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Austin-Healey 100/6 BN6 Restaurierung
Rostlaube ohne Papiere wird Pracht-Roadster

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Achim Kieswetter kaufte ein Auto ohne Paiere, das er nicht kannte und erwischt eine echte Rarität: Einen von 4.150 gebauten Austin-Healey BN6. In üblem Zustand. Aber die Restaurierung hält bis heute: Das Roadster-Prachtstück braust bereits seit 15 Jahren wieder über die Straßen. Doch bis dahin war es ein langer Weg.

Austin-Healey 100/6 BN6, Seitenansicht
Foto: Fact

Ein DKW-Motorrad, ein Krankenhausaufenthalt und der Nachlass einer Werkstatt, das sind einige der Stationen auf Achim Kiesewetters Weg zu seinem Austin-Healey. Das DKW-Motorrad, eine 175er, verstaubte einst auf dem Anwesen eines Landwirts, dem Kiesewetter gelegentlich zur Hand ging. Die alte Maschine gefiel ihm, und Anfang der 90er-Jahre hat er sie schließlich gekauft. "Dieser Kauf und die anschließende Restaurierung war mein Einstieg in die Oldtimer-Szene", erinnert sich der 53-Jährige.

Noch intensivere Oldtimer-Luft schnupperte er nach einem mehrtägigen Klinikaufenthalt. Sein dortiger Bettnachbar war ebenfalls Oldtimer-Liebhaber, besaß allerdings ein Auto. Die beiden beschlossen, nach ihrer Genesung eine Art Oldtimer-Stammtisch ins Leben zu rufen, was sie dann mit der Gründung der Oldtimer-IG Lautertal und Umgebung auch tatsächlich in die Tat umsetzten.

Liebe auf den ersten Blick

Die IG in der Nähe von Coburg erlangte schnell einen gewissen Bekanntheitsgrad, weshalb sich eines Tages eine Witwe meldete, die Hilfe beim Verkauf des Nachlasses ihres Mannes suchte. Dieser hatte klassische englische Autos repariert und verkauft. Bei der Besichtigung der Wagen war Kiesewetter natürlich mit von der Partie. Ein grüner Roadster erweckte sofort seine Aufmerksamkeit: "Ich hatte keine Ahnung, was das für ein Fahrzeug war, aber es gefiel mir auf Anhieb", erzählt er.

Im Rahmen der dann folgenden Preisverhandlungen machte sich der Franke über dieses Auto kundig und kontaktierte den einen oder anderen Händler. Schnell merkte er, dass er etwas Besonderes an der Angel hatte, denn bei diesem Austin-Healey handelte es sich um einen von nur 4.150 Mal gebauten BN6. So entschloss er sich also zum Kauf, auch wenn es ein merkwürdiges Gefühl war, für etliche Tausender ein ihm weitgehend unbekanntes Auto zu kaufen, das nicht fahrbereit war. Ja, es fehlten genau genommen auch die Papiere, lediglich Unterlagen über die Verzollung des vor einigen Jahren aus den USA importierten Wagens lagen vor.

Daher forderte er als erstes eine Unbedenklichkeitsbescheinigung beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg an, die ihm zum Glück problemlos ausgestellt wurde. Der Healey war also nicht als gestohlen gemeldet. Nun konnte er sich beruhigt seinem Auto widmen. Zuerst beschaffte er sich Literatur und Werkstatthandbücher, um sich einzulesen. Zusammen mit seinem Bruder, einem Kfz-Meister, begann er dann, das Auto fahrbereit zu machen.

Austin-Healey erst mal fahrbereit machen

Dazu mussten unter anderem die Vergaser montiert und eingestellt, die Zündung in Ordnung gebracht und die Benzinpumpe repariert werden. Irgendwann meldete sich die Maschine dank der vorhandenen Sidepipes lautstark zu Wort. "Das halbe Dorf lief zusammen", grinst Kiesewetter. Dann folgten einige Meter Probefahrt auf Wirtschaftswegen und die Erkenntnis, dass dieses Auto unbedingt wieder ansehnlich hergerichtet werden musste. "Da ich keine Rolling Restoration wollte, entschloss ich mich zu einer Komplettrestaurierung", sagt der gebürtige Coburger. Um die Kosten in Grenzen zu halten, wollte er so viel wie möglich selbst machen. Ein wenig geübt hatte er schon an seiner DKW, und als gelernter Werkzeugmacher und Maschinenschlosser wusste er mit Werkzeug umzugehen. Notfalls konnte er auch auf die Hilfe seines Bruders und diverser Experten seiner Oldtimer-IG bauen, etwa bei den Karosseriearbeiten.

