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Der große Fahrzeug-Qualitätsreport
Wie definieren die Hersteller Qualität?

Unsere Autos werden immer besser, können immer mehr. Gleichzeitig steigt aber auch die Zahl der Rückrufe und Skandale. Nimmt die Qualität also zu oder ab? Wir haben uns dazu genau angeschaut, wie die Hersteller Qualität definieren und wie viel sie tun, um sie zu erreichen.

Qualitätsreport AMS 1017, Porsche Werk
Foto: Porsche

Es ist der 11. April 2017, das aktuelle Jahr noch keine vier Monate alt. Trotzdem notiert der ADAC für diesen Zeitraum bereits 120 Autorückrufe. Im gesamten Jahr 2016 waren es laut der EU-Datenbank Rapex rund 250 Fälle. Betroffen waren davon in Deutschland mindestens 1,3 Millionen Fahrzeuge. Da dieser Wert jedoch auf Herstellerangaben beruht, geht man von einer noch viel größeren Anzahl aus.

Qualitätsreport AMS 1017, Porsche Werk
Porsche
Die Zahl der Rückrufe ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Heißt das, dass die Qualität immer weiter abnimmt?

Paradox: Auf der einen Seite schwärmen wir davon, in einigen Jahren vollvernetzt zu sein und uns autonom durch die Gegend fahren zu lassen. Auf der anderen Seite müssen die Hersteller immer wieder zugeben, dass an ihren Fahrzeugen schwere sicherheitsrelevante Mängel auftreten können.

Beispiele gefällig? Einer der größten Skandale betrifft die Airbags von Takata, die massenhaft ausgetauscht werden müssen. Dann wären da Modelle der BMW-3er-Reihe, bei denen die Lenkkraftunterstützung auszufallen droht, beim Opel Corsa OPC und Adam kann das Lenkgestänge brechen oder bei einigen Mercedes-Modellen die Fondsitzlehne bei einem Frontalcrash umklappen, weil sich unter Umständen deren Haltebügel vom Rohbau löst.

Produzieren die Hersteller neben dem Technologiefortschritt also ein riesiges Qualitätsproblem? Gründe dafür gäbe es: Mit zunehmender Elektronik steigt die Komplexität der Fahrzeuge, hinzu kommen Kostendruck und kürzere Entwicklungszyklen. Da wäre es nicht abwegig, bei der Qualitätssicherung einzusparen und rechnergestützte Simulationen den aufwendigen realen Tests vorzuziehen.

Die Autos werden zuverlässiger

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Zum einen gelangen viele Probleme nur an die Öffentlichkeit, weil die Behörden die Fahrzeugsicherheit mittlerweile intensiver überwachen. Zum anderen ordnen die Hersteller schneller offizielle Rückrufe statt verdeckte Service-Aktionen an. Und: Unter den auto motor und sport-Dauertestern steigt die Zahl der Null-Fehler-Autos. Die Fahrzeuge werden zuverlässiger.

Allein die Fehler beim Endprodukt Auto zu betrachten, beantwortet die Frage nach guter Qualität nur bedingt. Die Fehler zeigen lediglich die Spitze des Eisbergs, wenn die Qualitätssicherung versagt hat. Um den Kosmos „Qualität“ zu verstehen, müssen wir tiefer in die Materie einsteigen. Auch wenn es sich zunächst trocken anhört, im Grunde geht es hier um die echte Ingenieurskunst.

Eine Frage des Geschmacks

Qualitätsreport AMS1017
Dino Eisele
Die Qualitätssicherung ist eine komplexe Angelegenheit.

Denn Qualität ist komplex. Sie umfasst nicht nur alle Bauteile und deren Funktionen, sondern muss auch dem Geschmack und der individuellen Wahrnehmung verschiedener Menschen gefallen. Für Porsche besteht die Qualität daher aus vier Säulen. Außer der Emotion – also der Kombination aus Design, Sound und Performance – zählt die Funktion dazu, also Zuverlässigkeit und Alltagstauglichkeit. Ebenfalls wichtig: die Anmutungsqualität. Dinge wie Haptik, Fugenbild und kleinste Details sollen einen Eindruck von Perfektion hinterlassen. Zu guter Letzt trägt auch der Service zur gesamten Qualität des Sportwagenbauers bei. Um all diese Punkte zu erfüllen, gehört die Qualität von Beginn an zum Entwicklungsprozess. Denn jedes Detail wie Toleranzen und Oberflächen in einem einzigen Bauteil zieht eine Kette von Einflüssen nach sich, die der Kunde später spürt.

Für Getriebespezialist ZF bedeutet das zum Beispiel, die Verzahnung innerhalb eines Getriebes auf wenige My (also Tausendstel-Millimeter) genau zu fertigen. Ohne spezielle Maschinen und automatisierte Prozesse, die exakt reproduzierbar ablaufen, wäre das unmöglich. Doch selbst der modernsten und besten Maschine würde niemand blind vertrauen. Stattdessen wird die Qualitätssicherung immer wichtiger.

Hersteller und Zulieferer nutzen dafür verschiedene Methoden und Kennzahlen, die in Normen wie der IATF 16949 festgeschrieben sind. Diese wurde erst im vergangenen Herbst aktualisiert und gilt international. Nur wer sich per Zertifikat bestätigen lässt, genau diese Vorgaben einzuhalten, darf Teile für die Automobilbranche liefern.

Totale Überwachung

Das Spannende an der Qualitätssicherung ist, dass sie alle Phasen eines Bauteils begleitet. In der Entwicklung stellt sie sicher, dass das Endprodukt alle Anforderungen erfüllt und so auch produziert werden kann. Dabei helfen Simulationsmethoden am Computer, Probleme schon vorab zu erkennen. Doch so verlockend und zeitsparend das klingt: Etwa zwei Drittel aller Prüfungen finden noch immer in aufwendigen Tests am realen Produkt statt. Nur so kann das Zusammenspiel aller Komponenten untersucht werden. Während der Serienproduktion kümmert sich die Qualitätssicherung hauptsächlich um die Kontrolle aller Vorgaben. Jeder Prozess, jede kleinste Software-Änderung muss lückenlos überwacht und rückverfolgt werden können. Dafür kommen seit einigen Jahren Data Matrix Codes auf nahezu allen Bauteilen zum Einsatz, die die entsprechenden Informationen speichern. Tritt später im Feld ein Fehler an der Komponente auf, kann ihr Lebenslauf so nachvollzogen werden.

Doch trotz der Digitalisierung und Automatisierung bleibt der Mensch für einige Prüfungen unverzichtbar.

Null-Fehler-Quote bleibt Vision

Das wird wohl noch Jahre so bleiben. Zwar steigt insgesamt der Anteil automatisierter Prozesse, um den Fehlerfaktor Mensch zu reduzieren. In einigen Bereichen bleibt er dem Roboter aber überlegen, da nur ein Mensch fühlen kann wie ein Mensch.

Wird es also überhaupt irgendwann eine Null-Fehler-Quote bei Autos geben? Unwahrscheinlich, denn mit jeder neuen Technik kommen auch neue Herausforderungen für die Qualitätssicherung – siehe Digitalisierung. Bleibt also zu hoffen, dass sich Rückrufe etwa wegen mangelnder Daten- und Übertragungssicherheit in Hinblick auf das autonome Fahren in Grenzen halten.

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