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Aerodynamik bei Sportwagen
Was Splitter, Spoiler und Co. bewirken

Splitter dran, Spoiler drauf, Diffusor drunter – und ab zur nächsten Rekordrunde. Stopp, die Aerodynamik von Sportwagen birgt etwas mehr Komplexität. Lust auf einen kleinen Einblick?

Aerodynamik bei Sportwagen, Lamborghini
Foto: Lamborghini

Hefte und Stifte raus, absolute Ruhe. Und jetzt notieren Sie bitte alle Begriffe, die Sie mit der Aerodynamik von Personenkraftwagen in Verbindung bringen. Wer abschreibt, fliegt raus. cW, also der Widerstandsbeiwert, aha, natürlich. Die Stirnfläche A? Hm, gut, die kennen schon deutlich weniger. Weiter: Wie sieht’s aus mit cAV, cAH? Na? Sie bezeichnen den Auftriebsbeiwert an Vorder- und Hinterachse. Muss ja auch niemand wissen, der nicht gerade ein neues Modell konstruiert. Dennoch treiben diese Werte speziell Entwickler von Hochleistungsfahrzeugen um. Der Anspruch: Schnelles Beschleunigen, hohe Endgeschwindigkeit – da sollte die Karosserie möglichst wenig Angriffsfläche für die Luft bieten. Und ja: ebenso, um den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Aber auch, um Luft kontrolliert dorthin zu leiten, wo sie helfen kann. Wie? Um den Auftrieb zu verringern.

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Besser noch: Abtrieb zu erzeugen, also einen negativen cAV und cAH. „Die größte Herausforderung für uns Aerodynamiker ist es, den Abtrieb zu erhöhen, ohne dass sich der Luftwiderstand verschlechtert“, bestätigt Thomas Wiegand, Leiter der Aerodynamik-Entwicklung bei Porsche. Dem steht gerne mal die Designphilosophie der eigenen Marke im Weg. Die Form des 911 beispielsweise erzeugt Auftrieb. „Durch adaptive Elemente wie beispielsweise den ausfahrbaren und in verschiedenen Winkeln anstellbaren Heckspoiler werden diese Auftriebskräfte so weit reduziert, dass sich eine ausgewogene Auftriebsbalance ergibt. Willkommener Nebeneffekt: Gleichzeitig werden auch der Luftwiderstand und damit Verbrauch und Emissionen reduziert. Da die adaptiven Elemente erst bei höheren Geschwindigkeiten ausgefahren werden, bleibt die 911-typische fließende Heckkontur bei niedrigem Tempo erhalten“, erklärt Wiegand. Zumal nicht jeder Kunde mächtige Flügel bevorzugt, wie zuletzt der Erfolg des GT3 mit Touring-Paket zeigte. Ob der abhebt? Nein, der Anstellwinkel des Heckflügels wurde erhöht, eine zusätzliche Abrisskante angebracht. Nur bei sehr hohen Geschwindigkeiten auf der Rennstrecke soll sich reduzierte Stabilität im Vergleich zum Standard-GT3 mit großem Flügel bemerkbar machen.

Flügel oder nicht?

Aerodynamik bei Sportwagen, McLaren
McLaren
Der unter fünf Kilogramm leichte Heckflügel des Senna wirkt um 25 Grad angestellt auch als Luftbremse. Luftkanäle sorgen für eine optimierte Durchströmung sowie Umströmung der Karosserie.

Bei Lamborghini wissen die Verantwortlichen ebenfalls um das Spannungsfeld Design und Abtrieb: „Wenn wir ein komplett neues Modell auf den Markt bringen, bietet das aus Aerodynamik-Sicht einen guten Kompromiss, es lässt sich einfach fahren, aber auch sehr schnell und bietet eine hohe Agilität. Dabei nehmen wir etwas Auftrieb an der Vorderachse in Kauf und stimmen darauf den Allradantrieb ab. Daher können wir auf große Flügel und Spoiler verzichten – und sie später bei rennstreckenorientierten Varianten einsetzen. So wie das ALA-System, das wir beim Huracán Performante erstmals gezeigt haben und das nun auch der Aventador SVJ nutzt“, sagt Antonio Torluccio, verantwortlich für die Aerodynamik bei Lamborghini. Zugunsten einer besseren Stabilität bei hohen Tempi und einer höheren Querbeschleunigung nimmt Torluccio „einen um drei bis vier Prozent schlechteren Widerstandsbeiwert“ in Kauf. Generell gilt es, sowohl die Umströmung als auch die Durchströmung eines Fahrzeugs zu optimieren. Während Letztere vor allem dazu dient, die Abwärme von Antrieb und Bremsen möglichst effizient abzuführen, beeinflusst Erstere das Fahrverhalten maßgeblich.

