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Porsche Diesel Standard 218
Wheelies bitte nicht steiler als 20 Grad

Redakteur Malte Jürgens bewegt in der Reihe "Fahrversuche frei von Furcht" ungewöhnliche Vehikel. Diesmal: Porsche Diesel Standard 218.

Malte Jürgens, Fahrversuche ohne Furcht
Foto: Dino Eisele

Auf dem Porsche Diesel Standard will Einkuppeln gelernt sein. "Pass auf", warnt mich Besitzer Achim Großmann, "lässt du die Kupplung zu lange schleifen, verbrennt sie wie eine Wunderkerze. Wenn du sie zu schnell kommen lässt, speziell im ersten Gang, kannst du dich wunderbar nach hinten überschlagen. Da würde dich dann nur noch die Ackerschiene retten, sonst liegst du unter 1.350 Kilogramm Porsche-Traktor."

Ich schaue unauffällig nach hinten, nach dort, von wo ich aufgestiegen bin, erst über den Gerätebalken, dann über den Kupplungsring und schließlich mit elegantem Knieschwung auf die rot lackierte Sitzschale. Die muss in RAL 3002 strahlen, Karminrot. Wenn du dich überschlägst, so Achims Botschaft, überschlage dich gefälligst in der korrekten Karosseriefarbe. Und die ist nicht Laubgrün, denn RAL 6002 blieb den in Lizenz gefertigten Porsche-Schleppern von Allgaier vorbehalten.

Unsere Highlights

Porsche Diesel Standard 218 mit Zusatzgewichten

Wheelies bitte nicht steiler als 20 Grad. Sonst bekommt die Ackerschiene Arbeit, und dann muss neu lackiert werden. Immerhin ist an meinem Testexemplar diese ominöse Ackerschiene tatsächlich vorhanden. So verliert das Losfahren etwas von seiner ursprünglichen Bedrohlichkeit. Achims Porsche Diesel ist sogar doppelt gesichert. Der Porsche Diesel Standard 218 trägt über der Vorderachse ein Paket der originalen Zusatzgewichte, die Porsche einst als Mittel gegen unfreiwilliges Aufsteigen anbot und die bei Sammlern heute hoch im Kurs stehen.

Startknopf zur Hälfte ziehen, bis die Glühspirale hinter dem Lochdeckel ein schönes Hellrot entwickelt, und dann mit dem kompletten Herausziehen des Knopfes für den Anlasser den 1,7-Liter-Zweizylinder zum Leben erwecken. Tschumm... tschumm... tschummtschummtschumm... Der luftgekühlte Leichtmetall-Diesel klopft uns den ewigen Rhythmus der Maschine ins Ohr, 25 PS bei 2.000/min. Sein Sound erinnert an den Herzschlag des mütterlichen Kreislaufs, der ja das erste Rhythmusinstrument ist, mit dem der werdende Mensch bis zur Geburt auskommen muss, archaisch, beruhigend, souverän und kraftvoll.

Die ersten beiden Gänge sind dem Überschlag und dem Landleben vorbehalten, pflügen, eggen, Heu wenden und Kartoffeln ernten. Im dritten fährt der Porsche Diesel Standard 218 an wie Mutters früherer Käfer. Der Start gelingt, die Kupplung zeigt sich manierlich, und dann geht es in den vierten und den fünften. Der letzte Gang im Alugehäuse des Getriebes bringt auch die erste Ahnung von Geschwindigkeit; bis Tempo 35 ist alles noch Anlauf. Gefedert wird übrigens wie in der Formel 1, nämlich fast allein über den Reifen. Auf einem Porsche Diesel muss die Hüpfburg erfunden worden sein.

"Motoring without fear"

Der Betriebsstundenzähler auf dem kleinen Armaturenträger dient zugleich als Tankuhr. Porsche legte das Dieselreservoir für acht Stunden Feldarbeit aus. Beim Volltanken die Stundenzahl notiert, und 400 Minuten später ist klar, dass der Schlepper nun bald auf Reserve läuft. Die Lenkung ist für die Wiese brauchbar. Die Bremsen? Sind vorhanden, verlangen aber Pedaldruck wie von einer Schuler-Presse.

Auf unserer Teststrecke am Botnanger Waldhof mit seinen herrlichen Pferden fallen mir die Warnungen des Earl of Cottenham ein, der 1928 in seiner denkwürdigen Schrift "Motoring without fear" zum Kontakt von Chauffeur und Pferd bemerkte: "Um Pferde sollte man so weiträumig wie möglich herumfahren. Sie sind ängstlicher als alle anderen Kreaturen, und wenn du sie auf einer Asphaltstraße jagst, rutschen sie meistens aus und fallen dir aufs Auto." Die Waldhof-Pferde stehen gottseidank im Stall wie der brave braune Storm und nehmen nur aristokratisch eine Freundschaftsmöhre zur Brust. Was aber ist mit den Vierbeinern aus der benachbarten Hundeschule? "Der gebildete Fahrer", so einst der Earl, "fährt nicht über Hunde." Der Porsche Diesel Standard 218 und ich halten uns daran.

Vierzylinder sind teurer als viele 911er

In Manzell bei Friedrichshafen zwischen 1956 und 1963 gefertigt, bot Porsche in den Fünfzigern und Sechzigern Traktoren in vier Klassen an: Der Junior hat einen Zylinder, der Standard zwei, der Super drei und der Master gar vier; die Leistung reicht von elf bis 50 PS. Das langt selbst für Fernreisen, etwa von Stuttgart bis zum Bodensee. Wer heute zur selbstzündenden Bruderschaft der Porsche-Diesel-Treiber zählen möchte, muss deutlich tiefer in die Tasche greifen als noch vor drei oder vier Jahren; die Vierzylinder etwa sind bereits teurer, weil seltener als viele 911er. Zum Fahrspaß bietet ein Porsche Diesel Standard 218 also auch noch eine brauchbare Investition. Tatsächlich – und nicht nur rein überschlägig betrachtet.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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