Porsche 911-Generationenvergleich: 50 Jahre Elfer in 50 Minuten

Porsche 911-Generationenvergleich
50 Jahre Elfer in 50 Minuten

Veröffentlicht am 27.08.2013

Porsche 911 Targa - der Urvater

Der erste Elfer, gebaut von 1963 bis 1973, emanzipiert sich vom 356 und legt den Grundstein für die Erfolgssaga. Schlüsseldreh links – ruckzuck ist die Tiefgarage benzolschwanger und historiengetränkt. Der Ur-Elfer wacht auf, boxert verschlafen mit seinen sechs Kolben in zwei Liter Hubraum herum, schlürft sein Gemisch aus zwei Dreifach-Vergasern, während wir uns mit der Sechziger-Jahre-Ergonomie auseinandersetzen.

Das große Lenkrad mit dem dürren Kranz liegt uns fast auf den Knien, der zentrale Drehzahlmesser magnetisiert den Blick. Auf dessen Skala spielt die Musik – roter Bereich kurz vor 7.000/min –, doch daneben gilt es Öltemperatur, -druck und -stand im Blick zu behalten inklusive des Tachos mit seinen fast arroganten 50er-Sprüngen.

VDO-Normskalen, Kienzle-Zeituhr, made in Germany eben. Radio? Gibt es zwar, doch für die Bord-Unterhaltung ist der 130 PS starke Motor zuständig. Kommandiert von stehenden Pedalen und einem schlichten schwarzen Schaltstock, der vor dem metallischen Handbremshebel aus dem Boden wächst. Der luftgekühlte Boxer mag kein Gezuckel, dann verrußen die Kerzen, und sein Lebenslicht scheint zu flackern.

Er brennt am liebsten mit heller Flamme. Und schon zeigt sich: Ein damals gutes Auto ist auch heute noch gut. Drehfreudig, gassensibel und agil, im mittleren Drehzahlbereich bissig, auch ohne irgendwelche Variablen im Ansaugtrakt. Damals musste es eine feine Grundabstimmung richten.

Alles geht ganz leicht, und irgendwann flutscht es sogar. Kuppeln, schalten, Gas. Herrlich. Hinzu kommt das zusammenfaltbare Targadach, das nach dem Entfernen eine ordentliche Portion Frischluft ins Cockpit spült. Der alte Targa: sportiv und direkt, trotz der weich gepolsterten Sitze, dem bewegungsfreudigen Drehstabfahrwerk und der eher vage rückmeldenden Lenkung. Das gefiel auch Top-Terrorist Andreas Baader, der einen Porsche 911 S stibitzte. Ferry Porsche prophezeite, das letzte gebaute Auto werde ein Porsche sein. Für Baader war es zumindest das letztgefahrene.

Porsche 930 Turbo - der Brachiale

Das Topmodell der lang gehegten G-Baureihe, gebaut von 1973 bis 1989, pflegt aufbrausendes Turbo-Naturell. Wir sparen uns den 3,2-Liter-Carrera, den vielleicht wahrhaftigsten aller Porsche 911, und greifen direkt zum Turbo, dem König der G-Generation. Vom 260 PS starken Dreiliter beim Debüt 1974 evolutionierte er 1978 zum 3,3-Liter mit 300 PS und zum Schluss mit Fünfganggetriebe. Hinter der klassischen Uhrensammlung des Cockpits verzehrten sich schon Granden wie Herbert von Karajan und Niki Lauda nach Turboloch und Turboschub.

Greifbar wie nie zuvor und selten danach jongliert man mit dem Ladedruck der KKK-Turbine. Ein Ritt auf Messers Schneide und 245/45 ZR 16-Hinterreifen – stets pendelnd zwischen Hero und Zero. Dabei liebkost der Turbo seine Gäste mit bequemen, seitenhaltstarken Sitzen in Habacht-Position, schmeichelt mit seinem flauschigen Teppich, der sich bis Hüfthöhe zieht, butlert mit Sitzheizung, elektrischen Fensterhebern und Klimaanlage. Zeitgenössisch: VDO-Quartz-Zeituhr, schüttere Lenkstockhebel, wie zufällig verteilte Kippschalter aus dem Elektronikshop sowie Zugschalter fürs Licht. Herrlich.

