Es geht es um die Wurst, tatsächlich um die Gummiwurst. Beim Projekt Eventreifen wird an den ersten konstruktiven Stellschrauben gedreht. Und natürlich auch an einer der wichtigsten überhaupt, der optimalen Rezeptur für die Gummimischung. In der „Giftküche“ von Continental wird der dafür nötige Teig gemixt. Mit Zutaten, über deren diffizile Zusammenstellung sich die Küchenmeister in Hannover in ein großes Schweigen hüllen. „Sagen wir dazu mal Black Chili“, grinst Mischungsspezialist Hajo Weinreich vielsagend und ergänzt: „Für die speziellen Anforderungen des Eventreifen hat uns der Erfahrungsschatz aus dem Motorradbereich schon einiges gebracht.“
Black Chili also – ein scharfes, giftiges Gemisch, dessen Ingredienzien in den Labors mittels umfangreicher Tests festgelegt werden. Eine Brise davon, ein Schuss hiervon und noch ein Prozentsatz vom gewissen Etwas – rund 20 unterschiedliche Zutaten stecken allein im Laufstreifen eines Reifens. Und ob die ominöse Mixtur auch nach der Heizperiode das erwünschte Ergebnis erzielt, wird mittels kleiner, runder Proben immer wieder aufs Neue analysiert. Allerdings verraucht auch die vermeintlich beste Mischung, wenn der geheimnisvolle Teig nicht in die dafür passende Form gepresst wird. Was bedeutet, dass die Profilgestaltung in gewisser Weise auch mit der Gummimischung Hand in Hand geht. Obwohl Weinreich angesichts der beim Eventreifen reduzierten Einschränkungen jubiliert: „Das tut als Chemiker auch mal gut, wenn es heißt: Die Konstruktion macht die Steifigkeit, du den Grip.“
Die Reifenentwicklung – eine Wissenschaft für sich mit lauter Geheimnissen
In der Konstruktion steckt ähnlich viel Geheimniskrämerei wie in der Mischung. Ein undurchsichtiges Labyrinth aus großen und kleinen Blöcken sowie erst auf den zweiten Blick zu erkennende Facetten – für den Laien eine Ansammlung komplexer Wissenschaften für sich. Aus dem Mund eines Fachmanns klingen die theoretischen Grundlagen des Eventreifens jedoch so schrecklich lapidar. „Das Verhältnis von Negativ- zu Positiv-Profil ergibt sich aus den gestellten Anforderungen bezüglich nass und trocken. Die Anzahl der Profilblöcke und deren Anordnung resultieren aus dem Lastenheft, grundsätzlichen Gesetzmäßigkeiten bei der Reifenkonstruktion und natürlich aus der Erfahrung“, referiert Entwicklungsingenieur Markus Fischer, der wiederum im Schulterschluss mit Designer Uli Behr agiert. Mit spitzem Bleistift wandert Behr auf dem anspruchsvollen Grat zwischen den technischen Anforderungen und dem optischen Anspruch. Danach erfolgen am Rechner die 2D- und 3D-Modelle.
„Die Optik muss natürlich auch ausdrücken, in welche Richtung der Reifen abzielt“, so Behr. Um dies bereits im Frühstadium zu verifizieren, wird ein erstes Segment des konzipierten Profils in Gummi gegossen. Jedoch für die praktischen Taten maßgeblich und über allem praktischen Tun schwebt vom Anfang der Entwicklung an die virtuelle Welt, die Vehicle Dynamics Prediction. Hierbei wird die geforderte Fahrdynamik am Computer simuliert und bestmöglich präzisiert. Rechenmodelle verifizieren die Anforderungen an die Steifigkeit des Aufbaus, die Gestaltung der Kontur und auch der Rohdaten des Profils. Dabei schöpft Vehicle Dynamic-Experte Carsten Schröder aus einem umfangreichen Datenfundus, speist den Computer mit Bekanntem und Neuem. Anhand der CAD-Daten erfolgen erste virtuelle Testfahrten, bevor Entwicklungsloop Nummer eins dann tatsächlich abgeschlossen wird. Und zwar, wenn es für alle Beteiligten mit Spannung um die wahre Wurst geht – um die ersten realen Testfahrten.