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Old School Custom Works
Die US-Car-Profis aus Stuttgart

Inhalt von

Das Team von Oldschool Custom Works nahe Stuttgart individualisiert US-Cars der 50er- bis 70er-Jahre – und geht dabei sehr traditionsbewusst vor.

US-Schrauber, Impression, amerikanische Sportwagen
Foto: Mario Brunner

„Die US-Soldaten kamen aus Europa zurück, hatten den Zweiten Weltkrieg gewonnen und waren wie im Rausch. Die wollten günstige Autos mit dicken Motoren. Das war für mich der Beginn des Werkstunings“, sinniert Christian Rühle. Er steht in der Werkstatt von Oldschool Custom Works (OSCW) in Weinstadt bei Stuttgart, doch um ihn herum sieht es sehr amerikanisch aus. Ein Dodge Charger R/T, ein Ford Mustang, eine Chevrolet Corvette. Ihre Motoren: groß und leistungsstark. Ihre Karossen: windschnittig und muskulös, Boliden der 60er und 70er. Und Rühle ist ein echter Fachmann auf dem Gebiet der Muscle- und Pony-Cars.

Unsere Highlights

Genauso wie Sönke Priebe, sein Partner bei Oldschool Custom Works. Er ergänzt: „Es wundert einen doch auch nicht, oder? In einem Land, wo Modellreihen jährlich ein Facelift erhalten, sind Gebrauchte nach drei bis vier Jahren alter Schrott und für jeden erschwinglich.“ Im Nachkriegsamerika muss man sich andere Größenordnungen vorstellen: Allein General Motors (GM) verkaufte pro Jahr rund fünf Millionen Autos – da liegt der Wunsch nahe, sein Auto zu individualisieren. „Die Jungs da drüben haben gemacht, was ging. Am Ende bestand ihr Wagen aus einem Gemisch verschiedener Hersteller. Die waren verrückt!“

US-Schrauber, Impression, amerikanische Sportwagen
Mario Brunner
Die Werkstatt von Oldschool-Custom-Works in Weinstadt bei Stuttgart wirkt eher amerikanisch als schwäbisch.

OSCW mit herausragendem Ruf für custom-works

Verrückt wie – mit Verlaub – die zwei Eigentümer von OSCW. Rühle und Priebe teilen eine Leidenschaft: die für US-amerikanische Oldtimer der Baujahre 1950 bis 1975. Priebe sammelt Chevrolet Caprice (ja, er macht hier eine Ausnahme von der Baujahrregel). Allerdings nur die Special Equipment Options, also jene Modelle, die an die Polizei ausgeliefert wurden. Er besitzt wahrscheinlich die größte Sammlung in ganz Europa. Rühle dagegen bevorzugt Fullsize- Cabrios – gerne mehr oder minder dezent modifiziert. Und da wären wir bereits mitten in einem der Spezialgebiete, auf denen sich OSCW einen herausragenden Ruf erarbeitet haben: „custom works“, also jene aufwendige Individualisierung, mit der sich die Ex-GIs nach dem Zweiten Weltkrieg die Zeit vertrieben.

Auf dem Hof im Industriegebiet von Weinstadt steht zum Beispiel eine sogenannte Ford Shoebox von 1950, an der nur noch wenig original erscheint. Unter anderem haben die Jungs von OSCW das Dach gechoppt, also abgesenkt, und den ganzen Wagen tiefergelegt. Zusätzlich hat der Ford flachere Scheiben erhalten sowie eine neue Innenausstattung. Aber das ist, neben gewöhnlichen Restaurierungen, vor allem von Frühjahr bis Herbst, eine eher seltene Beschäftigung. „Im Sommer haben wir vor allem Tagesgeschäft, Vorbereitungen für TÜV-Abnahmen und Reparaturen“, erzählt Rühle.

Tagesgeschäft sind TÜV-Vorbereitungen und Reparaturen

Wie zum Beweis rollt ein roter Chevrolet Impala Convertible in die Halle: der heutige 14-Uhr-Termin. Der Chevy soll neue Türdichtungen erhalten. Inzwischen ist es 14.30, der Eigentümer entschuldigt sich bei der Begrüßung: „Bin nicht aus der Garage gekommen. Das Tor klemmte!“ Während sich der Besitzer mit einem Kaffee am Tresen des OSCW-Showrooms einrichtet, macht sich einer der Mechaniker über den Wagen her. Öffnet eine Tüte, entnimmt die Dichtung. Setzt das eine Ende des neuen Gummistrangs an, kraust die Stirn, probiert das andere, ruft schließlich: „Sönke, die Dichtung passt nicht!“ Priebe, der Werkstattleiter, inspiziert das Problem kurz, richtet sich auf und fragt in die Runde: „Sascha, sag mal schnell: Was hat in der Vergangenheit an diesem Auto nicht funktioniert?“ Wie aus der Pistole geschossen ertönt die Antwort aus einem Mustang. Der Mechaniker ist in den Untiefen des Ponys verschwunden, deshalb nicht zu sehen – aber zu hören: „Die Anschlüsse der Türdichtungen!“ Gut, wenn man seine Pfleglinge kennt.

Und so gibt die störrische Dichtung mit ein wenig Gewalt und viel Geduld schließlich nach. „Das ist eines unserer Hauptprobleme. Entweder es gibt keine Ersatzteile oder die im Katalog vom Hersteller verzeichneten Teile sind falsch. Macht man den Hersteller darauf aufmerksam, beruft der sich auf den Katalog.“ Dort stünde schließlich genau dieses Teil drin, ergo sei es das richtige. Andere Schwierigkeiten gäbe es mit zwielichtigen Lieferanten. „Der hier zu Beispiel“, Priebe klatscht die Rechte auf den aufgebockten Camaro. „Der Kunde hat ein Getriebe bestellt, wir haben es eingebaut und bei der ersten Probefahrt ist es krepiert.“ Als der Mechaniker es hinterher aufschraubte, seien ihm die Einzelteile nur so entgegengekullert. „Wir haben es dem Lieferanten zugeschickt, dass er es sich bitte ansehen möge – was er verweigerte. Als Christian ihm sagte, wir müssten es dann einem unserer Gutachter übergeben, erstattete er gegen Christian Anzeige wegen Nötigung.“ Der Diplomjurist Priebe lacht: „Der Polizist fand das sehr komisch, und es ist auch zu nichts gekommen. Aber mit so einem Quatsch müssen wir uns herumschlagen.“

US-Schrauber, Impression, amerikanische Sportwagen
Mario Brunner
Für Kunden gibt es Kaffee und Kaltgetränke. Und einen Plausch mit Blick auf zwei Ausstellungsstücke: einen Plymouth Superbird mit abwegig hohem Heckspoiler sowie einen Dodge Charger.

„Anständiges Individualisieren ist nicht leicht“

Schwierigkeiten, die den Speedverrückten amerikanischen Jungs der Nachkriegszeit fremd gewesen sein dürften. Im Gegenteil: Sie erlebten eine Industrie im Aufwind. Da waren etwa die Barris-Brüder, die bereits vor dem Krieg Autos individualisiert hatten und sich ab 1945 einen Namen in ganz Nordamerika erarbeiteten; sie individualisierten sozusagen schon ab Werk. Oder Larry Watson, der sich auf schrille Lackierungen spezialisierte und die ihm anvertrauten Autos mit ausgefallenen Mustern aufmotzte. Das wurde zum Nationalsport: je ausgefallener, desto besser. Ähnliches findet sich heute in Weinstadt, Ausgefallenes ist schließlich Rühles Spezialität. „Der denkt sich so was nachts aus“, witzelt Priebe über seinen Kompagnon, den Kommunikationsdesigner.

