Stefan Cerchez pro Bildschirm-Instrumente
Es hat mich schon immer gewurmt. Seit ich weiß, dass unsere Autos weitaus mehr Informationen über ihr aktuelles Befinden erheben und verarbeiten, als uns die Hersteller via Zeigerinstrumente oder Bordcomputer sehen lassen, wünsche ich mir einen tieferen Einblick in das Innere meines Wagens.
Da es mir mangels Ingenieursstudium und Programmierkenntnissen selbst nicht möglich ist, diese Daten abzugreifen und entsprechend aufzubereiten, ließen mich die ersten Zusatzinstrumente für die OBD-Schnittstelle aufhorchen. Die kleinen Kästchen am Kabel waren zwar kein Gewinn für das Innendesign, aber inhaltlich ein Schritt in die richtige Richtung. Mittlerweile geht es deutlich eleganter – per Funkadapter von der Diagnose-Schnittstelle auf das Smartphone, wo eine App die Daten unserer Wahl auf den Handyschirm zaubert.
Schon nahe dran. Perfekt wäre jedoch ein Bildschirm im Zentralinstrument, dessen Inhalte und Darstellungsform der Fahrer – im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben – selbst bestimmen kann.
Anzeigetechnik muss mit verfügbaren Inhalten Schritt halten
Und tatsächlich, die ersten Hersteller tasten sich vorsichtig an das Thema heran: Ford mit einem Bordcomputer-Display, das auf Wunsch vier Werte gleichzeitig anzeigt. Mercedes und Jaguar mit einem Bildschirm, der die vertrauten Instrumente simuliert und zusätzliche Informationen einblendet. Und schließlich BMW oder Volvo, die sogar so weit gehen, neben den klassischen Tachonadeln auch alternative Formen der Darstellung wie Dezimalwerte, Ring- oder Balkensegmente zu ermöglichen, und auf diese Weise mehr Raum für Statusanzeigen von Sicherheits- und Sekundärsystemen wie Navigation oder Multimedia gewinnen.
Fürs Protokoll: Ich kann animierten Grünpflanzen oder Energiefluss-Darstellungen nur wenig abgewinnen. Aber in einer Zeit, in der Apps und Echtzeitdaten im Auto Einzug halten, muss die Anzeigetechnik mit den verfügbaren Inhalten Schritt halten.
Jörn Thomas - Contra Bildschirm-Instrumente
Ich glotz TV: Was Nina Hagen schon in den achtziger Jahren röhrte, flimmert nun auch über uns Autofahrer herein. Da imitieren Dioden und Kristalle Nadeln und Skalen, als ob es kein Morgen gäbe, bewegen sich Animationen über den Bildschirm, als säßen wir im Publikum eines durchgeknallten digitalen Pixar-Streifens.
Hilfe, ich will zurück in der Zeit. Als Armaturenbretter noch Bretter mit Armaturen waren und keine aufgequollenen Plastikabfälle, in die jemand einen Playstation-Bildschirm gesteckt hat. Es fing ja alles ganz harmlos an. Irgendwann in den Achtzigern mit schüchternen LED-Anzeigen. Check-Control und so. Gegen die eine oder andere Anzeige ist nichts zu sagen, wir wollen ja schließlich nicht zurück zu Bakelit und Wählscheibe. Prinzipiell ist eine optische Auffrischung ja okay, doch inzwischen wuchert die Digimania wie eine Algenplage über Armaturenbrettlandschaften.
Es gibt Dinge, die kann man einfach nicht besser machen
Warum soll das Auto meine Stimmung kennen oder interpretieren? Der Tacho soll die Geschwindigkeit anzeigen, der Drehzahlmesser die Motordrehzahl.
Basta. Möglichst eindeutig bitte und am besten aus dem Augenwinkel ablesbar. Ich brauche da keine ständig wechselnden Lichtspiele, die meine Pupillen kitzeln. Kennen Sie einen Erwachsenen mit Geschmack, der sich für einen schrillbunten TFT-Bildschirm interessiert, statt anständige Analog-Zeiger auf echten Skalen zu verfolgen? Warum hängen sich denn immer mehr Männer Automatikuhren ans Handgelenk, wo doch Quarz billiger und genauer ist, oder fädeln Nadeln in Vinylrillen, statt sich vom Server bedudeln zu lassen?
Ich saß vor Kurzem mal in einer Mercedes S-Klasse von 1970. Stille. Bis auf das Ticken der Uhr. VDO. Tick, Tick, Tick – der Sekundenzeiger. Und dann: Tack. Volle Minute. Klasse, ich wollte nicht mehr aussteigen. Da können sie heute ihren digitalen Senf noch so dick aufstreichen: Es gibt Dinge, die kann man einfach nicht besser machen.