Sand. Überall Sand. Roter Sand, brauner Sand, weißer Sand. Feiner Sand. Er kriecht durch die Lüftungsritzen und zwischen die Zähne. Er liegt auf den Schlafsäcken und darin.
Wenn man sich die Schuhe zubindet, stieben kleine Sandwölkchen aus den Schnürsenkeln. Der Sand verklebt die Augen, bahnt sich seinen Weg bis in die Stirnhöhlen. Kurz: Ideale Bedingungen für die Teilnehmer der Land Rover Experience Tour durch Namibia.
Erster Teil: Der Zivilisation entkommen
Auf dem Parkplatz am Flughafen in Windhoek warten bereits die beiden einheimischen Guides mit den Wagen. Oliver ist der Sohn des lokalen Veranstalters und hat gerade eine Schulung über die Tierwelt im Süden Afrikas hinter sich. Erich ist ein Freund von Olivers Vater, ein erfahrener Haudegen und blendender Organisator des Alltags draußen im Gelände.
Sie haben die Land Rover dabei, die in den nächsten neun Tagen unser Zuhause sein werden - zwei Defender, zwei Discovery und ein vollgepackter Pick-Up. Ausgestattet mit allem, was man so braucht abseits asphaltierter Straßen, ohne Supermarkt um die Ecke und ohne Handy-Netz. Hinten brummen Kühlkästen vor sich hin, vollgepackt mit Wasser, Coke und Säften. Und Bier fürs Lagerfeuer. Daneben stehen palettenweise Wasserflaschen. "Viel trinken", mahnt Markus, "viel trinken ist hier wichtig, um nicht zu dehydrieren."
Doch so schnell entlässt einen auch in Namibia die Zivilisation nicht in die Wildnis. Im leichten Regen geht es von Windhoek gen Norden - auf der linken Spur, daran gewöhnt man sich schnell. Selbst auf den Asphaltstraßen tendiert die Verkehrsdichte gegen Null. Später auf den Schotterpisten wird jedes entgegenkommende Auto per Funk vom Führungsfahrzeug gemeldet, damit man sich nicht erschreckt.
Einsamkeit in Namibia
Es wird Tage geben, da kommt kein einziges Fahrzeug: Namibia ist etwa doppelt so groß wie Deutschland, hat aber nur 1,9 Millionen Einwohner. Und die meisten davon leben in den Städten und Dörfern.
Die Hierarchie des Straßennetzes in Namibia ist klar und einfach: Die gut ausgebauten, zweispurigen Asphaltstraßen der Kategorie "B" entsprechen in etwa unseren Autobahnen, die planierten Schotterpisten der Klasse "C", an denen zwei Autos problemlos aneinander vorbei kommen, den Bundesstraßen. Ab F wird es abenteuerlich.
Von Asphalt zu Schotter
Über den Status Schotterstraße kommen wir am ersten Tag allerdings noch nicht hinaus - aber auch die schütteln die Defender mit ihren Blattfedern schon so tüchtig durch, dass es im Laderaum vernehmlich scheppert und kracht. Jetzt wird klar, warum die Kühlkästen massive Aluminiumwände haben.
Erstes Ziel ist die Mount Etjo Safari Lodge im Okonjati Wildreservat unweit von Kalkfeld. An die vielen deutschen Namen in Namibia haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Wir sind am "Elefanten-" und am "Eisenberg" vorbei gefahren, an den "Groß Barmen Hot Springs". Auf der Landkarte haben wir die "Bloedkoppe" entdeckt und den "Brandberg". Die größten Supermärkte in den Dörfern gehören zu "Spar" und Schilder in den Schaufenstern der Bäckereien werben für "Frische Broetchen".
Zweiter Teil: Komfortable Wildnis
In der Wildnis kann es durchaus komfortabel sein. Vorausgesetzt, man bringt Phantasie, Wissen und die notwendige Ausrüstung mit. Der zweite Teil unserer Land Rover Experience-Reportage aus Namibia.
Lodges in Namibia sind komfortabel und meist eingebettet in die Natur. Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor - entsprechend viel wird für die Touristen getan. Die Zimmer in der Mount Etjo Safari Lodge sind großzügig bemessen, haben Whirlpool und große Duschen. Den Weg zum Restaurant kreuzen Flamingos, an der Wasserstelle gleich daneben versammeln sich Gazellen und Antilopen. Am Buffet gibt es Mais und Kürbis, gegrilltes Fleisch vom Springbock und vom Hausschwein.
Ein paar Tage später, im Doro Nawas Camp mitten im weiten Damaraland haben die Hütten große Glasfronten, durch die sich die Betten ins Freie schieben lassen. Wer will, der kann so im Bett unterm Sternenzelt schlafen, während ein paar Meter unter ihm die Wildtiere vorbei ziehen.