Etwa die Shoebox, die OSCW übernahmen, weil der Eigentümer mit dem Ergebnis der zuerst beauftragten Werkstatt unglücklich war. „Anständiges Individualisieren ist nicht leicht“, erklärt Christian Rühle. „Vieles ist ein Abklatsch alter Ideen, wieder anderes ist handwerklich schlecht gemacht.“ Es sind häufig Problemfälle, die bei OSCW landen. Oder Kniffligkeiten, wie bei der Chevrolet Chevelle. Rühle hat sie vormittags direkt aus einer anderen Werkstatt geholt. Sie hat eine neue Klimaanlage erhalten, seither streikt der Motor, wann immer die Aircon läuft. Nun wartet die Chevelle draußen vor dem Showroom auf die Behandlung.

Die goldene Ära der Pony- und Muscle-Cars

Drinnen befindet sich in der Ecke das Büro der OSCW-Chefs, davor ein hoher halbrunder Tresen – Reparaturannahme und Cafeteria in einem. Für Kunden gibt es Kaffee und Kaltgetränke. Und einen Plausch mit Blick auf zwei Ausstellungsstücke: einen Plymouth Superbird mit abwegig hohem Heckspoiler sowie einen Dodge Charger – Helden jener zwei heute glorifizierten Jahrzehnte, die Priebe und Rühle so am Herzen liegen. Zu Beginn der 60er-Jahre reagierten die amerikanischen Hersteller mit der sogenannten Midsize-Klasse auf die Nachfrage einer weniger begüterten Käuferschicht nach aufregenden Modellen. Beispiel Mustang: Damit gelang Ford 1964 ein erster Rekord auf dem Gebiet der Individualisierung. Die Kosten des Pony-Cars ließen sich anhand der Aufpreisliste ab Werk fast verdreifachen.

Man drillte die Autos jetzt auf Leistung, versuchte Gewicht zu sparen, wo es ging. So erleichterte Dodge die Super-Stock-Karosserien im Säurebad, hängte einen dicken Motor unter die Fronthaube und schuf so eine Art Quartermile-Dragster. Die Zeit auf der Viertelmeile war die Währung der Pony- und Muscle-Cars. Und die Kunden hetzten die Neuentwicklungen praktisch aus dem Werkstor heraus gleich über den dreispurigen Woodward Cruise quer durch Detroit – dem damaligen Mekka für illegale Straßenrennen. Das hatte Folgen: „Viele Jugendliche fuhren sich tot“, weiß Rühle.

„Die Versicherungen stuften einen Challenger schließlich höher ein als einen Ferrari.“ Die Ära endete Mitte der 70er. Verbraucherschutzanwalt Ralph Nader hatte bereits 1965 sein Buch „Unsafe at any Speed“ veröffentlicht, worin er vor allem den GM-Modellen Konstruktionsschwächen attestierte. „Der Grund für das Ende der Muscle-Cars war aber wohl ein anderer“, unkt Sönke Priebe. „Ab 1975 musste jeder Neuwagen einen Kat haben. Das hat die Hersteller unvorbereitet getroffen und ihre Entwicklungskapazitäten gebunden. Danach kam nichts Gescheites mehr.“ Deshalb, so sagen Priebe und Rühle einhellig, würden sie bei OSCW auch praktisch keine Autos nach 1975 anrühren.

US-Schrauber, Impression, amerikanische Sportwagen
Mario Brunner
Seit 2009 betreuen die Petrolheads Sönke Priebe und Christian Rühle in einem Industriegebiet in Weinstadt nahe Stuttgart US-Cars der 50er- bis 70er-Jahre.

OLDSCHOOL CUSTOM WORKS – Von Detroit nach Stuttgart

Seit 2009 betreuen die Petrolheads Sönke Priebe und Christian Rühle in einem Industriegebiet in Weinstadt nahe Stuttgart US-Cars der 50er- bis 70er-Jahre. Ihr Angebot reicht von der Kaufberatung über Import, Verkauf, Service, Reparaturen und Restaurierungen bis hin zu den bereits im Firmennamen verzeichneten „custom works“, der Individualisierung auf Kundenwunsch. „US-Cars sind inzwischen in der Oldtimer-Szene akzeptiert“, berichtet Rühle. „Einige unserer Kunden fragen sich sogar, ob sie sich besser einen Porsche 911 oder eine Chevrolet Corvette kaufen sollen.“

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