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Weltreise im Goggomobil TS 300 Coupé
200.000 km um die Welt in fünf Jahren

Inhalt von

Vor 50 Jahren starteten Marlotte und Peter Backhaus zur Weltreise – zunächst im Goggomobil TS 300 Coupé, später im Isar T 700. In ihrem Buch erzählen sie von  ihrem Abenteuer.

200.000 km um die Welt in fünf Jahren
Foto: Marlotte und Peter Backhaus

Sie wollten „es mal genau wissen, ob die Erde wirklich rund ist und ob die Wüsten wirklich wüst sind, der Äquator heiß und die Anden hoch – ob es noch Indianer gibt und richtige wilde Löwen“. Und deshalb sind sie losgezogen, die damals noch nicht verheirateten Hamburger Marlotte Aue und Peter Backhaus, an einem kalten Oktobertag des Jahres 1957. Und ausgerechnet in einem Goggomobil .

„Den Kleinen hebe ich zur Not selbst aus jedem Loch“, erklärte Peter Backhaus seiner verdutzten Verlobten die Wahl des TS 300 Coupés, das kurz vor der Abreise noch den neuen 400er-Zweitakter mit nun 20 PS eingebaut bekam. Schwieriger war es, die Eltern der erst 22 Jahre alten Marlotte von der Notwendigkeit einer Weltreise zu überzeugen. Beruhigend wirkte der Hinweis, es seien ausreichend Mittel an Bord, um sie „von jedem Ort der Welt heil mit dem Flugzeug nach Hause zu bringen“.

Unsere Highlights

Spendable Glas-Werke machen den Goggo weltreisefest

Finanziert werden sollte die Fahrt unter anderem mit einem Film – Peter Backhaus war bereits vier Jahre zuvor mit einer Horex 350 und einer 16-mm-Kamera nach Indien gereist und hatte den Dokumentarfilm „Zauber des Orients“ mitgebracht. Diesmal sollte es ein abendfüllender Kinofilm werden, was angesichts der bescheidenen Ausrüstung eine ziemliche Herausforderung war: Die Bolex H16 mit Revolverobjektiv und Federwerk musste alle 20 Sekunden aufgezogen werden, und das Filmmaterial verlangte sparsamen Umgang – zwei Minuten Umkehrfilm kosteten damals 40 Mark.

Glücklicherweise schossen die Glas-Automobilwerke 5.000 Mark zur Reisekasse hinzu und stellten außerdem das nagelneue Goggomobil zur Verfügung. Weltreisefest natürlich: Gegen den Wüstensand gab es Filter, für mehr Frischluft ein Schiebedach, das Instrumentenbrett wurde mit Kompass und Uhr sowie einem Stecker für Wasserkocher und Rasierapparat versehen.

In den Fußraum bauten die Dingolfinger einen 30-Liter-Wassertank, ein zusätzlicher Benzintank erhöhte die Reichweite. Und weil das Coupé auch als Hotel dienen sollte, wurde die komplette Rücksitzbank entfernt – sodass die Reisenden im Handumdrehen ein 2,30 Meter langes und 1,30 Meter breites Bett bauen konnten.

Weltreise mit Stil 

Geruht wurde sodann nicht in ordinären Schlafsäcken, sondern in frisch aufgeschüttelter, kuscheliger Federwäsche. Und auch sonst legten die Hamburger unterwegs Wert auf Stil: Beide präsentierten sich immer adrett gekleidet; Peter Backhaus stand stets frisch rasiert hinter der Kamera, Marlotte sauber geschminkt davor. „Peter und ich fanden es wichtig, dass wir nicht wie Stromer aussahen“, meint Marlotte Backhaus, „das war eben unser Tick, und wir haben es auch gut durchgehalten.“

Wobei es zu Weihnachten in einer Bar in Bagdad vielleicht besser gewesen wäre, wenn die blonde Hamburgerin nicht ganz so hübsch ausgesehen hätte: So entbrannte ein arabischer Scheich in heißer Liebe, zerrte ein ganzes Bündel Banknoten hervor und sagte: „Ich kaufe diese Frau“ – und setzte, als Peter Backhaus abwinkte, traurig hinzu: „Mehr Geld habe ich nicht.“

Erzwungener Umstieg auf T700

Nach fünf Monaten und 6.000 Kilometern erreichte die kleine Expedition Indien, das erste Etappenziel, und das Goggomobil, das längst den Kosenamen „Schnüffelchen“ trug, hatte bis dahin alle Strapazen gut überstanden. Die subtropischen Straßen und das Klima aber setzten dem Coupé schwer zu, dazu kam ein Konflikt mit einem Lkw. Schwer lädiert ging es per Schiff nach Singapur und weiter nach Japan – im dortigen Zollamt war Schluss: Die Japaner wollten weder das Auto noch die inzwischen eingetroffenen Ersatzteile herauslassen.

Für die Weiterfahrt ab San Francisco stellten die Glas-Werke das frisch vorgestellte große Goggomobil bereit, den Isar T 700. Das kleine Coupé aber gelangte schließlich zurück nach Dingolfing, und Seniorchef Hans Glas ließ den beiden Reisenden ausrichten, im Innenraum rieche es „wie in einem Affenkäfig“.

Weiter ging es nun mit 30 PS aus einem 700er-Viertakt-Boxer, bald hatte auch das neue Gefährt einen Spitznamen: Gitano, sprich Zigeuner. Dummerweise wollten die Glas-Werke in dem geplanten Film nur noch das neue Modell sehen, weshalb Familie Backhaus nach der Rückkehr aus Südamerika nach Afrika aufbrechen musste, um den Beginn der Weltumrundung neu zu drehen.

200.000 Kilometer überstanden

Im afrikanischen Lagos bestiegen Marlotte und Peter Backhaus schließlich am 17. Juli 1962 einen Flieger nach Frankfurt (der T 700 reiste per Schiff hinterher) und erreichten 13 Stunden später zum ersten Mal nach fast fünf Jahren und rund 200.000 Kilometern deutschen Boden. „Die Heimat kam uns nun so aufregend und neu vor wie früher die exotischen Länder“, sagt Marlotte Backhaus.

Zu Hause warteten bereits kistenweise Filmrollen mit zwölf Stunden Material, aus denen Peter Backhaus einen eineinhalbstündigen Film zusammenstellte. „Traumreise zu dritt“ erlebte am 5. März 1964 im Münchner Premierentheater seine Uraufführung, und die Wiesbadener Filmbewertungsstelle urteilte: „Prädikat wertvoll.“

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Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten