Keine Sorge, wir torpedieren Sie hier nicht mit reißerischen Schlagwörtern, die andeuten, dass Sie mit dem richtigen Expertenwissen praktisch gratis mit luxuriösen E-Autos durch die Gegend fahren können, nur um dann am Ende des Artikels einen fetten Haken zu verstecken. Umsonst gibt es auf dem Automarkt nämlich auch in Zeiten wie diesen nichts, aber dafür gibt's auch keinen Haken – versprochen!
Wie viel Wertverlust ist normal?
Es geht nämlich um ein Phänomen, das Sie möglicherweise schon längst selbst im heimischen Autohaus bemerkt haben. Die einstigen EV-Vorreiter der deutschen Premiumhersteller stehen zu tausenden als frische Gebrauchtwagen bei den Händlern, und zwar zu verlockend günstigen Preisen. Da können oft weder gleichwertige Verbrenner mithalten, geschweige denn ihre fabrikneuen Äquivalente. Selbst EV-Neuwagenkäufer dürften ins Stutzen kommen, wenn ein optisch identisches Fahrzeug für den halben Preis in der Gebrauchtreihe steht. Warum ist das so? Und viel wichtiger: Was bedeutet das für die möglichen Interessenten, die in genau diesen technisch hochwertigen Fahrzeugen einen richtig guten Deal wittern?
Zunächst ist es wichtig, zu erläutern, worüber wir hier genau sprechen. Es geht um Premiumautos, die sich oftmals an solventen Vielfahrern ausrichten. Egal, ob als SUV oder nicht, sind die Fahrzeuge deutlich oberhalb der Mittelklasse angesiedelt. So müssen sie sich mit altgedienten Verbrenner-Größen aus der Business-Klasse, wie z.B. dem Audi A6 oder der Mercedes E-Klasse, messen. Wer sich für solch ein Auto entscheidet, tut das in der Regel, weil er großen Wert auf Komfort, Sicherheit, hochwertige Technik und edle Materialien legt – oftmals schlicht, weil er täglich viele Stunden auf der Straße verbringt. Als Neuwagen, freilich mit ganz unterschiedlichen Motorisierungen, bewegt man sich schon seit langem bei Preisen zwischen 60.000 und 100.000 Euro, ganz gleich ob als Verbrenner oder EV. Zu dieser wichtigen Einordnung darf der Wertverlust nicht außer Acht gelassen werden. Bei gefragten Verbrennermodellen in guter Ausstattung lässt sich pro Jahr mit 10 bis 15 Prozent Wertverlust rechnen – ganz grob.

Gesuchter Kandidat: Für einen maximal fünfjährigen Verbrenner- bzw. Hybrid-A6 der mittlerweile abgelösten achten Generation werden unter vergleichbaren Suchparametern im günstigsten Fall noch mindestens 30.000 Euro fällig. Viele Q8 E-Tron liegen deutlich darunter.
Moderner Audi Elektro-SUV ab 20.000 Euro
Mit diesem Wissen im Hinterkopf stöbern wir nun durch die Online-Verkaufsbörsen oder die Höfe der Händler und stoßen auf mehrere Hundert Audi Q8 E-tron (anfangs nur E-tron), die mit vertretbaren Laufleistungen schon ab 20.000 Euro angeboten werden. Und die kommen mit meist üppigen Ausstattungen daher, und zwar im Sinne von teuren Feinheiten wie Luftfederung, Massagesitzen oder Akustikglas. Einzelfälle? Keineswegs. Schauen wir doch mal konkret nach: Audi e-tron , im Bereich von 30.0000 bis 150.000 Kilometer, maximal 50.000 Euro, Inserate nur unbeschädigt und aus Deutschland. Macht rund 650 Treffer. Davon bleibt über die Hälfte bei unter 35.000 Euro mit Laufleistungen bis 50.000 Kilometer. Zwielichtige Anbieter? Mitnichten! Unzählige stehen bei renommierten Händlern, die meisten bei Audi oder VW selbst.

Interieur und Ausstattung des Q8 E-Tron zeigen sich hochfein, wie man es bei Audi erwartet. Die typischen Prämien- und Leasing-Kandidaten rollten zudem als Neuwagen fast immer mit sehr üppigem Optionsangebot vom Hof des Händlers. Davon profitieren die Gebrauchtkäufer.
Gibt es einen Haken?
