Alfa Romeo Giulia Spider Restaurierung: Ein Fall für zwei

Alfa Romeo Giulia Spider Restaurierung
Ein Fall für zwei

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Veröffentlicht am 16.01.2014

Manchmal ist es gut, auf seine Frau zu hören. Holger Hildebrand hätte sich dadurch einen Schock sowie viel Arbeit und Ärger ersparen können, von der Moralpredigt seiner Gattin nicht zu reden. Für das Auto eines Bekannten hatte er eines abends die Hebebühne in seiner kleinen Halle geräumt und den nahezu fertig restaurierten Alfa Romeo Giulia Spider in den Hof gestellt.

Vier Jahre Arbeit – und dann ein Knall

Dass es besser gewesen wäre, den Alfa Romeo Giulia Spider in der Halle einfach zur Seite zu schieben, wie von seiner Frau geraten, wurde ihm erst bewusst, als er das Geräusch eines rasant anfahrenden Autos und dann zwei blechern klingende Schläge vernahm. Im unbeleuchteten Hof war soeben sein Hallennachbar mit einem Kombi rückwärts gegen den unter einer dunklen Plane verborgenen Spider gerasselt und hatte diesen anschließend gegen die Mauer gedrückt. Vier Jahre Arbeit – und nun das.

Zusammen mit seiner Frau Jutta hatte sich Hildebrand schon Ende der 90er Jahre an die Restaurierung eines Alfa Duetto gewagt, auf den man sie während einer Familienfeier aufmerksam gemacht hatte. „Damals sammelten wir viele Erfahrungen, die uns beim nächsten Projekt sehr hilfreich waren, sagt Hildebrand.

Das nächste Projekt war ein Alfa Romeo Giulia Spider, den sie durch den Tipp eines Bekannten auf einem großen Gehöft in der Nähe fanden. Allerdings hatte der Besitzer den Alfa bereits 1984 abgemeldet und dann mit der Restaurierung begonnen. Weit gekommen war er aber nicht. Er riss den Alfa komplett auseinander, schliff an einigen Stellen den Lack herunter und besorgte schon mal das eine oder andere Ersatzteil.

Viele Teile fehlten beim Alfa Romeo Giulia Spider

“Leider bekamen mit der Zeit viele Teile Beine„, lacht Hildebrand, und so ließen sich die Frontscheibe des Alfa Romeo Giulia Spider samt Rahmen, die Motorhaube, der Tank, die Felgen, die Kardanwelle, die Lampen und vieles mehr auf dem großzügigen Gehöft nicht mehr aufspüren.

Zumindest über den Verbleib der Giulia-Hinterachse gab es keine Zweifel, denn die hatte der offensichtlich in Geldnot befindliche Verkäufer vor einiger Zeit bei einem anderen Herrn als Pfand hinterlassen, wo die Hildebrands sie dann auslösten.

Die engagierten Hobby-Schrauber begannen zunächst, die wenigen noch an der Karosse  des Alfa Romeo Giulia Spider verbliebenen Teile zu entfernen und ließen dann das Blech sandstrahlen. “Aber nicht die großen Flächen, um Verzug und Beulen zu vermeiden„, erklärt Holger Hildebrand, der früher Slalom und Rundstreckenrennen gefahren ist. Aus diesen wilden Zeiten besaß er noch sehr viele Kontakte, die ihm bei der Restaurierung des Alfa zugute kamen.

Blech in gutem Zustand

So lernte er über einen dieser Kontakte Josef Söke aus Bratislava kennen, einen geschickten Blechkünstler, der vorübergehend in einer deutschen Autowerkstatt arbeitete. Dieser erklärte sich bereit, bei der Reparatur der Rostschäden zu helfen, die beim Alfa Romeo Giulia Spider der Hildebrands ungewöhnlich gering waren. Im Bereich des Unterbodens mussten nur relativ unkompliziert geformte Bleche erneuert werden, die Hildebrand bei einer nahe gelegenen Firma abkanten und biegen ließ, die sich mit Luftschächten beschäftigt. Lediglich die anspruchsvollere Erneuerung der Schweller und des hinteren Radlaufs überliess er komplett dem Slowaken.

