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Range Rover 5.0 V8 SV Autobiography
Zu Besuch in den Produktionshallen von Rosenthal

Aus Kaolin, Feldspat und Quarz entstehen in Handarbeit zerbrechliche Meisterwerke. Aus Aluminium, Leder, Holz und noch einigen Kleinigkeiten mehr wiederum der 550 PS starke Range Rover SV Autobiography. Zu Besuch in den Bauhaus-Produktionshallen von Rosenthal.

Range Rover 5.0 V8 SV Autobiography, Rosenthal, Fachschule für Porzellanindustrie
Foto: Lena Willgalis

Vielleicht doch etwas des Guten zu viel? Vielleicht. Ein Hauch von Unsicherheit konkurriert gerade mit dem erdigen Duft von weichem Leder, der als ständige Brise durch das kathedralenartige Interieur des Range Rover SV Autobiography weht. Range Rover. Ohne Sport. Die ganz große Nummer. Ein knapp fünf Meter langer, 1,98 Meter breiter und 1,84 Meter hoher Aluminiumbrocken rollt gerade auf das an sich bescheidene Selb in Oberfranken zu. Bescheidenheit ist ja bekanntlich eine große Tugend – besonders bei anderen Menschen. Sagt Silvio Berlusconi. Ach nein, Federico Fellini. Egal.

Range Rover 5.0 V8 SV Autobiography, Rosenthal, Fachschule für Porzellanindustrie
Lena Willgalis
Wem die serienmäßigen 21-Zöller zu dezent wirken: Es gibt sie auch eine Nummer größer.

Es gab jedenfalls eine Zeit, da ging es in Selb ziemlich unbescheiden zu. Da traten dort internationale Musikstars wie Ella Fitzgerald und Louis Armstrong auf. Auch Helmut Schmidt schaute, zusammen mit Gattin Loki, schon mal auf die eine oder andere Stange Zigaretten vorbei. In dieser Zeit war Selb ein Teil des Wirtschaftswunders, spielte allerdings in dessen erster Liga. Und das trotz geografisch gerade in Zeiten des Kalten Kriegs ausnehmend ungünstiger Lage, so nahe an der damaligen Tschechoslowakei. Doch in noch viel fernerer Vergangenheit mogelte die Erdgeschichte ein paar interessante Rohstoffe in das Fichtelgebirge. Kaolin, Feldspat und Quarz zum Beispiel, aus denen sich Porzellan herstellen ließ. Herstellen lässt, denn ein bisschen was ist noch übrig.

Sozialdemokraten und Puppen


In erster Linie ein Name: Rosenthal. Und obwohl Philip Rosenthal junior als überzeugter Sozialdemokrat (steht in den Parteistatuten eigentlich, dass Mitglieder Pfeife rauchen müssen?) für das Wohl der Allgemeinheit eintrat, ließ er gerne die Puppen tanzen. Genauer: Künstler. Und verpackte das in den warmen Mantel des Allgemeinwohls. Stimmte ja auch, denn dem Porzellanfabrikanten, seinem Unternehmen und damit seinen Mitarbeitern ging es bestens.

Einen Range Rover jedoch hielt er für verzichtbar. Der begeisterte Sportler fuhr VW-Bus, meist mit auf dem Dach verzurrtem Ruderboot. Rosenthal hinterlässt Selb unter anderem eine vom Bauhaus-Gründer Walter Gropius entworfene Produktionsstätte, die am 5. Oktober 1967 ihren Betrieb aufnahm – der bis heute läuft. Komplexe Formen in aufwendiger Handarbeit zu realisieren, das sichert den Standort. Denn die fertigen Produkte sortieren sich vorwiegend in das Regal mit hochpreisiger Ware ein.