Die komplette Demontage nahm er selbst in die Hand. Dass der in den USA aufgebrachte grüne Thermolack so manches Geheimnis verbarg, hatte er schon geahnt. So kamen nicht nur einige Rostschäden zum Vorschein, sondern auch erhebliche Beulen, repariert auf amerikanische Art. Dazu waren einige Löcher ins Blech gehauen worden, durch die dann ein Teil der dick aufgetragenen Spachtelmasse quoll und dadurch Halt gebende Widerhaken bildete. Kiesewetter legte jedoch Wert auf eine sorgfältige und fachgerechte Arbeit. Für die Instandsetzung der Rohkarosse und der Kotflügel wurden etliche Reparaturbleche stumpf eingeschweißt und die Nähte verzinnt. Rostschäden gab es zum Beispiel an den Schwellern, den Schlosssäulen und den Radhäusern. Die Rohkarosse und der Rahmen wurden indes sandgestrahlt und spritzverzinkt.

Kein Talent für Springdellen

Der Sandstrahler hätte zusätzlich die schwer zugänglichen Bereiche der Motorhaube wie die Ränder aus doppelten Blechen entrosten sollen, doch Kieswetter zielte mit dem Gerät wohl auch auf die größeren Flächen und fabrizierte eine Springdelle, also eine bei Berührung nach außen oder innen springende Beule. Um diese zu beseitigen, reichte Kiesewetters Talent nicht aus. Zum Glück gab es Kurt Sümmerer, einen Karosseriespengler in seiner Oldtimer-IG, der das Problem durch gezielte Erwärmung und Abschrecken des Blechs mit kaltem Wasser aus der Welt schaffte. Außerdem half er bei der Instandsetzung des aus Alu bestehenden Frontmittelteils, weil er Zugriff auf ein Aluminiumschweißgerät hatte.

Ebenfalls Glück hatte Kiesewetter mit der Lackierung. Er wollte seinem Healey wieder den Originalton Healey Blue gönnen, wie er in der Geburtsurkunde des British Motor Industry Heritage Trust vermerkt war. Die Firma, in der sein Bruder damals arbeitete, unterbreitete ihm das beste Angebot. Zufällig wurde dort demnächst ein Vorführlackierer erwartet, der die Produkte seiner Firma in ein günstiges Licht rücken wollte. Und dieser Meister seines Fachs konnte für die Lackierung des Healey gewonnen werden. Die Schleifarbeiten übernahm Kiesewetter selbst, und durch den Auftrag eines schwarzen Lacks wurde zwischendurch geprüft, ob er seine Arbeit gut gemacht hatte oder noch irgendwo Dellen vorhanden waren. "Mit so viel Aufwand werden Autos selten lackiert", freut er sich noch heute.

"Etliches gespart habe ich, weil der Motor schon überholt war", ergänzt er. Beim Demontieren der Ölwanne und des Ventildeckels kamen nämlich viele Neuteile zum Vorschein. Er beschränkte sich daher auf ein wenig Feintuning wie das Polieren der Einlass- und Auslasskanäle oder das Glätten von Übergängen. Allerdings rüstete er die hintere Kurbelwellendichtung auf Simmerring um, was er dank seines erlernten Berufs selbst durchführen konnte.

Austin-Healey mit Rückschlag zum Schluss

Stück für Stück wurde der Healey komplettiert. Die Teile der Radaufhängung waren zuvor pulverbeschichtet worden. Jedes Teil wurde entweder erneuert oder aufgearbeitet. Die Bremsanlage ergänzte Kiesewetter um einen Bremskraftverstärker, wie er damals im Rennsport Verwendung fand. Alles lief wie am Schnürchen. Fast alles.

Den größten Rückschlag gab es beim Verchromen der Anbauteile. Kiesewetter gab auch den Frontscheibenrahmen in Auftrag, doch der bestand aus einer Messinglegierung und war nach dem Galvanikbad total zerfressen. Lange suchte er nach einem Ersatz, das Internet war noch nicht sehr verbreitet. In England wurde er schließlich fündig, und so ging im Mai 2000 nach gut drei Jahren eine Restaurierung zu Ende, deren Qualität bis heute sichtbar ist.

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Erscheinungsdatum 04.07.2024

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