Auch die Lackierung des Alfa Romeo Giulia Spider sollte ein Fachmann übernehmen, doch zuvor dachten die Hildebrands intensiv über die Farbgebung nach. Das originale Blu Celeste gefiel ihnen nicht, Rot mochte Jutta Hildebrand nicht, und so kamen schließlich zwei andere zeitgenössische Farben in die nähere Auswahl: Azzurro Spazio von Alfa und jenes blasse Gelb, das bei damaligen britischen Autos zu finden war.

Weil sich diese von Triumph, Austin-Healey und Jaguar verwendeten Gelbtöne alle leicht unterschieden, ließen sich die beiden Alfa-Restaurierer von jeder Farbe die kleinstmögliche Menge mischen und jeweils auf ein Stück Blech auftragen. Den Ausscheidungskampf gewann das Pale Primrose von Jaguar, das nun gegen Azzurro Spazio von Alfa antreten musste.

Schwierige Farbwahl zugunsten von Jaguar-Gelb

Um sich den Alfa Romeo Giulia Spider besser in beiden Farben vorstellen zu können, beauftragten sie Holger Hildebrands Bruder, einen begeisterten Modellbauer, zwei Miniatur-Alfa im Maßstab 1:24 entsprechend zu lackieren. Und wieder fiel die Entscheidung auf das Gelb von Jaguar.

Keine Mühen scheuten die Hildebrands auch bei der Nachfertigung der fehlenden Instrumentenbrettabdeckung. Wieder halfen Kontakte aus Motorsportzeiten, und so modellierte Manuel Seidel, der sich normalerweise mit Kohlefaser beschäftigt, eine neue Abdeckung aus Glasfaser. Als Vorlage dienten historische Fotos. Ein etwa zwei Zentimeter breiter Streifen aus Knetmasse entlang der oberen Kante des Alfa Romeo Giulia Spider-Instrumentenbretts ermöglichte die benötigte Auflagefläche zum Modellieren einer entsprechenden Abdeckung mit überstehender Kante.

Positivform aus Glasfaser laminiert

Nach dem Auftragen eines Trennmittels auf den Knet und das Blech des Instrumentenbretts folgte schichtweise das Auflegen von Glasfasermatten, die jeweils mit Kunstharz getränkt wurden. So entstand Stück für Stück die Positivform einer Abdeckung, die man dann wegnehmen, schleifen und vom Sattler mit Kunstleder überziehen lassen konnte.

Mit der Unterstützung zweier Bekannter, Peter Arnold und Rudolf Dötsch, machte sich Holger Hildebrand an die penible Überholung der Hinterachse, der Bremsanlage, des Getriebes und des Motors seines Alfa Romeo Giulia Spider, wobei er sich für den Umbau auf Veloce-Technik entschied. Dies beinhaltete unter anderem die Umrüstung auf zwei Weber-Vergaser und eine geänderte Luftfilteranlage.

Der passende Ventildeckel mit einer leichten Einbuchtung für den über den Motor geführten Ansaugschlauch existiert mittlerweile auch. Beim Fototermin war beim Alfa Romeo Giulia Spider noch der Deckel mit den beiden vorderen Augen aus der Alfa 105er-Reihe montiert.

Zeitaufwändige Teilebeschaffung

Jutta Hildebrand kümmerte sich um das Aufarbeiten von Teilen, übernahm das Sandstrahlen, Grundieren und Lackieren von Fahrwerkskomponenten. Und sie schaute nach der Elektrik und dem Interieur des Alfa Romeo Giulia Spider.

Natürlich nahm auch das Beschaffen der fehlenden Teile viel Zeit in Anspruch, wobei es speziell auf Teilemärkten immer mal wieder zu Fehlkäufen kam, obwohl die Verkäufer stets nachdrücklich versicherten, es handele sich um die für den Alfa Romeo Giulia Spider gesuchten Sachen.

Bei der Montage ließen sich die Hildebrands Zeit, denn sie gingen dabei sehr penibel vor. Als dann die neu beschaffte Frontscheibe an der Reihe war, stellte sich heraus, dass sie durch unsachgemäße Lagerung im Regal einen Riss bekommen hatte. Eine zweite Scheibe wurde besorgt und mit Unterstützung eines Bekannten vorsichtig am Alfa Romeo Giulia Spider montiert.