Also bloß vorsichtig jetzt mit dem Trumm von SUV. Ein Dilemma. Auf der einen Seite jede Menge zerbrechliches, teures Porzellan, auf der anderen im Zehn-Meter-Abstand überhaupt nicht zerbrechliche Hammerkopf-Stützen, die tragenden Elemente des Flachdachbaus – ein typisches Gropius-Merkmal. Obwohl in vornehme Zweifarbenlackierung von frisch-fröhlichem Schwarz-Grau getaucht, kommt dem Range Rover heute ein bisschen die Rolle von Flamingos zu. Bitte? Natürlich drängt sich der Vergleich ob der trächtigen Statur des SUV nicht auf. Aber der Effekt dürfte ähnlich sein. Bis vor etwas über einem Jahr lebten tatsächlich die bunten Vögel auf dem Werksgelände, im Winter in einem Glashaus, um das herum die Mitarbeiter ihre Kaffeepause hielten. Und im Sommer staksten die Flamingos über das Firmengelände, immer öfter außerhalb des kleinen Sees nahe dem Feierabendhaus. Und genau das sollte ihnen zum Verhängnis werden. Füchse sind zwar eher wasserscheu, aber nicht blöd. Und ausdauernd.

Der Range Rover indes hat nicht allzu viele natürliche Feinde. Schon gleich gar nicht, wenn unter der nur so viel wie nötig gewölbten Haube das 550 PS starke V8-Kompressortriebwerk wütet, ziemlich nebensächlich mit der erheblichen Masse von über 2,3 Tonnen jongliert. Wie es dabei klingt? Angemessen energisch, subtil drohend wie ein Geheimagent und nicht vorlaut-bomberjackig wie im Range Rover Sport SVR.

Range Rover 5.0 V8 SV Autobiography, Rosenthal, Fachschule für Porzellanindustrie
Lena Willgalis
Die ebenfalls handgefertigten Formen für das Porzellan sind bis zu hundertmal verwendbar.

Das Leder-Puzzle

Neben dem Triebwerk teilen die beide ihre Herkunft, werden von der eigens gegründeten Special-Vehicles Operations-Abteilung, kurz SVO, mit einem hohen Anteil an Handarbeit zusammengefügt. Nur eben mit unterschiedlichen Ausprägungen. So besteht ein Sitzbezug des Autobiography aus 222 Leder-Einzelteilen, die von Hand erst positioniert und dann vernäht werden. Bloß nicht zittern. Sonst tropft Blut. Oder das Ergebnis sieht nach Patchwork-Teppich aus. Oder beides. Im Testwagen jedenfalls sitzt jede Naht dort, wo sie hin soll, bis hin zum Dachhimmel.

Im Rosenthal-Werk am Rothbühl liegt der Anteil von Handarbeit bei rund 80 Prozent – mit kalkuliertem Ausschuss, der Perfektion wegen. Für 100 perfekte Teile werden 126 hergestellt. Von jeder Kuhhaut sind nur 46 Prozent für die Sitze des Range Rover brauchbar. Brauchbar im Sinne von: Der Kunde soll sehen und spüren, für was er 167.000 Euro ausgibt. Aussteigen? Eigentlich nur sehr ungern. Auch wenn es gerade mal nicht massiert, kühlt oder heizt im Rücken, der Komfort berauscht. Die Aussicht ebenfalls. Allmählich entsteht ein vages Bild davon, weshalb dem Range Rover hartnäckig der Ruf an der eckigen Karosserie haftet, er komme überall hin: Weil sein Fahrer vorher nicht aussteigen möchte und stattdessen wegen des Komforts (nur gelegentlich empfindlich von den zuweilen polterigen 22-Zoll-Rädern untergraben) die prächtige Rundumsicht genießt.

Die ehemaligen Werkshallen an der Wittelsbacher Straße rauschen vorbei, Rosenthal ließ die Fassaden von Künstlern gestalten. Gegen die brüllende Regenbogenoptik von Otto Piene verblasst der von Friedensreich Hundertwasser entworfene Teil zum Hundertwässerchen, die glänzenden Rechtecke glänzen nicht mehr so sehr, da der mittlerweile graue Putz den einst scharfen Kontrast verwäscht. Hier stellt niemand mehr etwas her, nun generiert der Fabrikverkauf Umsatz und Gewinn.

