich mir ein klares Ziel gesetzt, und das war die Teilnahme am 24 Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Dementsprechend wurde ein Ausbildungsprogramm angelegt. Dadurch habe ich verstanden, wie Kundenmotorsport funktioniert und auch über den Spitzenmotorsport habe ich etwas gelernt – und was es heißt, ein beherrschbares Rennauto zu entwickeln, bis hin zum M4 GT3. Aber das 24-Stunden-Rennen zählt definitiv zu den spektakulärsten Dingen, die ich in meinem Leben erlebt habe, mit allen erdenklichen Gefühlszuständen von Angst bis Euphorie. Der Respekt vor denjenigen Sportlern, die das zum Teil schon seit Jahrzehnten auf Top-Niveau betreiben, ist dadurch nochmals beträchtlich gewachsen.

Vita

Markus Flasch, geboren 1980 in Salzburg, Österreich. Von 1999 bis 2003 studiert er in Graz Automotive Engineering, schließt mit einem Master ab. Weiterer Abschluss: 2004, Diplom-Ingenieur. Seine Diplomarbeit verfasste der Ingenieur über die Gegenwindempfindlichkeit von Automobilen am Beispiel des Audi A2 TDI 3L. Danach ist Flasch bei Magna tätig, zuletzt als Vorstand Operations & Quality Europe. Am 1. Juni 2015 beginnt er bei BMW als Qualitätsverantwortlicher für die Oberklasse, leitet vor seinem Wechsel zur M GmbH am 1. Oktober 2018 die Entwicklung der Achter-Reihe. Seit 1. November 2021 verantwortet er die Mittel- und Oberklasse-Baureihen von BMW, die erstmals in einem Ressort zusammengefasst werden. Eine Station, die innerhalb des Konzerns als Bewährungsprobe für den Job als Entwicklungsvorstand gilt. In seiner Funktion als Geschäftsführer der M GmbH nahm er auf einem M2 CS Racing am 24 Stunden Rennen auf dem Nürburgring teil, doch seine Rennstrecken-Karriere begann er auf dem Motorrad. Flasch ist verheiratet, Vater von zwei Kindern. Er lebt mit seiner Familie auf einem Bauernhof im Pongau nahe Salzburg. Um ihn zu erwerben, musste der Manager eine landwirtschaftliche Grundausbildung absolvieren. Doch um die Nutzflächen sowie die zehn Schafe kümmert sich ein Landwirt aus der Nachbarschaft.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 15 / 2024

Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten