Das Land Baden-Württemberg weiß um die Rolle der Unternehmen sowie der Wissenschaft und kennt deren aktuelle Situation. e-Mobil BW wurde 2010 gegründet und begleitet operativ diese Veränderungen. Dies geschieht in drei Säulen: Transformation der Automobilwirtschaft, Wasserstoffwirtschaft und digitale Themen der Mobilität. Wir initiieren Projekte, die häufig gefördert sind, wir bauen Netzwerke auf und sogenannte Cluster. Hier arbeiten Unternehmen und Wissenschaftler eng zusammen und besprechen mit kleineren und mittleren Unternehmen, übrigens nicht nur solche aus dem Automobilbereich, konkrete Transformationsschritte.
Der stärkste Faktor für die aktuelle Krise sind die weltweiten Überkapazitäten der Hersteller. Es existiert eine viel höhere Fabrikkapazität, als die Marktabnahmen es hergeben würden. Hinzu kommen weitere Effekte, die die Veränderung beeinflussen. Das ist vor allem die Regulatorik, vorwiegend die Flottengrenzwerte der Hersteller. Darin spiegelt sich das Klimathema. Dann gibt es eine Vielzahl neuer Marktteilnehmer, die auch aus anderen Technologiebereichen kommen, zum Beispiel aus der IT. Und wir haben zurückgehende technische Felder wie den Verbrennungsmotorenbau, andererseits große Wachstumsfelder wie Elektrik/Elektronik und Software. Die Summe dieser Effekte sorgt dafür, dass die Unternehmen der Automobilwirtschaft sich sehr stark umstellen müssen. Die Unternehmen sind gut darauf vorbereitet und arbeiten sehr intensiv daran. De facto muss man aber sagen, dass solche Umstellungen nur mit erheblichem finanziellen Aufwand und mit großem Aufwand im Hinblick auf das Personal zu bewerkstelligen sind.
Ich möchte damit anfangen, wo wir wirklich gut sind. Sehr gut sind gerade deutsche, aber auch europäische Unternehmen bei der Produktintegration von Elektromotoren, Batterien, Software. Wirklich hervorragend sind wir auch gerade in Baden-Württemberg als Forschungsstandort, wenn es um Batteriezellen geht, um Fertigungsanlagen für Batterien oder um Robotik. Doch wir haben in dieser Umstellungsphase auch erhebliche Nachteile. So zum Beispiel liegt bezogen auf Rohstoffe, die wir benötigen, und der Zellfertigung von Batterien ein Schwerpunkt in Asien. Damit ist der asiatische Raum nicht nur ein sehr großer Markt, sondern ein ernstzunehmender Mitbewerber für uns geworden.
Aktuell ist es so, dass man in Gesamteuropa versucht, Fertigungen von Chips, von Batteriezellen hier zu allokieren. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Absatzmarkt schnell genug steigt, damit sich Investitionen in neue Fabriken auch lohnen. Und so hängen Marktentwicklung und Industrieentwicklung in Europa stark zusammen.
Es ist sehr bedeutend, Technologien und ihre Einführung auch perspektivisch zu bewerten. Im Moment ist die Nutzung von Wasserstoff in der Mobilität noch zu teuer. Der Wasserstoff ist teuer, die Brennstoffzelle ist teuer, die Tanktechnologien sind teuer. Wir werden aber die chemischen Energieformen für unsere Mobilität brauchen. Und wir werden so etwa ab dem Jahr 2030 im Lkw-Bereich einen entstehenden Markt für Wasserstofffahrzeuge erleben. Auch hier gilt, dass man einen langen Atem haben muss, sowohl vonseiten der Investoren als auch von staatlicher Seite, um ein solches System kunden- und marktfähig zu gestalten. Eine Zukunftsmobilität ohne chemische Energie ist für viele Bereiche im Moment nicht vorstellbar. Bei Pkw liegt die Nutzung von Wasserstoff aufgrund der hohen Kosten möglicherweise jedoch noch weiter in der Zukunft.
Bei den Pkw werden wir noch sehr lange Verbrennungsfahrzeuge haben. Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir auch Wege finden, den Bestand der Fahrzeuge zu defossilisieren. Synthetische Kraftstoffe können dafür ein Schlüssel sein. Jetzt kommt das große Aber: Nach heutigem Stand der Technik sind sie viel zu teuer und werden keine Kundenakzeptanz finden. Die Lösung wäre auch viel teurer als Elektromobilität. Und weil das noch so ist, sehen wir weltweit wenig Investitionen in das Thema. Es sind weniger als ein Prozent der bisher angekündigten Anlagen überhaupt finanziert. Doch, und auch das ist wichtig, muss man das Thema kontinuierlich verfolgen. Mit technischem Fortschritt kann sich hier vieles bessern. Bei synthetischen Kraftstoffen reden wir zudem über eine Nutzungskonkurrenz. Wir müssen zunächst die Maschinen versorgen, die man nicht elektrisch betreiben kann, dazu gehören zum Beispiel Flugzeuge. Aus ingenieurtechnischer Sicht und auch aus Marktsicht sollte man wahrscheinlich bei knapper Menge eher das Thema Beimischung verfolgen als das Thema "synthetic fuel only".
Meine Prognose ist, dass wir in den nächsten zehn, 15 Jahren nicht zu relevanten Mengen für den Straßenverkehr kommen werden. Der Jahresmittelwert für Stickoxide beim Immissionsschutzgesetz sinkt 2030 von 40 auf 20 Mikrogramm pro Quadratmeter – wie sicher ist es, dass diese Verschärfung so umgesetzt wird? Meist spricht man ja von Emissionen, giftigen Abgasen oder CO₂. Doch neben den Emissionsgesetzen gibt es auch ein Imissionsschutzgesetz. Und hier werden die durchschnittlichen Werte der Stickoxide weiter vermindert. Das heißt, sie werden in der nächsten Regulierungsstufe halbiert werden. Dies ist europäische Regulatorik, die Nationalstaaten sind in der Pflicht, das umzusetzen. Dabei gibt es einen gewissen zeitlichen Spielraum. Voraussichtlich werden die Stickoxide-Regularien 2030 verschärft. Den genauen Zeitpunkt legt der deutsche Gesetzgeber fest. Die Frage ist: Wie erfüllt man das, denn das gilt dann sofort für alle Fahrzeuge. Je mehr Elektroautos Teil des Bestandes sind, desto mehr entlastet das bei der Erfüllung der Vorgaben. Je weniger Elektroautos unterwegs sind, desto höher ist das Risiko, dass man in Ballungsgebieten bei den Fahrzeugen, die viele Stickoxide produzieren, die Fahrten einschränken wird. Viele Stickoxide stößt in erster Linie der Diesel aus.
2024 war Europa das erste Mal Netto-Importeur von Autoteilen. Ursache war die hohe Anzahl von Batteriezellen, die importiert wurden. Die Wertschöpfung verschiebt sich einerseits in Richtung Elektrik bzw. Elektronik, und es ist so, dass inzwischen sogar Verbrennungsmotoren aus China nach Europa exportiert werden. Wichtig ist, dass Zulieferer die Chancen nutzen in den Wachstumsfeldern. Das sind batterietechnische Bauteile, das können Zellverbinder, Batteriegehäuse oder Batterie-Management-Systeme sein. Die gesamte elektrische Peripherie eines Verbrennungsmotors ist ein großes Wachstumsfeld. Das sind kleine Elektromotoren integriert in Getriebe, das sind elektrische Startergeneratoren, das sind aber auch die Elektromotoren für den Antrieb. Wir als e-mobil BW stehen gerade den Zulieferern und Unternehmen zur Verfügung, um diese Transformation zu unterstützen. Ein Thema, das relativ neu und für die Zulieferer wichtig ist: Dass sie zu ihren mechanischen Bauteilen zunehmend auch Software mitliefern müssen. Und diese Software wird häufig "open source" programmiert. Wir sind momentan aktiv dabei, um Zulieferer an das Thema "Free and open source"-Software heranzuführen.
Vita
Franz Loogen, Jahrgang 1963, ist seit 2010 Geschäftsführer der e-mobil BW GmbH – Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive Baden-Württemberg. Zuvor war er 20 Jahre in der Automobilindustrie tätig. Der studierte Maschinenbauingenieur setzt sich für die Weiterentwicklung klimafreundlicher Mobilität ein. Im Fokus: moderne Antriebe, regenerative Energietechnik und digitale Lösungen, internationale Vernetzung und gesellschaftliche Entwicklungen.