Der Besuch beim Ferrari-Restaurator Uwe Meissner von Modena Motorsport ist ein bizarres Kontrastprogramm: Eine eher triste Industriehalle in Langenfeld bei Köln ist die erste Adresse, wenn es um hochkarätige Ferrari-Formel 1-Boliden geht. In der Vorhalle steht eine ausgebeinte Rohkarosse, hinter einem Plastikvorhang warten sündhaft teure Serien-Oldies auf die pflegenden Hände der Mechaniker und Restauratoren.
Mit 23 Jahren gründet Meissner Modena Motorsport
Die eigentliche Überraschung folgt aber in einer Nebenhalle. Es geht über den Hof, vorbei an einem Berg von Auspuffanlagen, dann scharf links durch einen schmalen Durchgang: eine unscheinbare Blechtür - und dahinter die Ferrari-Rennwelt, von 1972 bis 2000. Formel 1-Renner von Jacky Ickx, Nigel Mansell, Jean Alesi und mehrere Michael-Schumacher-Modelle, allesamt Siegertypen und pro Stück mindestens eine Million Euro teuer.
Uwe Meissner ist Ferrarista von der Pike auf. Bei Auto Becker schraubte er als Lehrling schon an den Ferrari von Günther Netzer. Nach der Meisterprüfung gründete er mit Unterstützung eines Ferrari-Sammlers die erste Firma: Modena Motorsport. Da war Meissner gerade 23 Jahre alt. 1996 kaufte der findige Schrauber in Maranello den ersten Formel 1-Renner, ein ehemaliges Gerhard-Berger-Modell. Und es folgten in den nächsten Jahren elf weitere.
Nicht für sich selbst, denn der Kölner hatte längst erkannt: Vom Schrauben allein wird man nicht reich, eher vom Handeln. Meissner verkaufte die Renn-Legenden nicht nur an wohlhabende Kunden, er wartete sie auch – und organisierte die ersten Events, bei denen seine vermögende Klientel kräftig Gas geben konnte. Natürlich blieben die Kölner Aktivitäten auch in Maranello nicht unbemerkt. Jean Todt gefiel das Geschäftsmodell. Statt weitere Formel 1-Stützpunkte in Amerika und Japan zu gründen, entstand bei Ferrari selbst der Geschäftszweig F1 Clienti.
Formel 1-Boliden ab Baujahr 2000 wartet Ferrari selbst
Diesen Schriftzug darf auch Meissners Betrieb offiziell tragen, der sich auf die Renner bis 2000 beschränkt. Die neuen Modelle wartet das Werk selbst. Meissners Kunden kommen sogar aus dem fernen Japan, auch eine Russin kaufte unlängst einen Formel 1 bei ihm. Und seine Klienten stammen aus allen Branchen: Sie handeln mit Immobilien, besitzen Verlagshäuser oder stellen Windräder auf.
Neben den Besitzern greifen auch Ex-Profis bei Modena Motorsport ins Volant. Wie Jacky Ickx, der eigentlich keine Rennen mehr fahren wollte, dann aber 1999 doch für Meissner in Spa an den Start ging. Es regnete in den Ardennen. Ickx-Wetter. Die Hauptribüne war voll besetzt. Und der ehemalige Formel 1-Vizeweltmeister von 1972 spulte sein Programm wie in alten Tagen ab. Bis zu 17 Sekunden, erinnert sich Meissner, nahm der Ex-Champion dem restlichen Feld in einer Runde ab. Ickx fuhr noch einige Rennen im Stall des Kölners, gewann die Shell Historic Challenge - und aus einer Renngemeinschaft wurde Freundschaft. Meissner verriet dem Ex-Star seinen großen Traum: Er wollte mal in Monaco auf dem Grand-Prix-Kurs fahren.
Ickx ließ seine Beziehungen spielen. Und seit nunmehr drei Jahren fahren die alten Formel 1-Ferrari beim Historischen Grand Prix in Monaco. 22 Autos stehen für solch einen Demo-Lauf am Start. "Und die Jungs fahren richtig gut", verrät der Restaurator. "Das ist kein Blumenkorso." Weil seine Truppe herzhaft Gas gab, durfte sich Meissner gleich einen Rüffel bei der Rennleitung abholen.
Gefahren wird zwar nicht mehr ganz so doll wie früher, zumindest das Drehzahllimit ist um rund 1.000 Umdrehungen runtergesetzt, aber es geht schon mal ein Spoiler zu Bruch. Die Herren-Fahrer geben ordentlich Gas, doch manchmal erlauben sich die Ferrari-Techniker nach dem Auslesen der Blackbox einen Spaß und legen über die aktuellen Rundenzeiten einen Aufschrieb von Michael Schumacher - das Aha-Erlebnis ist groß.
Meissners Lieblings-Ferrari ist Nigel Mansells 91er-Modell
Meissner selbst, der quasi alle Formel 1-Ferrari von 1990 bis 2000 bewegt hat, bevorzugt eher die älteren Typen, jene ohne Traktionskontrolle. Sein Favorit: das 91er-Modell von Nigel Mansell. Alain Prost hat ihn einst mit einem schwerfälligen Lkw verglichen – was ihm nicht gerade die Sympathie der Ferrari-Führung einbrachte. "Mit dem Auto kämpfst du richtig", unterstreicht Meissner seine Wahl. "Wenn du mit diesem Ferrari über die Randsteine räuberst, dann prellst du dir die Hände."
Probleme mit den Lenkrädern waren im Rennstall Modena schon einmal ein großes Thema. Bei einem Rennen wurden gleich drei gestohlen. Kein Kavaliersdelikt, denn Lenkräder mit Schaltwippen und diversen Verstellmöglichkeiten gibt es nicht im Zubehörhandel. Die Kunden waren jedenfalls richtig sauer, erinnert sich Meissner. Die Volants tauchten im Angebot eines Teilehändlers in Monaco wieder auf. So kam man dem Dieb auf die Schliche und konnte zumindest zwei sicherstellen. Das dritte Lenkrad war bereits nach Kanada verkauft.
Dass der Ex-Schumacher-Ferrari trotzdem an den Start rollen konnte, lag am Ex-Weltmeister selbst: Der lieh Meissner ein Lenkrad aus seiner eigenen Ferrari-Sammlung. Addiert man die Boliden, die Meissner und Schumacher zwischen Köln und Kerpen angesammelt haben, so kann man getrost davon sprechen, dass dort die weltweit größte Formel 1-Ferrari-Dichte herrscht. Verblüffend.