Wo gibt es namhafte Edel-Karossen mit über 300 PS als Dreijährige zum Neupreis eines mittelmäßig ausgestatteten Golf? Elektrische Audi-Neuwagen fangen überhaupt erst bei 46.160 Euro an – dafür gibt es den VW-ID.3-Plattformbruder Q4 E-Tron mit 204 PS und Radkappen ab Werk (kein Witz). Kurzum: das Angebot klingt mit jeder Zeile besser, woraufhin routinierte Autokäufer nur noch intensiver nach einem Haken suchen. Beim Wälzen der technischen Daten ließe sich vielleicht einer finden. Dort stoßen wir auf das frühe Basismodell, den Q8 E-Tron 50 Quattro, dessen 64,7-kWh-Akku "nur" für eine WLTP-Reichweite von 283 bis 341 Kilometern gut ist, und der "nur" mit maximal 120 kW am Schnelllader tankt. Das sind im Vergleich zu den neuesten Edel-EVs keine Bilderbuchwerte. Für den ganz normalen Auto-Alltag diesseits der Langstrecke genügen sie dabei jedoch vollauf. Haben wir den Spar-Trick also entlarvt? Gibt's zum Billigkurs allein die ältesten E-Trons mit dem schwächsten Akku? Nö! In unserer Trefferliste besitzen zwei Drittel die größeren Akkus mit mindestens 83,6 kWh Kapazität und Reichweiten, die erst bei 358 Kilometern beginnen (meist mehr).
Welche E-Autos gibt's noch zum Schnäppchenpreis?
Und ist der Audi E-Tron ein Einzelfall? Jein. Wer die oben genannte Suche markenoffen durchführt, stößt erst mal auf eine große Menge an Tesla Model 3 in unterschiedlichen Zuständen. Hier zeigt sich ganz schlicht und praktisch, wie oft der Mittelklasse-Tesla verkauft wurde. Weil wir aber nach mehr Premium suchen, blenden wir Tesla kurzerhand aus, inklusive der zahllosen Experten, die ihren Tesla noch unter "Andere" inserieren. Dann bleibt eine beträchtliche Menge an Jaguar I-Pace übrig. Sein Ruf ist dank zahlreicher Probleme im Akku-Management nicht der beste, und er lädt maximal mit 100 kW, fährt also nicht mehr ganz auf modernem Niveau mit.
Was dann übrig bleibt ist ein gutes Dutzend Porsche Taycan und Mercedes EQE bzw. EQS, beide wiederum mit deutlich stärkeren EV-Messwerten als beim Audi. Im Verhältnis zu den unzähligen Audi-Stromern ist das verschwindend wenig, doch wenn die ersten Exemplare der einst noch teureren Konkurrenten bereits auf den Markt purzeln, zeigt das, dass künftig noch mehr Premium-Produkte zum Schnäppchenpreis zu finden sind. Ein guter Anfang also. Zur technischen Ehrenrettung der hier genannten Fahrzeuge sei gesagt, dass die Stromer der deutschen Nobelhersteller nach Punkten fast ausschließlich zu den besten Fahrzeugen gehören, die auto motor und sport je getestet hat.
Wo liegt der Grund für die Dumping-Preise?
Wie so vieles auf der Welt regeln Angebot und Nachfrage den Markt. Wo noch vor ein paar Jahren steuerliche Anreize stark vergünstigten, was ohnehin alle Jahre wieder hauptsächlich durch geschäftliche Käufer nachgefragt wird – also edle Business-Autos -, entsteht ein Überangebot, wenn die Autos nicht mehr nagelneu sind. Das ist ein logischer Schritt und entspricht genau dem, was Skeptiker immer befürchtet haben. Hinzu kommen tausende Leasing-Rückläufer.
Was den Gebrauchtkäufer freut, ist für Händler und Hersteller gar nicht so rosig. Wenn dasselbe Modell allerorten zu günstigen Preisen und mit feinen Ausstattungen zu finden ist, sind Verkäufe gar nicht so einfach. Die Standzeiten sind lang und auch bei der Preisverhandlung müssen Verkäufer nicht selten Federn lassen. Wer nicht aus geschäftlichen Gründen auf Neuwagen angewiesen ist, verliert den Anreiz des Neukaufs, was prompt im Produktionsstopp für den Q8 E-Tron resultierte. Laut der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) beziffert sich der hier angesprochene Wertverlust bei dreijährigen Autos auf 49 bis 55 Prozent.
Und zu allem Überfluss besteht nach wie vor eine gewisse Käuferskepsis in Bezug auf die restliche Akku-Lebensdauer und die Sorge, dass der "frische" Gebrauchtwagen schon nach kurzer Zeit technologisch überholt sein könnte. Beides, so zeigt die Zeit, ist zumindest auf absehbare Zeit kein ernsthaftes Problem.