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VW Passat Variant Restaurierung
Kraft-Akt für einen Underdog

Inhalt von

Ein VW Passat Variant L aus dem ersten Modelljahr? Da denken Kenner sofort an jede Menge Rost. Stimmt. Doch mit eisernem Willen, handwerklichem Geschick und viel Enthusiasmus lässt sich die braune Pest besiegen, wie diese Geschichte beweist.

VW Passat Variant L
Foto: fact

Die Brot-und-Butter-Autos sind für Philip Ihrlich "die wahren Oldtimer". Er steht auf die heute wie damals erschwinglichen Fahrzeuge, die einst die Massen motorisierten. "Und mit denen ich viele Kindheitserinnerungen verknüpfe, weil ich auf dem Weg zum Kindergarten oder zur Schule daran vorbeilief", so der 35-Jährige.

Verführerisches Passat-Angebot im Internet

Den Weg in die Klassik- und Youngtimer-Szene fand er über einen Audi 100 C1, den er sich Mitte der 90er Jahre nach dem Abitur zulegte. Zu dieser Zeit suchte er ein günstiges fahrbereites Auto, und die elegante Form des Audi begeisterte ihn. Irgendwann rückte dann der VW Passat in den Fokus, genauer gesagt, die Chromstoßstangen-Modelle der ersten Serie.

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Im Spätherbst 2006 stieß er dann durch Zufall auf ein verführerisches Angebot im Internet - einen VW Passat Variant aus dem ersten Modelljahr aus erster Hand in einem Ort in der Pfalz, was nicht sehr weit von seinem Zweitwohnsitz entfernt war.

Unter der angegebenen Telefonnummer meldete sich eine Werkstatt. Diese hatte den Wagen bisher gewartet und ihn im Auftrag der Besitzerin annonciert. Philip erhielt deren Kontaktdaten, bald darauf machte er sich auf zur Besichtigung des VW Passat Variant.

Nur in gute Hände abzugeben

In Bad Dürkheim erwartete ihn eine 80-jährige Weingutbesitzerin. Ihr war der VW Passat Variant in den vergangenen 30 Jahren ans Herz gewachsen. Deshalb sie ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihr treues Auto keineswegs einem ungewissen Schicksal überlassen wollte.

Bei der Probefahrt nahm sie auf dem Beifahrersitz Platz, während Philip sich im wahrsten Sinn des Wortes hinter das Lenkrad quetschen musste. "Die Dame war recht klein, und der auf ihre Größe eingestellte Sitz ließ sich einfach nicht verstellen", erinnert sich der gebürtige Stuttgarter. Nach der kurzen Ausfahrt zeigte er sich zufrieden und die Dame ebenfalls, als sie erfuhr, dass der Passat wieder im alten Glanz erstrahlen sollte.

Denn seine besten Zeiten hatte der VW Passat Variant längst hinter sich. Hier und da eingesetzte Blechstücke verrieten das Bemühen der Werkstatt, ihn mit vertretbarem Aufwand über die Hürde der zweijährlichen Hauptuntersuchung zu hieven.

Passat-Farben der 70er: Marinogelb und Wacholdergrün

Für den Kauf des VW Passat Variant sprachen die attraktive Farbgebung Marinogelb mit wacholdergrüner Innenausstattung und die Tatsache, dass alle kombi-spezifischen Teile vorhanden und in relativ gutem Zustand waren. Und was Rost betrifft, lautete Philips bisherige Erfahrung beim Autokauf: "Ein Drittel sieht man, ein Drittel vermutet man im Verborgenen, und ein Drittel kommt dann noch überraschend dazu."

Doch dass die Überraschung so heftig ausfallen würde, hätte er nicht gedacht. Nach dem Kauf holte er den VW Passat Variant zunächst in eine von ihm mit mehreren Hobby-Schraubern genutzte Halle in der Nähe der Hunsrückstadt Simmern.

Erschütternde Bestandsaufnahme

Dort begann er, den VW Passat Variant zu zerlegen und eine Bestandsaufnahme zu machen. Diese fiel erschütternd aus. Nach Demontage der Vorderkotflügel traten morsche Stehwände, löchrige Lampentöpfe und durchgerostete A-Säulen zu Tage. Nach dem Entfernen des Interieurs stieß er auf marode Innenschweller. Von der inneren Schwellerverstärkung waren nach dem Heraustrennen des schon mehrfach geschweißten Außenschwellers fast nur noch braune Krümel übrig.

Natürlich gab es im Heckbereich des VW Passat Variant ebenfalls jede Menge Durchrostungen zu beklagen. Doch Philip, der zwar zuvor schon ein wenig an Autos geschraubt und geschweißt hatte, wollte unbedingt einmal eine Komplettrestaurierung durchziehen. Und so ließ ihn der Rat diverser Bekannter, das Auto besser zu entsorgen, schlichtweg kalt.