Einkauf oder Unterholz?

Ein bisschen zu viel eingekauft? Ein ausziehbarer Ladeboden in Edelholz und Aluminium hilft, die Tüten ohne Bruch zu verstauen. Die nur noch angedeuteten, aber eben immer noch sichtbaren Peilecken der Motorhaube nehmen schon wieder die A 93 ins Visier. Oder vielleicht doch noch ein Schlenker in die Tschechische Republik? Ein bisschen im Unterholz wühlen, während die All-Terrain Progress Control das Tempo konstant hält, egal auf welchem Untergrund? Ein andermal vielleicht. Doch kurz bevor das maximale Drehmoment von 680 Newtonmetern wieder die Antriebswellen zum Tauziehen herausfordert, noch eine kleine Pause, kurz vorm Ortsausgang in südwestlicher Richtung. Denn hier sucht sich die Automobilindustrie Nachwuchskräfte – dort wo eigentliche Modelleure für die Porzellanindustrie ihr Handwerk lernen.

Industrie im Wandel

Der Strukturwandel zwang jedoch die Absolventen der Staatlichen Fachschule für Produktdesign, sich nach neuen Betätigungsfeldern umzusehen. „Immer mal wieder sind einzelne Absolventen in die Autoindustrie abgewandert. Dort werden sie für ihre Fähigkeiten geschätzt, große, komplexe Flächen zu bearbeiten“, erklärt Bernd Rössler, Leiter der Fachschule. „Bei fast jedem Hersteller oder Designbüro arbeitet heute ein Absolvent aus Selb“, ergänzt Rössler, hörbar stolz.

So stolz, als wolle er jene verblassten goldenen Zeiten Selbs aufpolieren, die Rosenthal nicht dauerhaft strahlen lassen konnte. Von einst 10.000 Mitarbeitern sind nur noch 800 übrig, ein italienisches Unternehmen führt die Geschäfte. Die damit verbundene Neustrukturierung erweist sich als erfolgreich, doch vom Flügeldach an der Pforte des Gropius-Werks lösen sich immer mehr Mosaiksteine. Die Restaurierung wäre ein finanzielles Abenteuer.

Range Rover 5.0 V8 SV Autobiography, Rosenthal, Fachschule für Porzellanindustrie
Lena Willgalis
Schloss Erkersreuth diente Vater Rosenthal als Firmen-, dem Sohn als Wohnsitz.

Schildkröte statt Flamingo

Im Feierabendhaus treten nie wieder internationale Stars auf, statt Flamingos schlurfen nun Schildkröten durch das Glashaus. Rosenthal stirbt 2001, liegt im leicht verwitterten Park von Schloss Erkersreuth begraben, in dem sein Vater 1879 die Firma gründete und das der Junior mit Aufwand und Stil umbaute, als Wohn- und Repräsentationshaus nutzte. Hier wäre ein Range Rover des Guten nicht zu viel gewesen, wirklich nicht.

Fahrzeuge statt Geschirr

Bereits 1909 wird die Königlich Bayerische Fachschule für Porzellanindustrie eröffnet, auf Initiative von Philip Rosenthal sen. Die heutige Staatliche Fachschule für Produktdesign ist in ein Berufsbildungszentrum integriert und arbeitet in projektbezogenen Workshops mit Autoherstellern zusammen. Einer der prominentesten Absolventen aus Selb ist der ehemalige Mercedes-Designchef Peter Pfeiffer.

Mehr Infos: www.bsz-selb.de

Technische Daten
Range Rover lang 5.0 V8 SC SVAutobiography
Grundpreis209.400 €
Außenmaße5199 x 1983 x 1840 mm
Kofferraumvolumen550 bis 2345 l
Hubraum / Motor5000 cm³ / 8-Zylinder
Leistung405 kW / 550 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit225 km/h
Verbrauch12,8 l/100 km
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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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