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Meinung: Pro & Contra
Lowtech- vs. Hightech-Sportler

Immer wenn eine Corvette auftaucht, fährt sie großartig und man fragt sich: Wenn Stoßstangen-V8 und Blattfederfahrwerk reichen, wozu noch das Hightech-Wettrüsten?

Jörn Thomas, Jens Dralle, Corette
Foto: Achim Hartmann

Jörn Thomas schätzt einfach das Einfache

Man kann das Thema Sportwagen ja von vielen Seiten her angehen. Entweder nüchtern und objektiv mit der Stoppuhr, technikverliebt per Featurecounting oder einfach nur spaßig mit Sonnenbrille, Basecap und einem fetten Lachen im Gesicht. Bei der Corvette Z06 wollte das mit dem Lachen vor dem Einsteigen nicht klappen. Dieser US-Charakterkopf mit V8-Motor, der seine Nockenwellen ganz cool unten liegen lässt, seine Ventile per Stoßstangen antreibt, blattfedert, seine Kraft nur auf die Hinterachse loslässt und per manuellem Getriebe verwaltet - welch Anachronismus!

Unsere Highlights

Doch dieser Test hat das Vorurteilsfundament endgültig zerrüttet. Da kommen Gegner wie der Porsche 911 Turbo, voll variabel von der Härte seiner Motorlager bis hin zu den Spoilern. Der das Gefühl vermittelt, jeder Bereich des Wagens sei von einer Armada Ingenieure optimiert worden. Ähnlich wie etwa der Nissan GT-R, der mit Transaxle samt Doppelkupplung, intelligentem Allradantrieb und schwerst biturbogeladenem V6-Triebwerk aufläuft. Und dann die Corvette mit Stoßstangen und Blattfedern: wie bei den Planwagen. Häme? Vergessen Sie es.

Ein Gasstoß genügt, und die wegbeschleunigende Z06 verarbeitet Zweifel zu zartem Schwindel und Kribbeln in der Magengrube. Beeindruckend, was vermeintlich historische Technik leistet. Wobei - sooo historisch ist die Z06 ja nicht. Steifes Alu-Chassis, moderne Elektrolenkung und adaptive Dämpfer verschmelzen zu einem konsequent sportlichen Ganzen. Und der Motor? Nun, wenn 6,2 Liter per Kompressor beatmet werden, ist alles gut. Die 881 Newtonmeter stehen nicht nur auf dem Papier. Und die Stoßstangen? So what. Rund eine halbe Sekunde schenkt die Corvette dem Porsche ein. So, und jetzt wird es Zeit für Sonnenbrille und Basecap. Die Strecke wartet.

Jens Dralle schätzt einfach die Vielfalt

Bevor die "Hab-ich-doch-schon-immer-gesagt"-Fraktion zu euphorisch jubelt: Selbst die Corvette entfernt sich in ihrer Z06-Ausprägung maximal weit von den Planwagen der Siedlertrecks, die einst das karge Land der USA durchmaßen. Natürlich funktioniert sie hervorragend, nagt dem Porsche in unserem Vergleich rund eine halbe Sekunde ab. Tja, wie es wohl ohne die radikale Spezifikation der Michelin Pilot Sport Cup 2 ausgesehen hätte? Egal.

Aber deshalb gleich die Hightech-Fraktion geißeln? Wäre ein bisschen voreilig, denn vermutlich haben Sie auch keinen Röhrenfernseher mehr im Wohnzimmer stehen, sondern einen schicken Flachbildschirm. Und Ihr Sonntagsbraten brutzelt in einem Umluft-Backofen, nicht in einem Holzofen, stimmt’s? Sehen Sie, es ist doch wunderbar, dass die Corvette eine bestimmte Philosophie vertritt, um Fahrdynamikwerte zu erzielen, die in der Sportwagenliga zu den besten zählen.

Ich fände es allerdings sehr bedauerlich, wenn Nissan und Porsche beschlossen hätten, es auf die gleiche Weise zu tun. Wenn ich im Elfer nicht spüren könnte, wie die Allradlenkung bei hohem Tempo die Querkräfte nach oben schraubt und in der Stadt den Wendekreis eindampft. Ich fände es schade, wenn ich nicht erleben könnte, wie der Nissan ungeachtet seiner Masse so flink einlenkt, als habe ihm jemand gegen den jeweiligen Vorderreifen getreten, und unglaublich früh wieder Gas verträgt, ohne dabei über die Vorderräder zu schieben - dank der pfiffigen Kraftverteilung des Allradantriebs. Dennoch empfinde ich die Corvette als Bereicherung, würde mich im Zweifelsfall aber für den GT-R entscheiden. Vielleicht auch deshalb, weil mir das besserwisserische Gejubel der "Hab-ich-doch-schon-immer-gesagt"-Fraktion ziemlich auf den Keks geht.

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AUTO MOTOR UND SPORT 15 / 2024

Erscheinungsdatum 03.07.2024

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