Baugerüst als fahrbare Reparaturbühne

Er hätte nur dann aufgegeben, wenn die aufwendig zu reparierenden Hinterachsaufnahmen in einem besonders schlechten Zustand gewesen wären. Weil es in der Schrauberhalle nur eine Hebebühne gab und diese ständig besetzt war, wurde der VW Passat Variant während der Blecharbeiten auf ein modifiziertes, fahrbares Baugerüst gesetzt - eine unkonventionelle Lösung, die zwar die Schweißarbeiten im unteren Bereich erleichterte, aber nur kopiert werden sollte, wenn die Belastbarkeit des Gerüsts bekannt ist.

Nach einem erfolgreichen Besuch bei einem Blechteilehersteller in Belgien machte sich Philip daran, an seinem VW Passat Variant vergammelte Partien herauszuschneiden und neue einzusetzen. Auch einige Gebrauchtteile wie etwa die vorderen Kotflügel verwendete er für den Neuaufbau.

Sein etwas erfahrenerer Schrauber-Kollege Björn Fast half mit fehlendem Werkzeug aus und stellte seine Hilfe beim Einschweißen der hinteren Radläufe zur Verfügung. Philip hatte nicht nur aus Kostengründen den Ehrgeiz, so viel wie möglich an seinem VW Passat Variant selbst oder mit Unterstützung von Freunden zu machen - und zwar so gut wie es eben ging.

Passat-Blecharbeiten brauchten mehrere Monate

So formte er mit unendlicher Geduld nicht mehr lieferbare Bleche zurecht, wie zum Beispiel Partien des Bodenblechs oder ein Teil der hinteren Längsträger, die verborgen hinter dem Benzintank munter und bis dato unentdeckt vor sich hingerostet hatten.

Die Blecharbeiten andem VW Passat Variant zogen sich über mehrere Monate, aber Philip gab nicht auf. Für die Lackierung - natürlich im Originalton - konnte er seinen Bekannten Steve Dorotte gewinnen, der mit dem nötigen Einsatz und Feingefühl die Sache in die Hand nahm.

Anschließend kam die lackierte Karosserie des VW Passat Variant in den Genuss einer Hohlraumversiegelung. Nach so viel mühsamer Blecharbeit war die Überholung der Technik ein Kinderspiel. Aus dem noch vorhandenen Scheckheft ging hervor, dass der nur 110.000 Kilometer gelaufene Wagen stets regelmäßig gewartet worden war. Erst kürzlich hatte die Werkstatt die hinteren Bremsen überholt.

Erneuern musste Philip beispielsweise den Hauptbremszylinder, die vorderen Bremsbeläge, die Wasserpumpe, die Spritschläuche, diverse Dichtungen, den Auspuff und natürlich Öle, Bremsflüssigkeit und Kühlwasser. Auch die Stoßdämpfer seines VW Passat Variant ersetzte er, und bei der Suche nach Ersatz fiel ihm erstmals auf, dass es für den Passat an der Hinterachse offenbar verschiedene Dämpfer mit unterschiedlich großen Befestigungsaugen gegeben hat.

Ersatzteilprobleme und aufwändige Aufbereitung

Nicht alles ließ sich so einfach beschaffen wie die Verschleißteile. Die Idee, die verschlissenen Vordersitze durch bessere Exemplare aus einem Schlachtfahrzeug zu ersetzen, war sehr schwierig umzusetzen. Es stellte sich heraus, dass das wacholdergrüne Gestühl nur für kurze Zeit das Passat-Programm bereichert hatte, und erst nach Fertigstellung der Restaurierung fand Philip ein passendes Schlachtfahrzeug.

Neu gibt es den grünen Bezug für den VW Passat Variant schon lange nicht mehr zu kaufen. Die Montage schritt zügig voran. Philip verbaute viele Neuteile wie Scheinwerfer, Stoßstangen oder Rückleuchten. Wenn er gebrauchte Komponenten verwenden musste, arbeitete er diese vorher sehr akribisch auf.

Viel Wert legte er auf korrekte Details. So verwendete VW nur bei den frühen Passat weiße Kunststoffunterlagen unter den Türgriffen. Statt nun die späteren, leichter verfügbaren schwarzen Unterlagen als Ersatz für die zerbröselten alten zu nehmen, besorgte sich der engagierte Restaurierer dünne weiße Kunststoff-Platten und schnitt sie entsprechend zurecht.

Lob der VW Passat Variant-Erstbesitzerin

Abgesehen von den vorderen, nachgerüsteten Ausstellfenstern achtete er bei senem VW Passat Variant sehr auf Originalität. Entsprechend blieb das originale Radio Typ Emden natürlich genauso an seinem Platz wie ein kleines Kissen, das schon die Vorbesitzerin auf ihren Fahrten begleitet hatte.

Übrigens hielt Philip die alte Dame über die Arbeiten stets auf dem Laufenden. Als er ihr dann schließlich ein Foto des fertigen VW Passat Variant schickte, schrieb sie ihm: "Ich erkenne darauf jenes Auto wieder, das ich vor vielen Jahren beim Autohaus abgeholt habe." Ein schönes Kompliment. Nur besucht hat er sie bis jetzt noch nicht, aber das will er nachholen.

Sehr wichtig ist es ihm, die Erinnerung an die einstigen Massenautos wach zu halten. Sie sind mittlerweile sehr rar geworden. Doch das haben sie nicht verdient.

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Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten