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Dwarf Cars
Liebling, ich habe den Chevy geschrumpft

Inhalt von

Ernie Adams ist ein Künstler, der amerikanische Straßenkreuzer in halber Größe nachbaut – und zwar perfekt und voll funktionsfähig. Sie tragen ihn Tausende Meilen durch Amerika und erzählen eine Geschichte von kleinen Schätzen und großer Leidenschaft.

Dwarf Cars, Miniaturautos, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Ernie sitzt in der Küche und schaut zum Fenster hinaus. Genau genommen träumt er sich davon – aus der Wohnwagensiedlung, der Schulzeit. Sein Blick verliert sich auf einem umgekippten Kühlschrank in der Wiese, an dessen Ende ein Rad lehnt. Was Ernie in diesem Augenblick nicht bemerkt: Sein Gedächtnis speichert dieses Bild als große Idee ab – ohne es ihm sofort zu verraten. In jenen Monaten und Jahren in Nebraska bastelt der junge Ernie an allem, was Räder hat.

Er verhilft Fahrrädern mit Hilfsmotoren zu mehr Geschwindigkeit, frisiert einen Rollstuhl, baut sich ein Go-Kart aus Holz und lässt sich damit vom Auto der Mutter über die Straßen ziehen. Dabei lernt er, dass Bremsen generell von Vorteil sein können. Nach der Schule wird er zum Mechaniker, arbeitet sich in die Technik ein, lernt später Schweißen. Sein erstes Auto wird ein 1928er Chevrolet 2 Door Sedan, dem er einen V8 verpasst. Doch das stillt seinen Drang, eigene Autos zu bauen, nur für kurze Zeit.

Vom Kühlschrank zum Zwerg-Chevy

In jenen Jahren serviert ihm sein Gedächtnis das Bild aus der Kindheit, er sieht den umgekippten Kühlschrank mit dem angelehnten Rad vor sich und denkt, warum eigentlich keine kleine Kopie von großen Schlitten anfertigen. Voll funktionsfähig, versteht sich.

Die Idee lässt ihn nicht mehr los. 1962 beginnt er, Teile dafür zu sammeln, und drei Jahre später hat er genügend Material für Fahrwerk, Rahmen und Innenausstattung aufgetrieben. Sogar ein kleiner und leichter 18-PS-Wisconsin-Motor mit Getriebe ist dabei. Als Vorlage wählt er seinen 28er Chevy – den will er nachbauen. Technische Zeichnungen hat er damals nicht zur Hand. Er vergleicht alles mit dem Original, versucht, die Proportionen zu treffen. Seine einzigen Vorgaben: Das Auto soll bequem fahren und über die selben Details wie die Vorlage verfügen. Als er sich an die Arbeit macht, hat er einen Hammer, einen Meißel und eine Eisensäge. Und noch weniger Ahnung.

Schlaflose Nächte bereiten ihm vor allem die vielen Rundungen der Karosseriebleche – er weiß nicht, wie er diese Formen sauber herstellen soll. Irgendwann fällt ihm auf, dass die Ecken an alten Blech-Kühlschränken passen könnten. Also besorgt er sich ein Dutzend und baut sich daraus Kotflügel, zwei Türen, eine Motorhaube und eine Heckklappe.

Nach zweieinhalb Jahren, neuneinhalb geschlachteten Kühlschränken und noch mehr blauer Daumen ist es tatsächlich vollbracht: Ernie steht vor seinem ersten kleinen fahrbereiten Auto. Es ist 2,75 Meter lang, 1,35 Meter hoch, hat einen Radstand von 186 Zentimetern und sieht tatsächlich aus wie ein zu heiß gewaschener 1928er Chevy 2 Door Sedan. Ernie Adams ist infiziert und wird zum Künstler.

Mit festem Händedruck begrüßt uns eine Stunde südlich von Phoenix/Arizona ein Mann von stattlicher Erscheinung. 1,85 Meter Länge verteilen sich auf ein weißes T-Shirt, eine blaue Jeans und schwarze Boots. Die grauen Haare sind zu einer kleinen Tolle geformt, das Grinsen ist breit und überaus freundlich. Er stellt sich als Ernie Adams vor und winkt uns in eine Blechhalle, in der locker ein Lkw parken könnte. Rechts sind jede Menge Werkzeuge versammelt, links hängen alte Kotflügel, oben rührt ein Lüfter gemächlich die Luft um. Am hinteren Ende der Halle öffnet sich ein weiterer Raum, darüber hängt das Schild Dwarf Car (zu Deutsch: Zwergen-Auto) Museum. Ernie steckt die rechte Hand in die Hosentasche und deutet mit der linken auf seine Babys.

US-Straßenkreuzer im Maßstab 1:2

Er braucht keine Worte, um die Einzigartigkeit dieses Ensembles zu betonen. Nebeneinander parken amerikanische Klassiker: ein 39er Chevy Sedan, ein 42er Ford Convertible, ein 49er Mercury und ein 34er Ford Sedan. Das Besondere ist nicht ihr guter Zustand, sondern ihr Maßstab – alle sind nur etwa halb so groß wie die Originale. Alle sind Unikate, kleine Schätze, die Ernie von Hand angefertigt hat – vom Türscharnier über die Sicken im Kühlergrill, die Chromstoßstangen, das elektrische Verdeck des Cabrios. An jedem Auto hat er rund vier Jahre gearbeitet. Wer hier steht, weiß: Ernie Adams hat ein unglaubliches Talent – und er ist unglaublich bescheiden. „Das sind meine Dwarf Cars“, sagt er leise und bricht das Staunen. Dann beginnt er etwas schüchtern zu erzählen, von seiner Familie, seinen beiden Söhnen, von seiner Zeit als Hobbyrennfahrer und davon, dass es nie einen Grund gegeben hat, diese kleinen Autos zu bauen. Nur diesen großen Willen in seinem Kopf, und nachdem das erste Modell fertig war, konnte er nicht mehr aufhören.

Er zeigt die vielen Werkzeuge, die er zum Formen der Bleche gebaut hat, die kleinen 12-Zoll-Felgen, die er von Hand anfertigt und eingespeicht hat. Er betont, wie gut es ihm tut, die vielen Menschen während seiner Reisen mit den Dwarf Cars zu treffen – ganz recht, einige seiner Miniautos haben eine Straßenzulassung und werden regelmäßig gefahren. „Warum denn nicht?“ fragt er und grinst. „Wir haben damit auch einige Familienausflüge unternommen.“ Die längste Reise ging zum Grab seines Jugendhelden James Dean, 3.000 Kilometer pro Strecke.

Zwerg-Autos sind unverkäuflich

Mittlerweile ist Ernie im Ruhestand und hat wie so viele Rentner weniger Zeit als zuvor. Seitdem er mit seinem Sohn Kevin das Museum mit kleinem Kino eröffnet hat, kommen fast täglich Besucher von überall her und halten ein Schwätzchen. „Ich überlege wirklich, Öffnungszeiten einzuführen. Ich hab da noch ein Modell, das ich gern bauen möchte.“ Mittlerweile steht seine Frau neben ihm und reicht Sandwiches. Zwei dicke Katzen schmiegen sich von Bein zu Bein, im Radio singt Elvis. Ernie Adams ist glücklich, das kann jeder sehen.

Er hat seine Träume zum Leben erweckt, sich nicht bremsen lassen. „Der Typ war wieder am Telefon“, sagt seine Frau. Ernie fragt: „Der mit Geld?“ „Ja, er hat erneut 450.000 Dollar für den kleinen Mercury geboten“, sagt sie und schmunzelt. „Der wird es wohl nie verstehen“, murmelt Ernie.

Wer bei seiner nächsten USA-Reise durch Arizona kommt, sollte unbedingt in Maricopa einen Stopp einlegen und sich die Miniaturautos von Ernie Adams anschauen. Eintritt und ein Schwatz mit dem Chef sind kostenlos. Am besten vorher kurz anrufen. Telefonnummer und Wegbeschreibung unter www.dwarfcarmuseum.com

Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 08 / 2024

Erscheinungsdatum 04.07.2024

164 Seiten