Für Marcus Waite, den verantwortlichen Ingenieur für den 800 PS starken McLaren Senna, heißt die Schlüsseltechnologie ebenfalls aktive Aerodynamik: „Das gibt uns viel mehr Freiheit, so können wir die Balance und den Widerstandsbeiwert auf einer Rennstrecke situationsabhängig beeinflussen.“ Der unter fünf Kilogramm leichte Heckflügel arbeitet entweder als Luftbremse, erhöht den Abtrieb oder stellt sich flach für mehr Topspeed. Der Anstellwinkel variiert um bis zu 25 Grad. An der Fahrzeugfront arbeiten die Flaps entsprechend gegensätzlich. Darüber hinaus senkt sich die Karosserie unter Rennbedingungen um 50 Millimeter ab, um den sogenannten Bodeneffekt für nochmals höheren Anpressdruck zu nutzen. Hierbei hilft natürlich auch eine möglichst große und glatte Unterbodenfläche. Historischer Exkurs: In den 70er-Jahren experimentierten Chapparal und Brabham mit Gebläsekonstruktionen an ihren Rennwagen, mit denen die Luft unter dem Fahrzeug abgesaugt werden sollte. Wie Sportwagen heute wohl aussähen, hätte sich das durchgesetzt? McLaren-Ingenieur Waite setzt durchaus auf die Motorsportkompetenz seines Arbeitgebers, denn die aktive Aerodynamik bedient sich des DRS-Prinzips (Drag Reduction System, also Luftwiderstands-Reduzierungs-System), das in der Formel 1 seit 2011 zum Einsatz kommt.

Zudem profitiert der Entwicklungsprozess vom Formel-1-Engagement: „Das Team nutzte sowohl CFD (Computational Fluid Dynamics, numerische Strömungsmechanik, Anm. d. Red.) nach F1-Standard als auch den Windkanal intensiv. So können Änderungen schnell in den Designprozess eingesteuert werden.“ Also keine Testfahrten mehr? „Natürlich müssen wir testen, die Berechnungen validieren. Da das mit wenig Tarnung geschehen muss, fahren wir diese Versuche meist nachts auf einer abgeschotteten Teststrecke.“ Antonio Torluccio pflichtet ihm bei: „Speziell das Zusammenspiel der Aerodynamik und des Fahrwerks-Set-ups unter dynamischen Bedingungen ist schwierig zu simulieren. Hier haben wir zwar schon große Fortschritte gemacht, doch ausschlaggebend ist am Ende die Rückmeldung eines echten Fahrers“, sagt der Lamborghini-Ingenieur. Aber auch: „70 Prozent der Aerodynamik können simuliert werden“ – was in Anbetracht der immer komplexeren Technologie unumgänglich ist.

Klappe auf, Klappe zu

Aerodynamik bei Sportwagen, Lamborghini
Lamborghini
Die Klappen des ALA im Bereich des Bugs ebenso wie die vor dem Heckflügel lassen sich seitenselektiv öffnen und schließen. Neben dem Diffusor bewirkt noch der geglättete Unterboden mehr aerodynamische Effizienz.

Das System Aerodinamica Lamborghini Attiva, kurz ALA (heißt auf Italienisch tatsächlich „Flügel“), arbeitet nicht mit verstellbaren Flügeln, sondern mit Klappen im Frontflügel und in den Anströmungskanälen des Heckflügels. Sind sie geöffnet, reduziert sich der Widerstand, geschlossen erhöhen sie den Abtrieb. Die Klappen im Heckbereich lassen sich seitenselektiv steuern, erhöhen so den Anpressdruck auf das entlastete Hinterrad, senken also cAH weiter in den Negativbereich. Für Torluccio eine Technik mit Zukunftspotenzial, natürlich: „Dadurch dass der Flügel selbst starr bleibt, sparen wir Gewicht. Und die Ansprechzeit der aktiven Elemente ist minimal.“ Besonders groß findet er den Flügel noch nicht einmal: „Die Last pro Quadratmeter ist beeindruckend hoch. Für rennstreckenfokussierte Sportwagen ist ein aufgesetzter Flügel nach wie vor die effizienteste Lösung, Abtrieb zu generieren.“

Bei Porsche widerspricht man nicht, die Elfer-Derivate aus der Motorsportabteilung wie der GT2 RS und GT3 RS nutzen ebenfalls große, starre Flügel – die auf aktive Komponenten verzichten. Worauf sie nicht verzichten: auf die Hinterachslenkung. Was die mit Aerodynamik zu tun hat? Nun, sie wird von dieser Technik beeinflusst. Da bei hohem Tempo die hinteren parallel zu den vorderen Rädern mitlenken, verlängern sie sozusagen virtuell den Radstand, erhöhen also die Fahrstabilität – eine Aufgabe, die sonst die Aero mitübernehmen muss. Porsches Chef-Aerodynamiker Wiegand glaubt daher an die Zukunft adaptiver Systeme. Dabei spielen Fahrwerkstechnologien eine ebenso wichtige Rolle wie Spoiler, Flügel oder verstellbare Kühlluftlamellen.

„Je nach Baureihe helfen heute schon adaptive Dämpfer oder Luftfederung, die Karosserie in einem bestimmten Geschwindigkeitsbereich abzusenken“, sagt Wiegand. Wegen? Richtig: wegen des Bodeneffekts. Bonusfrage: Welcher Serien-Porsche bediente sich als erstmals dieses Kniffs? Richtig, der 959, jener in der Stückzahl limitierte, mindestens 420.000 Mark teure Superlativ auf vier angetriebenen Rädern, der zwischen 1986 und 1988 gebaut wurde. Das erste Modell mit einem elektrisch ausfahrbaren Heckspoiler debütierte 1989: der 911 Carrera 4 der Baureihe 964. Dadurch verringerte sich der cAH von 0,18 auf 0,02. Ebenfalls in der Entwicklung: Materialien, die durch Anlegen einer Spannung oder Temperaturunterschiede ihre Form verändern und so die Aerodynamik beeinflussen. Also alles adaptiv in Zukunft? Offensichtlich. Nur eines nicht: die physikalischen Bemessungsgrößen. Also gut merken. Vielleicht fragen wir Sie noch einmal ab.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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