Empfindliche Scheiben

Nicht glücklich zeigte sich Holger Hildebrand, als auch diese Scheibe drei Tage später über Nacht einen Riss bekam. “Die Verbundglasscheiben reagieren offenbar sehr empfindlich auf seitlichen Druck durch die geschraubte Rahmenkonstruktion„, vermuteten er und sein Helfer Martin Weberbauer vom lokalen Alfa-Stammtisch.

Tja, dann ereignete sich der unglückliche Abend des Crashs im Hof. Glücklicherweise wurde der in einem Gutachten festgehaltene Schaden am Alfa Romeo Giulia Spider finanziell von der Versicherung ersetzt, allerdings musste für die Reparatur wieder fleißig geschraubt und der Wagen komplett neu lackiert werden.

Glückliche Begegnung auf der Auto e Moto d'Epoca Padua

Auf der Suche nach einer neuen hinteren Stoßstange machten sich die Hildebrands mal wieder zusammen mit anderen Mitgliedern ihres Alfa-Stammtischs auf den Weg zum Teilemarkt nach Padua in Italien, wozu sie einen Billigflug nutzten. Neben einigen anderen benötigten Teilen fanden sie dort tatsächlich die gesuchte Stoßstange für den Alfa Romeo Giulia Spider, jedoch verbeult und mit Rostschäden. Als Holger Hildebrand einen anderen Alfa-Fan fragte, ob man diese Stoßstange noch richten könne, bot sich ein zufällig daneben stehender Herr aus Bayern als Problemlöser an.

Noch auf der Messe wurde man sich einig, allerdings überführte Hildebrand die Stoßstange eigenhändig nach Deutschland. Weil das Mittelteil nicht in den Koffer passte, wickelte er sie in Tragetaschen und befestigte sie mit Hilfe einer eilig beschafften Rolle Tesa außen am Koffer. Ärger bei der Gepäckaufgabe war damit programmiert, doch nach vielem Hin und Her wurde die Stoßstange für den Alfa Romeo Giulia Spider als separates Gepäckstück doch noch befördert.

Scheibenbremsen statt der Triplex-Breme

Es dauerte noch fast zwei Jahre, bis der Alfa Romeo Giulia Spider endlich fertig war. Nach und nach wurden noch weniger schöne Teile wie Sitze, Verdeck und die defekte Frontscheibe ausgetauscht. Außerdem bekam der Alfa vordere Scheibenbremsen statt der mit viel Fingerspitzengefühl einzustellenden Triplex-Bremse.

Doch nun ist der Alfa Romeo Giulia Spider perfekt. Und wenn es darum geht, wo man ihn parken soll, hat Holger Hildebrand für die Vorschläge seiner Frau ein offenes Ohr.

Restaurierungsdetails Alfa Romeo Giulia Spider

  • Kaufort: Plaidt
  • Kaufjahr: 2001
  • Kaufzustand: Fahrzeug war zerlegt und unvollständig. Karosserie hatte relativ wenig Durchrostungen und war stellenweise entlackt
  • Vorgeschichte: Auslieferung im Mai 1963 zu Alfa nach Frankfurt, im Juni 1964 Erstzulassung auf eine Dame in Nürburg. Drei weitere Besitzer folgten, der letzte meldete den Wagen 1984 ab und zerlegte ihn, um ihn zu restaurieren
  • Restaurierungsumfang: Karosse demontiert und sandgestrahlt, Rostschäden mit selbst gefertigten Blechen repariert, Instrumentenbrettabdeckung nachgefertigt. Getriebe, Antriebsstrang, Radaufhängungen überholt. Motor revidiert und auf Veloce umgebaut. Fehlende Teile besorgt, erworbene Gebrauchtteile aufgearbeitet. Nach Unfall Heck und Front gerichtet, Stoßstangen erneuert, erneute Lackierung. Auf Scheibenbremse umgerüstet und neues Stoffverdeck montiert
  • Restaurierungsdauer: 2001 bis 2006
  • Kosten: Etwa 30.000 Euro ohne Unfallschaden
  • Wert laut Gutachten: 44.000 Euro