Die olle Wärmetauscherheizung bullert wie eine Kaminofen, doch richtig glüht es vor allem ganz hinten. Dort, wo der luftgekühlte, zwangsbeatmete Boxer wohnt. Und überraschend leise und manierlich von der Kupplung kommt, geschmeidig, ja ein wenig betulich losrollt. Selbst nach heutigen Maßstäben präzise: Schaltung und Lenkung sowie die kräftige Bremse mit ihrem transparenten Druckpunkt. Vertrauensbildende Maßnahmen, die schließlich in einem mutigen Tapser aufs Gaspedal gipfeln. Vollgas. Jenseits 3.000/min beginnt die Turbine zu pfeifen, zappt die Nadel der Ladedruckanzeige auf 0,8 bar. Jetzt passiert‘s, auch die Tachonadel erwacht, zischt im Takt der Gangwechsel über die Skala.

Turboloch? Aber hallo! Süßes verzehrendes Warten auf den nächsten Tritt in den Hintern. Das ist es, was den Turbo ausmacht, der radikale Wechsel zwischen beiläufigem Schnuffeln und herrischem Kick. Doch man muss nicht zwingend SM-Ambitionen hegen, um Spaß am 3,3-Liter zu haben. Es genügt, Freude an den Gaswechseln zu haben, wenn sich pfeifend und zischend die Brennräume füllen und leeren.

Hinzu kommt das richtige Timing: in der Kurve genau den Moment zum Gasgeben zu erwischen, der im Raumgewinn und nicht im Kontrollverlust mündet. Einzig Fans des trockenen Boxerröchelns und -hechelns, wie es die frei saugenden Epochen-Geschwister bieten, dürften enttäuscht sein, wie rigoros der Turbo den Soundtrack des luftgekühlten Boxers dämpft.

Porsche 964 - der Grenzgänger

Die Revolution in der Porsche 911-Entwicklung bleibt mit dem 964, gebaut von 1988 bis 1993, aus, heraus kommt eine reizvolle Top-Evolution. Plopp – satt wie bei einem Mercedes G schließen die Türen des 964, einer Art Zwitter aus alter und neuer Welt. Bekannte Proportionen mitsamt ausgeprägter Frontkotflügel treffen auf ABS, Servolenkung, Allradantrieb, Airbags und elektrisch ausfahrenden Heckspoiler. Auch die Drehstäbe flogen raus, ab sofort führen McPherson vorn und Schraubenfedern rundum. Fast historisch mutet der Drehknopf für die Türverriegler an.

War der Turbo im G-Modell eine Turbine, lebt im 964 ein richtiger Sauger im Heck. Er schüttelt dich ein wenig an der Ampel, kitzelt sanft während der Fahrt, legt dir sein breites Leistungsband zu Füßen, untermalt vom sämigen Bummeln bis zum energischen Drehen. Untenrum büffelt dieser Prachtsauger jedenfalls satter als der heldenhafte Turbo des Vorgängermodells.

Der 3,6-Liter mit Doppelzündung und Kat kann es einfach. Naturbelassen, ohne Klappentricks, klingt er, wie er fährt: mal bassig, mal bissig, niemals prollig. Roter Bereich bei 6.800, Tacho bis 300. Alles passt sofort, der 964 ist ein Alltagskumpel mit Muskeln unterm eleganten Zwirn des turbobreiten Jubiläumsmodells 30 Jahre 911.
Raffleder in Rubicongrau und Außenfarbe Violametallic – na ja. Highspeed-Flokati und Türgriffe wie im Vorgänger-Turbo. Übersicht top, Lenkpräzision überraschend gut, Fünfganggetriebe rastet fest und sauber. Klassik trifft Moderne – und das luftgekühlt. Ein vorletztes Mal, nur der direkte Nachfolger hält seine Zylinder noch ohne Wassermantel in den Wind.

Porsche 911, Typ 996 4S - der Smarte

Modernistisches Design bremst zu Beginn die Liebe zum ersten Wassergekühlten Porsche 911. Der 996 wurde von 1998 bis 2005 gefertigt. Wasserkühlung, Cupholder, Navigationssystem, Spiegelei-Scheinwerferaugen – jetzt ist es passiert. Die Neuzeit hat dem Porsche 911 einen schweren Treffer verpasst, und Porsche wird dem schlichten Elfer-Stil untreu. Vom Armaturenträger über die Tasten bis zu den Schriftzügen – alles ist mit Absicht designt. Fraglich nur, mit welcher, denn das neue Armaturenbrett könnte zumindest an der Beifahrerseite problemlos einen Kleintransporter schmücken. Klobig, kastig und vor dem Fahrer von einer Hutze gekrönt, zudem fließen die bis dahin streng getrennten Uhren ineinander.

Die optionale Fünfgang-Automatik wandlert und schlupft, mutet dem Piloten große Gangsprünge zu, die Tasten zum Schalten am Lenkrad geben sich charmant wie Lichtschalter. Irgendwie ist der 996 nicht so ganz bei sich, scheint unschlüssig, was vielleicht auch an den 38 Prozent Gleichteilen zum Einstiegsmodell Boxster liegt. Preiswert-Kunststoffe hier, Lederbezug dort – ein Stil, den man mögen kann, nicht muss.
Andererseits: Der neue 3,6-Liter liefert in unserem Cabrio 320 PS und dank Nockenwellenverstellung sowie variablem Ansaugtrakt auch ordentlich Drehmoment. Sobald die Tiptronic es zulässt, dreht der Wasserboxer frei und ungeniert, schmettert das Elferlied – schalldämpfender Mantel hin oder her: Ansaug- und Auspuffgeräusch vereinen sich zum harmonischen Trompetenchor. Hinzu kommt beim Cabrio der klasse Frischlufteindruck. Aber ganz ehrlich: Der 996 geht einem nicht so nah wie seine Geschwister – trotz guter Papierform und moderner Technik.

Porsche 997 GT3 - der Gute

Maskulines Design und attraktive Technik des von 2004 bis 2013 gebauten 997 beruhigen Zweifler und begeistern Fans. Jetzt passt es wieder – nicht nur beim Sportsmann Porsche 911 GT3. Der 997 ist immer noch ein Elfer – oder besser: wieder. Nicht nur beim Außendesign, das wieder auf Kurs ist. Auch das Armaturenbrett zitiert gekonnt die Klassiker, ohne sich der Moderne zu verweigern. Der rote Bereich beginnt bei 8.300/min, der Tacho endet bei dreifuffzig – im GT3 gilt es.

So tief der Frontspoiler am Asphalt schnüffelt, sich bei scharfem Tempo um Abtrieb müht, so energisch gehen Motor und Fahrwerk ran. Der Sportsmann duldet kein Kinkerlitzchen, macht ernst, spannt seinen Piloten ein, ohne zu nerven. Künstlich aufgesetztes Gehabe ist ihm fremd, so ehrlich wie an Bord eines GT3 geht es im automobilen Kosmos selten zu, selbst im Porsche 911-Familienkreis ist der GT3 ein ganz Trockener. Trotz der elektronischen Fahrhilfen, die sie ihm und seinen Piloten mit dem Facelift spendierten. Die greifen zum struppigen Alcantara-Lenkrad, klemmen in den Wangen der Sportschalen, umgeben vom schwarzen Rohrgeflecht des Käfigs, der mittels beigelegter Zusatzteile FIA-konform wird.

Ein Traum, den 3,8-Liter von der strengen Kupplung zu lassen, die sechs Gänge auf
kurzen, harten Wegen durchzuladen und den vielleicht besten Sechszylinder-Saugmotor der Welt zu genießen. Direktes Ansprechverhalten, spürbarer Durchzug, flammende Drehfreude – alles auf einmal. Freie Atemwege, geringe Schwungmasse und eine insgesamt gelungene Gaswechsel-Choreographie lassen den Gedanken keimen, sich einfach in diesem Ding festzuketten und nie wieder auszusteigen – nicht einmal für den Targa von vor 50 Minuten.

Danke Porsche, danke Elfer. Ihr wart, seid und werdet immer großartig bleiben. Jeder für sich.