Glasfronthütten, Wasserlöcher, wilde Tiere
Der Etosha National Park ist am nächsten Tag das Ziel. Hinter dem Anderson Tor, der südlichen Einfahrt zum Reservat. Offroadkünste sind auch hier noch nicht gefragt - Südafrikas Tierwelt wartet. Und das darf man durchaus wörtlich verstehen. Neben einem - künstlich geschaffenes - Wasserloch liegen ein paar Löwen und machen ihren Job, als ob sie von der Tourismusbehörde dafür bezahlt würden: Gähnen, trinken, ein paar Meter durchs dörre Gras trotten, hinlegen, wieder gähnen. Die Kameras in den Tourbussen, die auf einem Parkplatz neben der Tränke stehen, klicken im Akkord. Man fragt sich nicht nur bei den Löwen, wer hier eigentlich der Zuschauer ist. Giraffen, Zebras oder Antilopen spazieren vor den Wagen über die Straße und sorgen ungerührt für Mini-Staus. Elefanten und Nashörner stehen mit demonstrativem Desinteresse gleich neben der Straße.
Das Okaukuejo Ressort, in dem wir übernachten, hat als besondere Attraktion sein hauseigenes Wasserloch, an dem die Touristen nach Einbruch der Dunkelheit von bequemen Bänken aus und durch eine Steinmauer geschützt beobachten können, wer aus der lokalen Tierwelt sich hier so alles nach und nach einfindet. An dem kleinen Teich, der von Scheinwerferbatterien ausgeleuchtet wird, geht es zu wie in einer Eckkneipe in der Kölner Altstadt.
Dritter Teil: Endlich Offroad
Dann, am Tag Vier, beginnt das Abenteuer Offroad. Und von Tag zu Tag erweist es sich als steigerungsfähig. Die Kamdesha Route, der die fünf Land Rover zunächst folgen, ist nichts anderes als ein Netz von extrem staubigen Wegen. Nach ein paar Stunden gibt es nicht mal mehr die: Es geht ins erste Rivier. So heißen hier die ausgetrockneten Flußbetten, die als Straßenersatz dienen. Trocken heißt: Tiefer Sand, dazwischen immer wieder Waschbrett-Pisten. Oliver und Erich lassen Druck aus den Reifen, um die Auflagefläche zu vergrößern und ein Einsinken zu verhindern - seinen Wagen freischaufeln will hier keiner.
Über Stunden geht die schlingernde Fahrt durch das Bett des Hoanib. Und abends gibt es an einem der weit ausladenden Bäume am Ufer das erste Nachtlager unter freiem Himmel. Es ist Lagerfeuer-Romantik mit Komfortanspruch. In der Feldküche und über dem Feuer brutzelt Erich Steaks - und Gemüse oder Fischsuppe für die drei Vegetarier der Gruppe. Oliver baut auf der anderen Uferseite eine improvisierte 20-Liter-Dusche auf. Das warme Wasser dafür schöpft er aus einer selbst gebauten Gußstahlkanne im Lagerfeuer. Wer Duschen will, muss schleppen.
Dachzelte und die nächtlichen Toilettengänge ...
Die Dachzelte auf den Land Rovern sind fummelig, aber praktisch. Nur trinken sollte man abends zum Essen nicht allzu viel - alles was rein geht, will auch wieder raus. Jedes Mal ist ein kleiner Balanceakt fällig, um im Dunkeln heil die fünf Stufen der steilen Aluleiter runter und wieder rauf zu kommen. Und eine weitere Lektion lehrt diese erste Nacht im Freien: Wenn die Sonne weg ist, wird es empfindlich kalt im Zelt.
Mit jedem Tag wird die Tour nun "offroadiger". Und die Landschaft phantastischer. Das Trockenbett des Hoanib öffnet sich immer weiter. Irgendwo geht es wieder ab auf einen engen felsigen Pfad und durch kleine Wasserläufe, die grüne Inseln in der braunen Fels- und Sandlandschaft bilden. Es geht quer durch die Khowarib-Schlucht und über grobe Geröllhalden - die Offroadfans sind in ihrem Element. Im ersten Gang und mit Untersetzung ruckeln die Defender Steinhänge hinab und wühlen sich auf der anderen Seite wieder hoch. Die Discovery machen das mit Downhill-Control und Automatik-Untersetzung deutlich eleganter. Acht, neun Stunden schwankend und rüttelnd durchs die bizarre Landschaft, am Abend müde aber Stolz, das ohne größere Probleme hinbekommen zu haben - deswegen sind sie hier.
Noch einmal gibt es ein Wild Camp unter freiem Himmel, diesmal im Ugab River, vor einer senkrecht aufragenden Felswand. Ein bisschen fühlt man sich wie Karen Blixen in "Jenseits von Afrika".
Asphalt kündigt die Rückkehr in die Zivilisation an
Die Zivilisation kündigt sich am nächsten Tag nur wieder langsam an. Irgendwann nachmittags biegen die Land Rover aus dem Gelände auf eine Schotterpiste in Richtung Küste - kaum zu glauben, wie sanft schwebend sich auf einmal darauf fahren lässt. An Cape Cross mit seiner ebenso großen wie lautstarken Robbenkolonie gibt es sogar einen richtigen Parkplatz.
Ein paar Kilometer den Sandstrand entlang - in Swakopmund warten in der Lodge bereits die Duschen. Und am übernächsten Tag in Windhoek der Flieger zurück nach Deutschland. Wo die Straßen asphaltiert sind, schnell - und meistens ziemlich langweilig.